Montag, 31. Dezember 2012

Fernbedienung des Lebens

Ein Begriff, der hängen bleibt: Das Smartphone als Fernbedienung des Lebens! 83 Minuten pro Tag verbringt der Deutsche im Internet (nur?), 14 Millionen gehen jeden Tag mit ihrem Mobiltelefon online, 44% aller Bundesbürger besitzen bereits ein Smartphone.

In der Tat, wenn man durch die Straßen läuft, begegnen einem immer häufiger Menschen, die ihr Handy nicht am Ohr haben, sondern auf einen kleinen Bildschirm starren und mit zwei Daumen wild darauf herum tippen. Macht mir schon ein wenig Angst - beim Telefonieren haben sie wenigstens den Blick noch nach vorne gerichtet. Jetzt kann schon mal ein Laternenpfahl oder ein unachtsam geparktes Auto den Gang abrupt stoppen.
Es wird höchste Zeit, dass wir alle Brillen tragen, die als Bildschirme fungieren, und statt mit den Fingern Texte mühsam auf winzigen Tasten zu erstellen, mit unseren Gedanken, von Hirnströmen abgeleitet, mit anderen kommunizieren.

Gibt es das schon? Bald, vermutlich. Daran gearbeitet wird schon längst...

Artikel zum Thema:
Ständig auf Sendung, Wirtschaftswoche 48/2012
Gedacht, getan, Wirtschaftswoche 8/2012

Sonntag, 30. Dezember 2012

Was ist eigentlich Potenzial?

Wie leichtfertig wir mitunter mit Begriffen hantieren, ohne uns zu vergewissern, ob es überhaupt ein gemeinsames Verständnis davon gibt, was diese Begriffe genau bezeichnen. Potenzial ist so ein Begriff, Kompetenz ein anderer. Und dann gibt noch den Begriff der Fähigkeit. Wie stehen sie zueinander? Was meinen wir, wenn wir sagen, jemand habe das Potenzial zu einem großen Künstler? Einem erfolgreichen Sportler? Einer Führungskraft?

Ich habe viele Definitionen bisher gelesen und bin nach wie vor dankbar für jeden Versuch, ein wenig Licht in das Begriffschaos zu bringen. So geschehen in der Ausgabe 9/2012 der managerSeminare. Kompetenz als bewusst wiederholtes Verhalten zu definieren gefällt mir gut. Einmal einen Golfball richtig zu treffen, ist noch keine Kompetenz. Dies bewusst zu wiederholen, allerdings schon. Mit anderen Worten: Jemand hat die Kompetenz, andere zu erfolgreich zu führen, wenn ihm dies in vielen Situationen immer wieder konkret gelingt.

Aber was sind dann Fähigkeiten? In dem Beitrag wird sie als handwerkliche Komponente, die "Ausführungskompetenz" definiert, die wir durch Übung weiterentwickeln. Das ist merkwürdig. Nicht nur, weil hier Fähigkeit durch einen Begriff erklärt wird, der "Kompetenz" als Bestandteil hat. Später taucht dann auch noch der Begriff "Talent" auf, mit dem die Begrenzung unserer Fähigkeiten gemeint ist.

Fähigkeiten sind zweifellos Voraussetzungen für Kompetenz. Jemand, der nur eine begrenzte Fähigkeit besitzt, Arme und Beine zu koordinieren, wird wohl kaum eine herausragende Kompetenz in Sachen Tennis entwickeln. Ist Fähigkeit damit die angeborene Disposition für ein Verhalten? Irgendwie schon, aber da sie angeblich trainiert und damit verbessert werden kann, auch nicht ausschließlich.

Versuchen wir es einmal so: Jemand besitzt die Fähigkeit, seine Finger schnell zu bewegen, durch Übung kann er dies bis zu einem gewissen Grad steigern. Besitzt er zudem die Fähigkeit, Töne zu erkennen, und dann noch die Fähigkeit, sich zu konzentrieren usw., dann besteht die Chance, die Kompetenz des Geigespielens auf einem bestimmten Niveau zu erwerben - nämlich immer wieder ein Konzert in einer bestimmten Qualität zu spielen.

Besitzt er damit auch die Fähigkeit, Geige zu spielen? Na gut, wollen wir mal nicht spitzfindig sein...

Der wichtigste Aspekt einer Kompetenz ist laut Paschen/Dihsmeier die Orientierung. Wer keine Präferenz bzw. kein Motiv zur Kunst hat, dem werden alle Fähigkeiten (oder Talente?) nicht helfen, also wird er auch keine entsprechende Kompetenz erwerben.

Und was ist nun Potenzial?

Ganz einfach: Noch nicht realisierte Kompetenzen. Sprich: Jemand hat die Fähigkeit (Talent?) und die Orientierung, aber setzt es (noch) nicht in konkretes, wiederholtes Verhalten um. Klingt sinnvoll, oder? Mit welchen Konsequenzen für die Potenzialanalyse?

Wäre zuerst einmal zu klären, wann und wozu wir überhaupt Potenzial erfassen wollen. Bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern? Bei Entscheidungen über den weiteren Verlauf einer Karriere, der sogenannten "Personalentwicklung"? Überhaupt bei Entscheidungen über Investitionen in Menschen, etwa bei angehenden Sportlern, Künstlern, Wissenschaftlern, Führungskräften...?

Soll heißen: Wir wollen wissen, ob es sich lohnt, Geld und Zeit in die Förderung von Menschen zu stecken, sie auszubilden, ihnen Aufgaben anzuvertrauen. Wie stellen wir das an?

Da wird es leider kompliziert. Was immer wir tun - wir werden immer nur Kompetenzen - nach der oben genannten Definition - erfassen. Wir schauen in Tests und Assessment Centern, ob jemand eine bestimmte Aufgabe wiederholt mit einer bestimmten Qualität löst. Oder bestimmte Fragen in bestimmter Art und Weise ankreuzt. Dann schließen wir daraus auf bestimmte Orientierungen, Motive, Fähigkeiten, die wir nun einmal nicht selbst beobachten können. Anschließend hoffen wir, dass jemand, der heute diese beobachteten Kompetenzen zeigt, in Zukunft auch andere Kompetenzen entwickeln kann und wird.

Was wiederum bedeutet: Wir sollten uns tunlichst von Potenzialaussagen fernhalten. Wir sollten beschreiben, welche Kompetenzen jemand zum Zeitpunkt X zeigt. Und anschließend so gut es geht über Wahrscheinlichkeiten reden: Jemand, der im Alter von 18 Jahren eine bestimmte Geschwindigkeit über 100m erreicht, wird wahrscheinlich bei einem Trainingsaufwand von Y maximal eine Zeit von Z erzielen - mit einer Vorhersagewahrscheinlichkeit von... Wobei dies umso problematischer wird, je komplexer die Kompetenz ist, deren Potenzial wir zu erfassen versuchen. Gerade zu anmaßend erscheint es da, wenn wir versuchen, so etwas wie Potenzial für eine Führungskraft zu erfassen.

