Das Thema fasziniert mich einfach. Immer wieder entwickeln Menschen Systeme, die anderen Menschen das Leben ein Stück leichter machen sollen. Manchmal allerdings übersehen sie dabei die Nebenwirkungen, die diese Systeme entfalten. Und wie bei Medikamenten muss man dann Mittel gegen die Nebenwirkungen einsetzen.
Es ist offensichtlich ein bisschen so wie bei den Ingenieuren, die vor lauter Begeisterung über die Fähigkeiten ihrer technischen Errungenschaften derartig viele Funktionen einbauen, die kein Mensch wirklich verwendet, dass sie darüber den Kunden vergessen. Ein Beispiel aus einem Bereich, der auf den ersten Blick nur indirekt etwas mit dem Personalmanagement zu tun hat.
Man stelle sich vor, der Außendienstler sitzt beim Kunden und präsentiert die neuesten Produkte. Auf jede Frage des Kunden zaubert er eine Antwort aus seinem Smartphone, kann die aktuellen Preise abrufen, dazu im Vergleich, wie teuer die Produkte des Konkurrenten sind, wie es mit Reklamationen aussieht und was Kundenumfragen zum Produkt ergeben haben. Dann schaut er nach, wie hoch der Umsatz mit diesem Kunden bisher ist, erfährt auch mit wenigen Klicks, wie es um die Zahlungsmoral bestellt ist, sieht, was der Kunde bisher alles bei seinem Unternehmen gekauft hat und kann entsprechende Rabatte einräumen bzw. Paket-Angebote unterbreiten. Natürlich prüft er gleichzeitig, ob alle Waren auf Lager sind, nimmt sofort die Bestellung elektronisch auf und kann dem Kunden den genauen Liefertermin nennen. Fast so perfekt wie bei Amazon, nur dass hier dem Kunden ein leibhaftiger Mensch gegenüber sitzt, der alle Schritte für ihn abwickelt.
"Sales-Force-Automation" nennt man das, und damit sollte der Außendienstler nun wirklich glücklich sein. Eigentlich. Wenn da nicht eine unangenehme Nebenwirkung wäre. Mit Hilfe solcher Systeme können die Controller im Unternehmen wunderbares
Performance-Management betreiben. Sie könnten per Knopfdruck erfassen, wie hoch der Umsatz ist, denn der Verkäufer je Kunde und Besuch erzielt, sie könnten ihm aufzeigen, welche Chancen er ergriffen und welche er versäumt hat und vor allem, wie er im Vergleich zum Vorjahr, zum letzten Quartal und zu seinen Kollegen dasteht. Und sie könnten ihm basierend auf diesen Zahlen konkrete Vorgaben machen, was er zu welchem Preis beim nächsten Mal verkaufen muss, um seine Ziele zu erreichen.
Was wird passieren? Eine neue Nebenwirkung, die wohl bekannt ist. Die Verkäufer werden Mittel und Wege finden, das System auszutricksen. Sie werden sich absprechen, die Zahlen frisieren, die Quoten schönen. Dagegen werden wiederum Maßnahmen gefunden werden - Medikamente gegen Nebenwirkungen mit neuen Nebenwirkungen. Alles wohlbekannt und im Vorfeld leicht auszumachen. Berücksichtigt aber wird all das selten...
Rezension zum Thema:
Hilfreiche Heinzelmännchen, acquisa 8/2010
Alles unter Kontrolle, Financial Times Deutschland, enable Heft 9/2010
Samstag, 16. Oktober 2010
Die Nebenwirkung von Systemen
Eingestellt von Johannes um 20:14:00
Labels: Unternehmenskultur
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