Donnerstag, 5. Januar 2012

Präsentationsspezialisten

Eine sicherlich höchst interessante Entwicklung: Was bisher in der Produktion möglich war, nämlich komplexe Tätigkeiten in winzig kleine Arbeitsschritte zu zerteilen und diese praktisch getrennt voneinander durchführen zu lassen, ist dank Internet und weltweiter Vernetzung nun auch kein Tabu mehr für Wissensarbeiter. Da arbeiten IT-Spezialisten an einer Software, und zwar so, dass jeder nur einen winzigen Teilbereich programmiert. Die Aufträge werden ausgeschrieben, die Besten (oder Günstigsten?) werden engagiert, am Ende werden die Einzelteile zusammengesetzt und all das schneller und billiger, als das reale Teams jemals schaffen könnten.

Ein anderes Beispiel: Gesprochene Beiträge, die früher am Stück niedergeschrieben wurden, können heute parallel vielen Bearbeitern zur Verfügung gestellt werden, die einzelnen Abschnitte werden gleichzeitig transkribiert und in kürzester Zeit wieder zusammengefügt.

Wie schrecklich, dachte ich beim Lesen des Beitrags. Ähnlich wie bei dem Arbeiter in Chaplins "Moderne Zeiten" weiß der Einzelne überhaupt nichts mehr vom Gesamtauftrag, sieht nicht weder den Sinn seiner Arbeit noch bekommt jemals etwas vom Ergebnis mit. Tatsächlich aber dürfte auch das wieder nur ein Zwischenschritt sein. Heute die völlige Zersplitterung von Aufgaben, die morgen schon von Automaten übernommen werden. Kennen wir doch auch aus der Produktion.

Powerpoint-Spezialisten

Mich hat noch ein anderer Aspekt beschäftigt. Welcher Manager kommt heute noch ohne Powerpoint aus? Und wie viele Stunden verbringt er beim Gestalten und Zusammenfügen der einzelnen Charts? Das habe ich schon oft gedacht: Wie unsinng es doch ist, dass derjenige, der die Inhalte entwickelt, anschließend das Vielfache der Zeit dafür aufwendet, all das in eine ansprechende Form zu bringen. Das dürfte Spezialisten für die verbreitete Präsentationssoftware viel leichter fallen. Hier wäre eine Arbeitsaufteilung in der Tat sinnvoll.

Allerdings gibt es auch hier wieder höchst seltsame Nebenwirkungen. Es soll Unternehmen geben, die ihren Managern solche Spezialisten zur Verfügung stellen und diese angemessen honorieren. Prima, dachte ich, sehr vernünftig. Doch dann stellte sich heraus, dass diese Manager die externen Powerpoint-Spezialisten engagieren, um die Präsentationen zu gestalten, mit denen sie selbst anschließend vor den Vorstand treten.

Das ist genial, oder? Wir bezahlen Spezialisten, damit diese unsere Mitarbeiter darin unterstützen, uns zu überzeugen. Und dann sitzt der Vorstand da, völlig beindruckt von der professionellen Darbietung seiner Angestellten und nickt zustimmend.

Irgendetwas daran ist völlig schräg. Allerdings nicht die Tatsache, dass Manager das externe Know how nutzen. Sondern dass hier die Verpackung überhaupt eine Rolle spielt. Müsste ein Vorstand, der eine perfekte Präsentation zu sehen bekommt, nicht sofort aufschreien und fragen: "Wer hat so viel Zeit investiert, um dieses Kunstwerk zu erstellen?" War es der Manager selbst, müsste er sich fragen lassen, ob er sonst nichts zu tun hat. Hat er Spezialisten engagiert, müsste man die Kosten hierfür von seinem Gehalt abziehen. Unrealistisch? Vermutlich...

Rezension zum Thema:
Das Zeitalter der Spezialisten, Harvard Businessmanager 9/2011

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