Artikel zum Thema:
Wie entstehen Stärken? managerSeminare 9/2012

Facilitation als Führungsstil?

Schwups, eine neue Führungsphilosophie. In den USA längst etabliert, schwappt die neue Welle zu uns herüber. Berater und Führungskräfte als "Geburtshelfer" und "Ermöglicher". Sie geben keine Richtung und keine Lösung vor, sondern handeln im festen Glauben, dass die Lösung im System liegt. Das kommt uns bekannt vor? Sicher, ebenso wie die "Instrumente". Da werden in Großgruppenkonferenzen und Kleingruppen Themen erarbeitet, der Facilitator nimmt dabei eine "nicht urteilende, unvoreingenommene und offene Haltung" ein mit dem Ziel, dass man zu gemeinsamen und von allen getragenen Lösungen kommt.

Täusche ich mich da oder heißt das hierzulande nicht "Moderation"? Natürlich nicht, sagen die Vertreter von "Facilitation", die selbstverständlich schon Ausbildungen anbieten. Bei der Moderation würde man viel statischer vorgehen und die Emotionen vernachlässigen. Während die Moderatoren den Facilitatoren "esoterische Ansätze" vorhalten. Also ein echter Ideologie-Streit?

Von wegen. Hier geht es ums Geschäft. Wenn es den einen gelingt, einen neuen Begriff zu etablieren, dann geht den anderen Umsatz flöten. Angeblich sind viele Führungskräfte ganz angetan von dem "neuen" Ansatz, da muss man schon aufpassen, dass sie nicht abwandern.

Viel lustiger als dass erscheint mir ein anderer Hinweis. Da heißt es: "Zudem heißt Facilitation auch nicht, dass eine Führungskraft keine Entscheidungen mehr trifft... Zum anderen verbleibt das letzte Wort ohnehin bei der Führungskraft. Sie ist es, die am Ende die Ergebnisse absegnet und die Verantwortung trägt." Au Backe - wie kämen wir Menschen bloß zurecht, wenn nicht unsere tapferen Führungskräfte ständig die Verantwortung mit sich herumtragen würden...

Artikel zum Thema:
Vom Manager zum Ermöglicher, managerSeminare 9/2012

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Ein Dankeschön

Noch wenige Tage bis Weihnachten. Einen letzten Newsletter schreiben, Tannenbaum kaufen, eine Runde mit Hund am Rheinufer, dafür Lektüre, die sich ungelesen auf dem Schreibtisch stapelt, auf nächstes Jahr verschieben, ebenso das Aufräumen des Schreibtischs. Stattdessen im Café sitzen, mit Leuten plaudern... die Freiheit des Selbstständigen.

Und über das vergangene Jahr nachdenken. Aus MWonline-Sicht lassen sich keine besonderen Höhepunkte verzeichnen. Gab es Themen, die dominierten? Eigentlich nicht. Wenn überhaupt, dann fanden wir vermehrt Beiträge zum Thema "Ethik", vor allem im Zusammenhang mit der "Ausbildung" von Managern. Tenor: Es ist schon viel wert, dass man überhaupt darüber spricht. Irgendetwas wird sich damit schon bewegen. Thema Nr.2: Digitalisierung unserer Welt. Das Internet und seine Möglichkeiten der Vernetzung und Datensammlung bestimmt heute schon große Teile unseres Lebens, und das Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Zum Leidwesen des bedruckten Papiers. Das schmerzt schon, wenn eine Zeitschrift wie die "Financial Times Deutschland" aufgibt. Ersatzlos gestrichen. Wir werden noch einige Ausgaben besprechen, dann ist damit auch auf MWonline Schluss. Wäre ein Anlass, sich auch über unsere Zukunft Gedanken zu machen. Schließlich sind die Fach- und Wirtschaftszeitungen die Basis von MWonline. Eine Herausforderung für 2013.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie? Welche auch immer das sein mögen - wir wünschen Ihnen alles Gute für 2013, bedanken uns ganz herzlich für Ihre Treue über die vielen Jahre (in diesen Wochen gibt es MWonline bereits 15 Jahre - kaum zu glauben!) und freuen uns auf ein Wiederlesen im Januar.

Johannes Thönneßen und Hans-Jürgen Niehues, auch im Namen aller Rezensenten, die uns unermüdlich mit Besprechungen unterstützen. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön!

Sonntag, 9. Dezember 2012

Vollstrecker

Er lächelt freundlich, ganz wie es der Titel des Artikels verspricht. Das Bild, das vom Henkel-Chef in der Wirtschaftswoche gezeichnet wird, entspricht allerdings mehr dem zweiten Teil des Titels "Freundlicher Vollstrecker". Der erste "Fremdmanager" an der Spitze des deutschen Traditionsunternehmens hat mächtig aufgeräumt. Zitat: "Er hat das Unternehmen komplett umgekrempelt und ihm eine Gewinnerkultur eingeimpft." Bei Umkrempeln denke ich an Kleidung, die, wenn man sie umkrempelt, nicht wirklich gut kleidet. Und bei "Einimpfen" an schmerzhafte Spritzen.

Die Sprache des Journalisten ist es, die mich bei dem Beitrag beeindruckt - und das ist nicht positiv gemeint. Da wird der "betulich vor sich hin wurschtelnde Familienkonzern" auf Ertrag und Effizienz "getrimmt". Da wird "gnadenlos ausgemistet", Geschäfte werden "beerdigt" und unprofitable Abnehmer "abserviert". Alle Mitarbeiter werden "verdonnert", die neuen Unternehmenswerte zu verinnerlichen.  Shared Service Center in Bratislava, Manila und Mexico City decken Finanz-, Einkaufs- und Personalprozesse ab - schneller und vor allem günstiger als früher.

Zitate: "In Zeiten wie diesen müsse man zwar kurzfristig Schmerzen erleiden - aber mittelfristig kann man Wettbewerbern leichter Marktanteil wegnehmen" und "Man darf auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurückschrecken." Also reduziert er die Zahl der Marken um 60%, schließt unrentable Fabriken und die Zahl der Mitarbeiter von 57.000 auf 47.000. Noch ein Zitat: "Um langfristig Erfolg zu haben, muss man authentisch sein!"

So ist das: Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, dann kommt ein General, der es in den Krieg führt. Es wird vollstreckt, ausgemistet, beerdigt, abserviert und verdonnert. Aber ging es dem Unternehmen schlecht? Als er 2008 seinen Dienst bei Henkel antrat, "krebst" das Unternehmen bei einer Rendite von knapp zehn Prozent.

Und heute? Das Unternehmen macht seit seinem Amtsantritt 16 Milliarden Euro Umsatz (2 Milliarden mehr als 2008) und die Rendite wird bei 14% liegen. Der Preis? 10.000 Mitarbeiter weniger und ein einsamer Mann an der Spitze. Sagt es selbst: "Da kann es auch sehr einsam an der Spitze werden."

