Der Glaube, dass man nur die richtigen Anreizsysteme schaffen müsse, und schon funktionieren Menschen und ganze Organisationen wie gewünscht, ist weit verbreitet und nicht tot zu kriegen. Es klingt ja auch ungeheuer plausibel: Man möchte, dass Bankberater mehr eigene Bankprodukte verkaufen, also muss man doch nur die variable Vergütung an die Anzahl der abgeschlossenen Verträge koppeln, und schon stellen die Mitarbeiter ihr Verhalten von Beratung auf Verkauf um. Natürlich wird das so nicht kommuniziert, aber das ist eine andere Geschichte.
Man möchte, dass Pharmavertreter den Gewinn steigern? Dann muss man ihr Gehalt an die Höhe des Gewinns koppeln. Dumm, wenn sie dann nur noch die Produkte in den Markt drücken, die eine hohe Marge abwerfen, obwohl man doch, aus strategischen Gründen, andere Produkte stärker platzieren möchte. Kein Problem, koppelt man einen Teil der Prämie an die Anzahl der verkauften "strategischen Produkte". Irgendwann wird das System undurchschaubar. Gut für den Verkäufer, der es dann prima austricksen kann. Dagegen gibt es dann wieder ein Mittel usw. usw.
Was in der "freien Wirtschaft" so toll funktioniert, das können wir doch auch bei der Finanzierung von Universitäten einsetzen, dachte sich die Politik. Nun erhalten die Hochschulen in NRW die Landesmittel in Abhängigkeit davon, wie viele Studenten wie schnell zum Abschluss kommen, wie viele Promotionen betreut werden und wie viele Drittmittel sie an Land ziehen.
Ein Gedankenexperiment
Ein interessantes Gedankenexperiment wäre, einmal zu überlegen, welche Möglichkeiten es denn gibt, diese Zahlen in die Höhe zu treiben. Schnelligkeit des Studiums? Kein Problem, dann darf man bei den Prüfungen nicht so hart sein. Anzahl der Promotionen? Da wird sich so einiges finden lassen.
Es kommt noch besser: Wenn eine Uni es schafft, diese Kennzahlen zu "optimieren", kriegt sie nur dann mehr Geld, wenn andere schlechter abschneiden, denn der Gesamttopf bleibt ja gleich. Was muss sie also anstellen, damit die Konkurrenz schlechter abschneidet?
Die Sache mit dem Kuchen
Ich denke zu schlecht von den Menschen? Wie wäre es mit diesem Gedankenexperiment: Sie haben einen großen Kuchen und sagen Ihren drei Kindern: Wie groß der Anteil jedes einzelnen von euch ist, hängt davon ab, wie schnell Ihr euer Zimmer aufgeräumt habt, wie schnell Ihr eure Hausaufgaben fertig habt und wie viele Karten Ihr an die liebe Verwandschaft zu Weihnachten geschrieben habt.
Was wird geschehen? Werden sie den Müll in ihrem Zimmer in Schubladen und unter dem Bett verstauen? Werden sie die Zahl der (angeblichen) Hausaufgaben reduzieren? Und werden sie sich anschließend gegenseitig denunzieren? Oder sind sie so clever, sich abzusprechen und am Ende alle gleichzeitig fertig zu sein?
Ich bin gespannt, wie lange das gut geht mit der Geldverteilung nach "Leistung". Nicht lange, ist meine Prognose, weil der Aufwand, zu kontrollieren, ob alles auch in der erforderlichen Qualität abläuft, immens sein wird.
Rezensionen zum Thema:
Ohne Fleiß kein Preis / Wenn der Vertrieb über alles geht, Financial Times Deutschland, 22.10.2008
Mittwoch, 10. Dezember 2008
Nicht auszurotten
Eingestellt von Johannes um 23:47:00
Labels: Entlohnung, Motivation
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2 Kommentare:
Hallo Herr Thönneßen,
eines vorneweg, ich schätze Sie, Ihren MWOnline-Service und Ihre Kommentare sehr.
Allerdings lese ich in letzter Zeit immer wieder, immer öfter einen extrem negativen, fast schon sarkastischen, Zwischenton.
Ein Beispiel, im obigen Blogartikel "prügeln" Sie mal wieder auf die Manager ein, die glauben mit Geld steuern/ motivieren zuu können. Sie "prügeln" ein, auf die Mitarbeiter die nur die Dinge tun, die Ihnen Geld bringen.
Am 16. Dezember schreiben Sie dann, dass Geld doch gar kein Motivator ist, sondern andere Dinge motivieren und dass die "doofen" Manager das immer noch nicht kapiert haben, wo doch die Herzbergsche Theorie schon 1959 publiziert wurde.
Ja was denn nun?
Hauptsache "eingeprügelt"?
Ich habe jahrelang im Vertrieb gearbeitet, und bin jetzt seit mehr als 10 Jahren selbständig als Vertriebsberater und -trainer. Und glauben Sie mir, wenn ich immer das getan hätte, was am meißten Geld bringt, wäre ich längst Pleite.
Ich hatte früher viele Stammkunden und arbeite heute mit manchen Kunden mehr als 10 Jahre erfolgreich zusammen, weil ich Nutzen optimiere. Und zwar zuerst den Nutzen für den Kunden und danach dann erst den meinen.
Frohe Weihnachten
mit ein paar positiven Gedanken
wünscht Ihnen von Herzen
Heiko van Eckert
Hallo Herr van Eckert,
das mit dem sarkastischen Zwischenton ziehe ich mir an - ich gebe zu, manche Veröffentlichungen könnten mich fast resignieren lassen. Dazu gehören auf jeden Fall die fortwährenden Versuche, Menschen über Anreizsysteme steuern zu wollen.
Sie haben auch Recht, dass es zunächst nach einem Widerspruch aussieht, dass sich Menschen und Systeme nach diesen Anreizsystemen ausrichten und versuchen, sie auszutricksen. Mmh, dachte ich, da hat er mich aber erwischt.
Es ist in der Tat eine sehr komplexe Angelegenheit, kein Wunder, dass er noch keine wirklich umfassende Motivationstheorie gibt. Ich werde in einem nächsten Blogbeitrag versuchen, den Widerspruch aufzudröseln.
In der Zwischenzeit wünsche Ihnen ebenfalls frohe Weihnachten.
Johannes Thönneßen
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