Donnerstag, 16. August 2012

Alles ist Diversity?

Immer noch erscheinen Diversity-Artikel. Und die Inhalte sind immer die gleichen. Ich fürchte, das Thema ist schon durch, bevor es richtig angefangen hat. Warum? Weil hier auf ziemlich dreiste Weise jede Menge altbekannte Themen neu verrührt und angerichtet werden.

Beispiele: 
Unternehmen, die Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten die Möglichkeit einräumen, Beruf und Familie zu vereinbaren, betreiben Diversity-Management. Sie betreiben aber auch Gesundheitsmanagement, denn sie sorgen für "Work-Life-Balance".

Unternehmen, die die Arbeitsplätze so umgestalten, dass ältere Mitarbeiter in der Lage sind, weiterhin ihren Job zu bewältigen, betreiben Diversity-Management. Weil so die Mischung aus Jung und Alt gelingt. Und sie betreiben natürlich auch Gesundheitsmanagement, weil ältere Mitarbeiter länger fit bleiben.

Unternehmen, die Mitarbeiter mit internationaler Herkunft einstellen und fördern, betreiben Diversity-Management, weil so die kulturelle Vielfalt gewährleistet wird. Sie betreiben aber natürlich auch Talentmanagement, weil sie es sich angesichts des Facharbeitermangels nicht erlauben können, Menschen mit Migrationshintergrund außen vorzulassen.

Völlig wurscht...

...unter welcher Flagge sie sich um Eltern, ältere Mitarbeiter oder Migranten bemühen, Hauptsache, sie tun es überhaupt, könnte man hierauf einwenden. Ärgerlich ist dieser ganze Management-Methoden-Kram trotzdem. Weil die jeweiligen Vertreter immer mit der selben Forderung an die Organisationen herantreten: Erst mal fleißig analysieren, wie es um das Talentmanagement, Gesundheitsmanagement, Diversity-Management bestellt ist, Umfragen veranstalten, Interviews führen, dann Projektteams installieren, dann Maßnahmen planen, dann... Kennt man alles.

Dabei ist es so viel einfacher. Würde man Merkmale wie Alter, Geschlecht, Familienstand, kultureller Hintergrund usw. erst gar nicht als Problem ansehen, sondern vor allem und zuerst nach den Chancen schauen, könnte man sich den ganzen Managementkram schenken. Und wenn man sich dann intensiv um die Bedürfnisse ALLER Mitarbeiter kümmert, indem man hinhört und hinschaut, was sie brauchen, um optimal arbeiten zu können, dann würden all die oben genannten Maßnahmen ganz zwangsläufig ergriffen.

Wozu brauchen wir also diese Managementmodelle? Eine Erklärung: Weil sie ALLE eines versprechen: Mehr Gewinn. Kein Artikel, egal um welches Modell es geht, kommt ohne den Hinweis aus, dass Unternehmen, die sich um Diversity (Talente, Gesundheit, Werte...) kümmern, dies keineswegs aus purer Menschlichkeit tun. Wo kämen wir denn da hin? Nein, es geht um knallhartes Kalkül. Entsprechende Studien, die beweisen, dass solches Tun wirtschaftlichen Erfolg bringt, werden meist mitgeliefert. Und irgendwer ist beeindruckt und fängt an, sich endlich um Diversity zu kümmern.

Ach ja, da musste ich auch schmunzeln. Als Vorbild für Diversity wird die deutsche Nationalmannschaft angeführt. Wie lustig. Als ob dort auch nur ein Spieler türkischer oder polnischer Abstammung spielt, weil der Bundestrainer ein Diversity-Verfechter ist. Seit vielen Jahren finden sich in den europäischen Spitzenteams die unterschiedlichsten Nationalitäten, auch ohne, dass ein Managementvordenker den Clubs was von Vielfalt erklärt hat. Es ist geradezu anders herum: Herkunft spielt überhaupt keine Rolle: Eingesetzt wird, wer der Beste auf seiner Position ist. Davon können Unternehmen in der Tat lernen. Wenn sie mal wieder einen älteren Mitarbeiter oder eine Frau für eine Position ablehnen auf Grund des Alters oder des Geschlechts.

Wo wir schon mal beim Sport sind: Was im Musterland der Diversity die Vielfalt wert ist, das sieht man in den US-Basketballmannschaften der Profi-Liga. Ein perfektes Abbild der Gesellschaft, oder? Kleine, Große, Farbige, Weiße, Alte, Junge.... Sehr witzig...

Rezension zum Thema:
Viele sind mehr, managerSeminare 6/2012

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