Ist es nicht auffallend, wie weit weg das alles von dem - ebenfalls von Wirtschaftsjournalisten gefeierten - Bild einer Unternehmenskultur ist, die auf sinnerfülltes Arbeiten, Teamwork, Identifikation und zufriedene Mitarbeiter setzt? Mag ja sein, dass es vor allem die Sprache des Schreibers ist und nicht die des Beschriebenen, die hier den Ton bestimmt. Ich fürchte allerdings, dass die Botschaft in dem Unternehmen ähnlich klingt. Das Motto des Konzernchefs zumindest wird sich der Schreiber kaum selbst ausgedacht haben: "Be friendly - but not friend: Keine Freundschaften in der Firma." Da regt sich fast Mitleid...

Rezension zum Thema: 
Freundlicher Vollstrecker, Wirtschaftswoche 46/2012

Freitag, 7. Dezember 2012

Mit Affen leben

Das sind genau die Sprüche, für die wir unsere Manager lieben. In einem Interview zum Thema "Aufsichtsräte" äußert sich der Ex-Metro-Chef und Multi-Aufsichtsrat zur Qualität der Kontrolleure in Deutschland. Die Sprüche sind knackig. "Ich muss mir kein Mandat aufhalsen, nur um mir für ein paar Tausend Euro im Jahr den Hintern platt zu sitzen." Es scheint Kollegen zu geben, die das tun. Oder: "Fahrradfahren lernt man am besten, indem man sich auf den Sattel setzt."

Der beste aber kommt am Ende. Er fordert eine angemessene Bezahlung (für die es sich dann doch lohnt, sich den Hintern platt zu sitzen). Gefragt, was denn angemessen sei, heißt es: "... angemessen zur Höhe der Festvergütung des Vorstandsvorsitzenden." Und dann: "Wer mit Bananen bezahlt, muss mit Affen leben."

Mit anderen Worten: Wer für wenig Geld eine Aufgabe übernimmt, kann wohl kaum anständige Arbeit verrichten. Ich denke mit Erschütterung an die Bezahlung von Altenpflegern, Kindergärtnern und vergleichbaren Berufsgruppen. Habe mal kurz überlegt, ob mir etwas einfällt, das sinnbildlich für deren Gehalt steht. Und was ist mit all jenen, die ehrenamtlich tätig sind? Womit müssen wir leben, wenn Menschen für eine Aufgabe gar nicht vergütet werden?

Aber dann habe ich verstanden, was er meinte: Das mit den Affen gilt nur ab einer bestimmten Gehaltsgruppe und für bestimmte Berufsgruppen. Wie bin ich erleichtert...

Rezension zum Thema:
Nase statt Können, Wirtschaftswoche 46/2012

Sonntag, 2. Dezember 2012

Nur mit Werten zum Erfolg?


Ich sitze hier schon über eine Stunde und habe den Beitrag schon mehrfach gelöscht und von vorne begonnen. Es geht um Werte und darum, dass Unternehmen, die sich zu Werten wie Gerechtigkeit, Maß halten, Tapferkeit und Klugheit bekennen, auch wirtschaftlich erfolgreich sein können. Mehr noch: Wer sich solchen Werten verpflichtet fühlt, wird langfristigen wirtschaftlichen Erfolg ernten. So gehört auf der DVD des Vortrags von Pater Anselm auf den Petersberger Trainertagen 2012.

Irgend etwas stört mich an der These, und so langsam dämmert mir auch, was das ist. Früher haben sich die Kirchenmänner hingestellt und verkündet: "Seid bescheiden, verzichtet auf Luxus und Verschwendung, bleibt demütig und haltet Maß, und es wird euch im Himmelreich gedankt."

Heute lautet die Botschaft anders: "Seit gerecht, klug, tapfer und haltet Maß, dann wird euch wirtschaftlicher Wohlstand schon auf Erden zuteil." Es sind die gleichen verführerischen Predigten, und die Welt der Wirtschaftslenker sitzt und lauscht andächtig. Und geht anschließend mit gutem Gewissen nach Hause. Na also, es geht doch beides: Gut sein und Wohlstand erlangen. Und dass es keine vollständige Gerechtigkeit und Fairness geben kann, das hat der Pater auch noch gesagt. Ein bisschen ungerecht ist nicht schlimm, solange man nach Gerechtigkeit strebt.

Es mag stimmen, dass es Unternehmen gibt, die fair zu ihren Kunden sind, die die Ressourcen der Welt nicht ganz so drastisch ausbeuten und mit den Kräften der Mitarbeiter schonend umgehen. Und darunter wird es auch solche geben, die dem Unternehmer einen respektablgen Gewinn bescheren. Aber ist all das die Voraussetzung, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Würde sich ein Apple-Manager nicht schlapp lachen angesichts der Milliarden auf den Konten, würde er zu hören bekommen: "Sorgt dafür, dass eure Zulieferer ihre Mitarbeiter fair behandeln, dann werdet Ihr Reichtum auf Erden ernten?"

Was würde wohl passieren, wenn der Pater sich hinstellt und verkündet: "Ihr Manager und Unternehmer, welchen Nutzen könntet Ihr für die Welt stiften, wenn Ihr nicht all eure Energie auf das Erzielen von Gewinnen ausrichten würdet, auf das Mehren des Wohlstandes eurer Inhaber und Aktionäre? Wie viel besser könnte es auf der Welt zugehen, wenn Ihr, statt geniale Preisstrategien und Marketingkampagnen zu entwickeln, auf den Nutzen für die Gemeinschaft schauen würdet?"

Ich fürchte, er würde zu keinem Kongress mehr eingeladen. Da wählt er doch lieber den Weg durch  die Hintertür. Und erklärt, dass Werte wie Glaube, Hoffnung und Liebe nicht nur keinen Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg darstellen, sondern ihn sogar erst möglich machen. Ist ja auch irgendwie glaubwürdiger als das Himmelreich in Aussicht zu stellen.

Damit ist er nicht allein. Immer wieder lesen wir, dass es sich (finanziell) lohnt, nachhaltig zu wirtschaften, Mitarbeiter anständig zu behandeln, zu vertrauen statt zu kontrollieren - all eben die Tugenden hochzuhalten, die seit der Antike als vorbildlich gelten.

Wenn es aber so ist, dass eben diese Werte erst den wahren wirtschaftlichen Erfolg ausmachen,  warum haben sie sich dann bisher nicht durchgesetzt? Könnte es sein, dass sie sich eben doch manchmal (oder sogar meist?) nicht mit Gewinn, Macht und vollem Bankkonto vertragen? Und dass die Botschaft eben doch lauten sollte: "Überlegt euch, ob es neben dem wirtschaftlichen Erfolg vielleicht Dinge gibt, für die es sich lohnt zu arbeiten und zu investieren? Selbst wenn das bedeutet, auf so manchen großen Auftrag zu verzichten..."

Samstag, 24. November 2012

Identifizierte Mitarbeiter sind gesünder

Ich kenne eine ganze Reihe selbstständiger Unternehmer und habe den Eindruck, dass diese Gruppe von Menschen deutlich weniger "krank feiert" als Angestellte. "Naja, das kann man sich ja auch gar nicht leisten, schlägt ja direkt auf den Geldbeutel durch!" könnte die Erklärung sein. Also arbeiten Selbstständige einfach weiter, wenn sie krank sind? Oder könnte es auch sein, dass sie einfach seltener krank werden? Weil sie eine "gesündere Einstellung" zu ihrem Beruf bzw. ihrer Arbeit haben?

Eine Hypothese: Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen, sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, sich für ihren Arbeitgeber, ihr Team, ihre Abteilung engagieren und für ihre Aufgabe einsetzen, erleben ihre Arbeit als weniger stressig, und wer weniger Stress empfindet, lebt gesünder.

Wie kann man eine solche Hypothese überprüfen? Indem man zum Einen die Identifikation mit dem Job erfasst, zum anderen nach der Häufigkeit von Krankheitssymptomen fragt, als da wären:  Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Genau das haben Wissenschaftler getan und eine klare Bestätigung für die oben genannte Hypothese gefunden.

Klar, dass mir das gut passt, wäre auch meine Vermutung gewesen. Aber ist das schon ein wissenschaftlicher Beweis? Auch wenn es einen Zusammenhang zwischen Identifikation und gesundheitlichen Klagen gibt - was ist Ursache und was ist Wirkung?

Jetzt kommt das eigentlich Erfreuliche: Die Wissenschaftler haben sich nicht mit dem Ergebnis zufrieden gegeben, sondern wollten mehr wissen über Ursache und Wirkung. Also haben sie Experimente gestartet. Z.B. haben sie Call Center-Mitarbeiter in zwei Gruppen geteilt: Jene, die sich mehr mit ihrer Arbeit identifizieren und jene, die keine besonders große Identifikation aufwiesen. Dann hat man beiden Gruppen unzufriedene Kunden "auf den Hals gehetzt" und anschließend das Stressniveau gemessen - mit Hilfe von Speicheltests. Ergebnis: Die Identifizierten waren deutlich weniger gestresst. Ein weiterer Beleg für die These.

Noch viel spannender aber finde ich folgendes Experiment: Man gab zwei Gruppen von Studenten die Aufgabe, einen Vortrag vorzubereiten und anschließend zu halten. Wie wir wissen, löst so etwas bei jedem einen gewissen Stress aus. Die eine Gruppe ließ man vorher eine Diskussion über Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppe führen, die andere über Unterschiede. Nun dürfen Sie raten, welche Vortragenden anschließend stärker gestresst waren...

Dürfen wir daraus ableiten, dass eine Unternehmenskultur, die das Gemeinsame betont, Teamziele in den Vordergrund stellt, die Arbeit so gestaltet, dass sich die Mitarbeiter mit den Aufgaben wohlfühlen, echtes "Gesundheitsmanagement" betreibt? Und wer auf interne Konkurrenz setzt, die Unterschiede fördert und entsprechende "Anreizsysteme" installiert, das Gegenteil bewirkt? Ich bin davon überzeugt.

Rezension zum Thema:
Gesünder in der Gruppe, Harvard Business Manager 8/2012

Freitag, 16. November 2012

Partnervermittlung

Personalentwickler müssen sich immer wieder etwas einfallen lassen. Wie kann man jungen weiblichen Führungskräften helfen, ihren Weg auf der Karriereleiter zu finden? Mentoring lautet das Zauberwort. Oder noch besser: Cross Mentoring. Dabei bringt man erfahrene Manager aus dem einen Unternehmen mit jungen "Potenzialträgern" aus anderen Unternehmen zusammen. Zum Nutzen aller: Die jungen Führungskräfte lernen, die Business-Welt mit anderen Augen zu sehen, einen Blick von außen auf ihr Unternehmen und ihre Branche zu werfen. Sie profitieren von den Erfahrungen der älteren "Kollegen", bekommen Tipps für die Praxis und knüpfen interessante Kontakte.

Die Mentoren haben die Chance, statt "von oben" auch einmal aus anderer Perspektive auf Hierarchie und Organisation zu blicken, behalten "Bodenkontakt" und bekommen Zugang zu aktuellem Fachwissen, das die Berufseinsteiger frisch aus der Uni mitbringen. Hoffentlich...

Und die Unternehmen? Sie mehren ihren Ruf als attraktiver und innovativer Arbeitgeber und binden die jungen Leute stärker ans eigene Unternehmen.

Damit all das funktioniert, muss man die richtigen Paare bilden. Matching nennt sich das. Dazu machen sich die Personalentwickler viel Arbeit. Sie lassen die jungen Leute Fragebögen ausfüllen oder schicken sie sogar ins Assessment Center.  Sie interviewen potenzielle Mentoren und führen Matching-Konferenzen durch. Am Ende führen sie in einer Kick-off-Veranstaltung die Auserwählten zusammen, die oft dann erst von ihrem Glück erfahren.

Irgendwie erinnert mich das an Praktiken aus alten Zeiten oder anderen Kulturen, in denen die Eltern ihre Sprösslinge verheiraten. Was für ein Gedankenmodell steckt dahinter - außer dem Versuch, die Daseinsberechtigung der Personalentwickler bzw. externen Berater unter Beweis zu stellen? Ich stelle mir vor, man würde einfach eine Liste von Mentoren und Mentees aufstellen, diese allen zur Verfügung stellen und dann abwarten, was passiert. Ob erwachsene Menschen in der Lage sind, sich den Partner auszuwählen, der am besten zu ihnen passt? Vermutlich schon, oder? Besser, als der Personalentwickler? Ich würde darauf wetten.

Aber das geht natürlich nicht. Man stelle sich nur vor, ein Manager würde leer ausgehen - was für ein Affront. Allein um das zu vermeiden müssen all die Tools und Konferenzen her. Damit am Ende alle glücklich sind.

Rezension zum Thema:
Cross Mentoring, Zeitschrift Führung + Organisation 4/2012

Samstag, 10. November 2012

Revolution der Personalentwicklung?

Lassen Sie sich einmal auf folgende Idee ein: Sie sind Führungskraft und Smartphone-Nutzer. In regelmäßigen Abständen sendet Ihnen eine spezielle Trainings-App einen Tipp zur Mitarbeiterführung. Dieser ist auf Ihre persönlichen Stärken zugeschnitten und stammt aus einer umfangreichen Datenbank, in der lauter Techniken und Verhaltensweisen erfolgreicher Führungspersönlichkeiten gesammelt werden.

Sie lesen sich den Tipp durch, halten ihn für wenig sinnvoll, bewerten ihn entsprechend und löschen ihn wieder. Oder aber Sie entscheiden sich, ihn in der Praxis umzusetzen, stellen fest, dass es wunderbar funktioniert hat und bewerten ihn anschließend entsprechend. Oder ergänzen ihn um Ihre Erfahrungen.

Die Folge: Das System lernt hinzu, sendet Ihnen immer mehr "passende" Tipps und Sie entwickeln Ihre Führungsfähigkeiten kontinuierlich weiter. Gleichzeitig helfen Sie mit Ihren Empfehlungen anderen Führungskräften, die das System ebenfalls nutzen.

Oder Sie überlegen sich, auch mal Tipps für Führungskräfte mit anderen Stärken auszuprobieren. Kein Problem, dann erhalten Sie auch solche Empfehlungen - und mit jedem Klick helfen Sie, das System zu verbessern.

Keine Utopie, sonder vielleicht eine Möglichkeit, Personalentwicklung zu personalisieren - so wie wir bei Amazon auf uns zugeschnittene Buchtipps erhalten, bei iTunes Musikempfehlungen, die unseren Geschmack treffen oder ganz allgemein Werbung, die unseren Interessen entspricht.

Laut einem Beitrag im Harvard Business Manager gibt es eine solche Datenbank schon, die von der Hilton-Hotelkette genutzt wird - zur Zufriedenheit von Managern.

Als "alter Trainer" bin ich natürlich skeptisch. Andererseits: Das Argument, dass wir in einem Training ja immer nur "generelle Führungsweisheiten" verbreiten und gar nicht in der Lage sind, auf die persönlichen Stärken des jeweiligen Teilnehmers intensiv einzugehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Daher fasziniert mich der Ansatz.

Ich spinne den Gedanken mal weiter: Ärzte erhalten per App die besten Behandlungstipps für ihren Fachbereich, Hobbygärtner für ihren schattigen Garten, Hundehalter für ihre Hunderasse, Hobby-Bäcker für ihre selbstgebackenen Brote usw. usw.

Gibt es das alles schon? Ich habe nicht recherchiert, stelle mir nur vor, dass wir irgendwann mit Tipps zugetextet werden. Aber Apps kann man ja auch abschalten...

Rezension zum Thema:
Die Erfolgsformel der Managerschulung, Harvard Business Manager 8/2012

Mittwoch, 7. November 2012

Spiel statt Arbeit?

Es gibt Aufgaben, die sind nicht sonderlich interessant, sondern eher monoton, wenig motivierend. Ist jede monotone, sich ständig wiederholende Aufgabe langweilig und demotivierend? Nicht unbedingt. Da hocken Menschen Stunde um Stunde vor Computerspielen und versuchen, Punkte zu sammeln und Rekorde zu brechen - ohne dass ihnen jemand dafür auch nur einen Cent bezahlt.

Das kann man doch auch umdrehen, scheinen sich findige Köpfe gedacht zu haben. In einem Artikel der Wirtschaftswoche wird uns erklärt, wie das funktioniert. Man nehme eine langweilige Tätigkeit wie das Beantworten von Anfragen im Call Center. Gar nicht gut, wenn der Call Center Mitarbeiter die Daten des Anrufers schludrig in sein System eingibt. Oder gelangweilt oder gar genervt am Telefon reagiert.

Wie wäre es, wenn man für korrekt eingegebene Angaben Punkte vergibt, außerdem die Stimmlage und den Stresspegel per Sensor erfasst und für gute Gespräche ebenfalls Punkte verteilt? Und wenn man das alles als Computerspiel gestaltet, bei dem die Mitarbeiter mit ihren gesammelten Punkten ein virtuelles Piratenschiff im Wettkampf mit Kollegen eine Insel ansteuern können, wo der Schatz lagert? Erreicht man diese Insel, winken echte Preise...

Soll auch bei Programmierern funktionieren, die eine neue Software testen müssen. Was ohne spielerischen Wettkampf offenbar todlangweilig ist, wird dank des Punktesammelns zum Vergnügen - und nebenbei wird die Arbeit erledigt.

Gamification

Natürlich gibt es dafür auch schon einen passenden Begriff: Gamification. Die Arbeit wird zum Spiel. Ich spinne mal ein wenig: Mitarbeiter in der Massenproduktion erhalten mit jedem Bauteil, das sie anschrauben, Punkte, die auf einem Bildschirm eine Rakete antreiben, die mit anderen Raketen um die Wette zum Mars fliegt. Je genauer der Mitarbeiter arbeitet, desto näher kommt er  seinem Ziel.

Oder in der Altenpflege: Mitarbeiter versorgen ältere Menschen, die ein Gerät tragen, das ihr Wohlbefinden misst - wie auch immer. Das Gerät erkennt auch, wer der Pfleger ist. Je besser es dem alten Menschen geht, desto mehr Punkte sammelt der Mitarbeiter. Er kann täglich seinen Highscore übertreffen und je nachdem, wie sein Bereich abschneidet, entsprechende Prämien sammeln.

Absurd? Angeblich ist diese Art der Mitarbeitermotivation der Generation Gaming geschuldet. Das sind die Menschen, die mit Computerspielen aufgewachsen sind und mit Begeisterung allein oder vernetzt mit anderen Rekorde am Computer oder auf Spielekonsolen jagen.
Der spielerische Wettkampf wird zum eigentlichen Zweck, die Arbeit zur Nebensache - aber vielleicht besser als vorher bewältigt. Wäre ganz praktisch und vermutlich auch recht preisgünstig, denn bei den meisten Spielen gibt es ja auch kein Bargeld zu gewinnen.

Nein, ich glaube, ganz und gar nicht absurd. Nur denke ich nicht, dass es so sehr viel mit der Generation Gaming zu tun hat. Ich finde es auch sehr reizvoll, beim Joggen die Mitteilung zu bekommen, ob ich den Schnitt der letzten Tage halte oder sogar schneller als sonst bin. Auch wenn ich den künstlichen Applaus eher lästig finde - der Erfolg tut gut. Computerspiele haben mich - bis auf eine Ausnahme, ich gestehe! - nie gereizt.

Ich glaube, dass hier etwas anderes gelingt. Wir bekommen plötzlich eine direkte Rückmeldung über den Erfolg oder Misserfolg unserer Tätigkeit. Statt am Ende eines Monats ein Gehalt auf dem Konto (allerdings ziemlich unabhängig von Menge und Qualität unserer Arbeit) oder irgendwann einmal ein Geschäftsbericht auf dem Tisch, der keinen Aufschluss darüber erlaubt, welchen Anteil der einzelne am Ergebnis hatte, oder ein Lob bzw. eine kritische Äußerung des Vorgesetzten, wenn sich mal wieder eine Kunde bei ihm gemeldet hat, folgt das Feedback unmittelbar auf die Tätigkeit. So wie ein Tennisspieler sofort sieht, ob sein Ball dort gelandet ist, wo er ihn hin spielen wollte, erfährt der Mitarbeiter, zu welchem Ergebnis sein Verhalten führt.

Dass man dieses Ergebnis nun in ein Computerspiel integriert, in Ranglisten ummünzt und so dem Ganzen noch eine spielerischer oder gar wettkampfähnliche Komponente verleiht, halte ich eher für zweitrangig. Im Gegenteil: Ich glaube, dass der Reiz bei dieser Variante schnell vergeht und man die Spielideen ständig anpassen muss.

Einen interessanten Beitrag zu dem Thema fand ich übrigens bei Bastian Wilkat.

Rezension zum Thema:
Die sollen ruhig spielen, Wirtschaftswoche 41/2012


Donnerstag, 1. November 2012

Nachhaltiges Engagement

Der Unternehmer ist natürlich sehr an der Frage interessiert, was seine Mitarbeiter motiviert. Deshalb erscheinen ständig neue Veröffentlichungen und sogenannte Studien, die genau dieser Frage nachgehen. Unter verschiedenen Überschriften, aber letztlich immer mit den gleichen Inhalten. Und den nahezu gleichen Ergebnissen: Eine interessante Aufgabe, die persönliche Weiterentwicklung, sinnvolle Aufgaben usw. Die Reihenfolge wechselt mitunter ein wenig, zur Zeit ist "Karriere" als Motivator offenbar weniger gefragt, dafür Selbstverwirklichung wieder angesagt. Wie auch immer, allzu viel kann man damit eh nicht anfangen.

Dann schon eher etwas mit der Frage, wie der Unternehmer denn dazu beitragen kann, dass die Mitarbeiter auch motiviert bleiben. Sprache hat ja mitunter etwas Entlarvendes. Ein Begriff begegnet uns zur Zeit recht häufig: "Treiber". Berater sprechen ständig von sogenannten "Werttreibern" - was auch immer das sein mag. Im Zusammenhang mit dem Thema Motivation ist er besonders interessant. Wenn Berater uns erklären, an welchen "Stellschrauben" (Zitat) man drehen muss, um das Mitarbeiterengagement zu beeinflussen, welche spezifischen "Treiber" es gibt, dann drängen sich einfach die Bilder des "Viehtreibers" oder "Mechanikers" auf, die die Herde vor sich hertreiben und gut geölte Mitarbeitermaschinen bedienen.

Übertrieben? Schauen wir weiter. "Das Top-Management kann Engagement der Mitarbeiter durch seine Kommunikation beeinflussen." Sicher, sicher. Und wie? "Sie sollte authentisch sein und Vertrauen ... vermitteln." Ein "erkennbares Interesse am Wohlergehen der Mitarbeiter" trägt auch zum Engagement bei. Klingt das nur für mich so, als ginge es hier vor allem um die Art und Weise, wie kommuniziert werden sollte? Soll das Top-Management Interesse "erkennen lassen" oder wirklich am Wohlergehen der Mitarbeiter interessiert sein?

Nachhaltigkeit + Mitarbeiter + Engagement

Wie auch immer es gemeint ist, neu ist es weder so noch so. Aber vielleicht das: "Nachhaltiges Mitarbeiter-Engagement" - eine neue Wortkreation. Da hat jemand in eine Lostrommel gegriffen und die Begriffe Nachhaltigkeit, Mitarbeiter und Engagement herausgezogen. Schups, fertig ist der neue Trend. Worum geht es?

Unsere Berater haben erkannt, dass der eine oder andere vielleicht doch nicht nur für den Job leben will und immer mehr Menschen den Sinn in Frage stellen. Aber oh weh - in ihrem "Mitarbeiter-Engagement-Modell" findet sich gar keine "Work-Life-Balance". Was nun? Passt ja gar nicht ins Modell. Oder doch? Vielleicht so: Wenn man an den Treibern dreht und höchst engagierte Mitarbeiter erzeugt, dann könnte dauerhaftes Engagement zur Überlastung und Verausgabung führen. Ständig hochtourig laufende Motoren verschleißen eben. Gar nicht gut für die Leistungsfähigkeit. Und die Produktivität.
Das Engagement soll aber möglichst lange auf hohem Niveau erhalten bleiben. Haben wir bisher ja gar nicht bedacht. Was machen wir jetzt mit unserem Modell?

Da kommt der Begriff der Nachhaltigkeit grade richtig. Wir ergänzen das Modell einfach ein wenig. Das Top-Management darf weiter an den gleichen Stellschrauben drehen (Zitat: "Um Mitarbeiter nachhaltig zu engagieren, können Unternehmen weitestgehend auf ähnliche Themen setzen wie beim klassischen Modellansatz.") Es bedarf nur zusätzlicher Maßnahmen wie flexible Arbeitszeitmodelle, Heimarbeitsplätze - dann klappt es auch länger mit dem Engagement.

Bin mal gespannt, auf wie vielen Folien in Präsentationen jetzt das "Modell des nachhaltigen Mitarbeiter-Engagements" auftaucht. Und wie viele damit sich dann vor ihre Mitarbeiter stellen...

Rezension zum Thema:
Motiviert - motivierter - ausgebrannt? Wirtschaftspsychologie aktuell 3/2012

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Autoritär führen

Ich finde wissenschaftliche Experimente zum Thema "Führung" spannend. Noch spannender ist es, die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen für die Praxis zu lesen. Hier das Experiment: Vierköpfige Teams - meist bestehend aus Studenten - sollten komplexe Aufgaben am Computer lösen. Alle Teams hatten einen Teamleiter, der allerdings einen unterschiedlichen Führungsstil pflegte. Soweit, so alt. Das Besondere: Die "Teamleiter" wurden mit unterschiedlichem Status versehen. Soll heißen: Es gab "Führungskräfte", die weiter oben in der Hierarchie angesiedelt waren und solche, die weiter unten platziert wurden.
In einem zweiten Experiment schauten sich Business School Absolventen und Studenten Videos an, in denen Mitarbeiter ihre Teamleiter beschrieben.

Ergebnis: Unerfahrene Teamleiter und solche, die in der Hierarchie weiter unten stehen, wurden bezüglich Effizienz und Selbstbewusstsein besser bewertet, wenn sie autoritär führten, sprich: Wenn sie klare Anweisungen gaben. Bezogen sie hingegen die Mitarbeiter in die Entscheidungen ein, erhielten sie schlechtere Bewertungen.

Die Erklärung der Autoren: Wenn ein unerfahrener Manager seine Mitarbeiter nach ihrer Meinung fragt, werden diese ihn als unsicher und inkompetent einstufen, nach dem Motto: "Der hat selbst keine Ahnung, deshalb fragt er uns." Tritt er hingegen selbstbewusst und autoritär auf, werden sie das als Selbstbewusstsein interpretieren und damit auch als kompetent und effektiv.

Klingt plausibel. Erst mal...

Nun schauen wir uns die Empfehlungen für die Praxis an. Ein frisch gekürter Manager sollte herausfinden, ob seine Mitarbeiter ihn als erfahren und kompetent ansehen. Wenn das der Fall ist, kann er ihnen Mitspracherechte einräumen. Merkt er jedoch, dass er eher als unerfahren und inkompetent angesehen wird, sollte er klare Akzente setzen und die Richtung vorgeben. Erst wenn er dann einen höheren Status in der Organisation erreicht hat, sollte er einen kooperativen Führungsstil einschlagen.

Klingt das noch sinnvoll? Ich stelle mir vor, ich sitze in einem Experiment und muss Aufgaben am Computer bearbeiten. Dabei kriege ich einen "Teamleiter" vorgesetzt, der scheinbar keine Ahnung hat und mich dann auch noch fragt, wie ich vorgehen würde. Natürlich halte ich ihn für inkompetent und diejenigen, die das Experiment veranstalten, vermutlich ebenso, weil sie mir eine Pfeife als Teamleiter vorsetzen.

Aber ist das in der Unternehmenspraxis auch so? Wenn ich einen neuen Chef kriege, der sich selbst nicht auskennt - möchte ich dann, dass er ohne Ahnung klare Anweisungen gibt? Oder fände ich es nicht mehr als vernünftig, wenn er mich um meine Meinung fragt - und dann klar entscheidet? Mag ja sein, dass ein neuer, der forsch und selbstsicher auftritt, erst einmal Eindruck schindet. Aber wehe, er stellt sich dann als "Dünnbrettbohrer" (der Begriff entstammt dem Beitrag im HBM) heraus...

Was lehrt uns also dieses Experiment? Zumindest, dass solche "Forscher" sich sehr zurückhalten sollten, Ergebnisse ihrer Experimente 1:1 auf die Praxis zu übertragen. Und dass Herausgeber von "Fachzeitschriften" ihre Veröffentlichungen kritischer betrachten sollten, statt den Artikel mit dem Titel: "Haut auf den Tisch, Jungchefs!" (Harvard Business Manager 9/2012, S. 13-14) zu versehen.
Sonst noch was?


Samstag, 13. Oktober 2012

Von Mitarbeitern und Kunden

Es ist schon eine Weile her, dass ich an der Fleischtheke eines Lebensmittelgeschäftes stand. Bevor mich die Mitarbeiterin bedienen konnte, musste sie sich von ihrem Chef einige geharnischte Worte anhören - und ich durfte teilhaben. Worum es genau ging, weiß ich nicht mehr, aber ich konnte sehr gut nachvollziehen, warum sie mich anschließend mit wenig Begeisterung und einen langen Gesicht bediente. Meine Reaktion: Auf einen Einkauf in dem Laden, in dem man angeblich Lebensmittel liebt (zumindest mehr als Mitarbeiter), habe ich danach eine Weile verzichtet.

Nun hat eine Studie ergeben, dass Chefs, die ihre Mitarbeiter nicht partnerschaftlich führen, sich nicht wundern dürfen, wenn diese unzufriedenere Kunden haben. Die gute Nachricht: Trainiert man Führungskräfte in "transformationaler Führung", steigt damit nicht nur die Zufriedenheit der Kunden, sondern auch der Umsatz. Suchen Sie noch Argumente für den Nutzen von Führungstrainings?

Rezension zum Thema:
Guter Chef, gute Verkäufer, Harvard Business Manager 9/2012


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Zuckerbrot und Peitsche

Ich suche nach Worten, um diesen Beitrag zu beginnen. Vermutlich, weil ich sprachlos bin. In einem Artikel über die Motivation von Vertriebsmitarbeitern im Harvard Business Manager wird kritisiert, dass viele Unternehmen ständig neue Provisionsmodelle entwickeln, die zudem Unsummen verschlingen. Allein in den USA sollen jährlich 800 Milliarden Dollar an Provisionen ausgeschüttet werden!

Statt regelmäßig neue Modelle einzuführen, wird den Unternehmen geraten, nicht alle Mitarbeiter über einen Kamm zu scheren, sondern je nach Zielgruppe unterschiedlich vorzugehen. Klingt zunächst vernünftig. Aber dann wird es ganz bitter.

Die Zielgruppen sind:

Top-Leister
Solide Durchschnittsleister
Nachzügler (netter Begriff, oder?)

Durch zahlreiche Studien hat man herausgefunden, dass die Top-Performer besonders behandelt werden müssen, schließlich sind sie die Stars. Sie mögen es gar nicht, wenn man die Provision nach oben begrenzt. Sie stellen nämlich die Arbeit ein, sobald sie die maximal mögliche Prämie erreicht haben - wozu sich weiter anstrengen, wenn es doch keinen zusätzlichen Dollar bringt?

Die Durchschnittsleister sind mit tollen Anreizen nicht zu locken, vermutlich, weil sie die hochgesteckten Ziele der Stars ohnehin nicht erreichen können. Ihnen sollte man abgestufte Ziele vorgeben, so dass sie allmählich an höhere Leistungen herangeführt werden. Blöd ist nur, wenn sie für das Erreichen eines Zwischenziels genauso hohe Provisionen erhalten wie ein Top-Leister, dann ist letzterer natürlich pikiert. Zu Recht. Also was tun?

Ganz einfach: Die Stars dürfen sich auf einen exklusiven Golfurlaub freuen, wenn sie ihre Ziele erreichen, der Normalleister hingegen auf einen netten Familienurlaub. Darüber freut er sich ohnehin mehr, weil ihm Familie wichtig ist. Auf keinen Fall darf man ihm einen Golfurlaub in einem billigeren Etablissement in Aussicht stellen, dann wird der Trick zu offensichtlich. Der Preis muss schon eine Eigenschaft haben, die der Golfurlaub nicht hat - oder der Besuch in einem ungarischen Saunaclub.

Und dann sind da ja noch die Nachzügler. Diese werden durch eine wohldosierte Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche (Originalzitat) motiviert, wobei die Peitsche darin besteht, dass man ihnen "Ersatzleute" auf den Hals hetzt, interne Konkurrenten, die auf der "Ersatzbank" sitzen. Versuche haben gezeigt, dass die Nachzügler dann sage und schreibe 5% mehr Umsatz machen!

Und wenn das nicht hilft, dann kann man den Druck auch erhöhen. Indem man z.B. Listen mit Rankings aushängt, die nicht mit den besten, sondern den schlechtesten Ergebnissen beginnen. Die Autoren geben zu bedenken, dass man damit vorsichtig umgehen sollte, aber als Möglichkeit in Unternehmen mit einer stark wettbewerbsorientierten Kultur sei das angeblich erfolgreich.

Was für ein Menschenbild: Der Vertriebler als provisionsgesteuerte Umsatzmaschine. Gruselig. Witzig hingegen, dass der folgende Beitrag im gleichen Heft rät, Provisionen ganz abzuschaffen und Beispiele von Unternehmen bringt, die damit das Ergebnis deutlich verbessert haben. Wie beruhigend...

Rezensionen zum Thema:
Was Vertriebler wirklich motiviert
Weg mit den Provisionen, Harvard Business Manager 9/2012

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Gute Tipps

Ein Berater hat Führungskräfte in Banken die Offenheit der eigenen Mitarbeiter einschätzen lassen. Ergebnis: Die Banken, in denen die Mitarbeiter besonders niedrige Werte in puncto Offenheit erzielten, haben während der Finanzkrise die geringsten Renditen erzielt. Dort, wo die Offenheit besonders groß war, schnitten die Banken deutlich besser ab.

Die Erklärung liegt auf der Hand: Wenn die Risiken offen angesprochen werden, besteht die Chance, Schaden vom Geldhaus abzuwenden, während dort, wo sich keiner traut, Entscheidungen in Frage zu stellen, eben häufiger die falsche Entscheidung getroffen wird.

Natürlich ist das hier wie bei all solchen Studien: Ob der angenommene Zusammenhang tatsächlich besteht, ist eher Spekulation. Mag ja sein, dass Führungskräfte, deren Bank gut im Geschäft ist, dazu tendieren, ihre Mitarbeiter besonders positiv zu sehen und umgekehrt. Wer weiß das schon...

Die Tipps, die der Berater für Besprechungen gibt, finde ich dennoch erwähnenswert: Er empfiehlt zum einen, die Teilnehmerzahl zu reduzieren - je mehr Teilnehmer, desto mehr halten sich die Leute zurück. Und wenn das nicht geht, dann sollte man hin und wieder ein Thema kurz in kleinen Gruppen zu zwei oder dritt diskutieren lassen. Anschließend stellt einer aus jeder Gruppe das Ergebnis vor. Das hat auch den Vorteil, dass man dann eben nicht nur seine eigene Meinung präsentiert, sondern die einer Gruppe - wenn auch einer sehr kleinen.

Ja, ich weiß, klingt gut, ist aber wenig realistisch. Oder kennen Sie Führungskräfte, die in Meetings das Heft aus der Hand geben und eine solch höchst innovative Methode zulassen?

Wie unrealistisch ist dann der zweite Tipp: Bestimmen Sie einen Mitarbeiter, der die Aufgabe bekommt, für eine offene Gesprächskultur zu sorgen. Er meldet sich, wenn er den Eindruck hat, dass Dinge unter den Tisch gekehrt oder nicht geäußert werden. Und er macht darauf aufmerksam, wenn Kritik nicht konstruktiv geäußert wird oder konstruktive Kritik abgebügelt wird.

So unrealistisch die Umsetzung dieser Tipps auch erscheinen mag - vielleicht probiert es ja doch jemand...

Beitrag in der MWonline-Ideenfabrik dazu: Offenheit in Besprechungen

Donnerstag, 4. Oktober 2012

In Häppchen loben

Na so was, der alte B.F.Skinner wird wieder hervorgeholt. Genau, das ist der mit den Futterpillen, die erst regelmäßig und dann immer seltener verteilt werden und auf diese Weise ein Verhalten nachhaltig verankern. Unregelmäßige Verstärkung nennt man das. Auf diese Weise bringt man Ratten das Betätigen von Tasten und Tauben Tischtennisspielen bei. Und Mitarbeiter werden, wenn man sie nur ab und zu lobt, das Verhalten auch zeigen, wenn der Chef mal nicht da ist.

Noch mehr Tipps aus der Mottenkiste für richtiges Loben gefällig? Hier kommen sie:

Zeitnah und konkret loben. Je unmittelbarer, desto wirkungsvoller.

Aufrichtig loben, es auch ernst meinen, weil Mitarbeiter merken, wenn Lob nur aufgesetzt ist.

Genau erklären, wofür man lobt, damit der Mitarbeiter sich auch orientieren kann.

Nicht die Cleverness loben, sondern die Anstrengung. Wenn Sie einem Mitarbeiter häufiger sagen, wie schlau er ist, dann wird er schnell frustriert, wenn etwas mal nicht klappt. Und sich seltener an schwierige Aufgaben trauen aus Angst, dem Bild des ach so Intelligenten nicht genügen zu können. Loben Sie jedoch das Bemühen, dann werden Mitarbeiter sich noch mehr anstrengen.

Mir geht es beim Lesen dieser Ratschläge so wie Phil Connors in "Ewig grüßt das Murmeltier". Gibt es irgendetwas, das zu diesem Thema noch nicht gesagt wurde? Und wird es durch das ständige Wiederholen richtiger?

Auch die Vertreter der Gegenposition finden keine neuen Argumente. Lob entmündigt, macht den Gelobten zum Kind oder noch schlimmer, es stellt den Versuch einer Dressur dar. "Hast du fein gemacht!" Wie mit den Ratten und Tauben.
Die Alternative? "Loben Sie nicht, halten Sie Kontakt. Das vermittelt Wertschätzung." (Reinhard Sprenger in seinem neuen Buch "Radikal führen") Als ich nachschaute, wann ich mich zuletzt mit dem Thema auseinander gesetzt habe, fand ich einen Beitrag von April 2008: Loben ist schwer.

Loben geht am Problem vorbei

Worum geht es eigentlich bei der ganzen Diskussion? Warum taucht sie immer wieder auf? Eigentlich geht ja es um Wertschätzung. Wir möchten alle, dass unsere Arbeit geschätzt wird. Das Interessante ist: Wir Selbstständigen haben keinen Vorgesetzten, der uns lobt. Und arbeiten trotzdem. Viel und höchst motiviert sogar.
Das wäre mal eine interessante Umfrage: Wie erfährt der Selbstständige Wertschätzung?  Durch seine Kunden. Durch die Zahl der verkauften Produkte, der positiven Kundenrückmeldungen, dem Leuchten in den Augen der Gäste im Hotel, dem Lächeln derjenigen, die sich über eine Dienstleistung freuen. Kurz: Durch den Ausdruck von Zufriedenheit, von Freude, von Dankbarkeit derjenigen, für die er seine Leistung erbringt.

Anders ausgedrückt: Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, nicht genug Wertschätzung zu erfahren, dann stimmt etwas mit ihrer Arbeit nicht. Sie haben keinen Kundenkontakt, weder intern noch extern. Sie erhalten keine Rückmeldung über das, was als Ergebnis ihrer Arbeit in ein mögliches Endprodukt eingeht. Sie erledigen Aufträge, ohne zu erfahren, ob das, was sie geleistet haben, Wert stiftet oder für den Mülleimer oder die Schublade ist - und vielleicht ist es das sogar mitunter.

Wer nun fordert, dass Führungskräfte loben sollen oder sie sogar darin trainiert, der will damit nicht nur Geld verdienen, sondern geht völlig am Problem vorbei.
Mitarbeiter arbeiten nicht für ihre Chefs. Auch wenn sie die Aufträge durch diese erhalten, so sind die Vorgesetzten letztlich nur die Vermittler der Aufträge, die letztlich vom Kunden kommen. Statt sich Gedanken darüber zu machen, wie oft und auf welche Art und Weise sie ihre Mitarbeiter loben sollen, wäre der richtige Weg, den Mitarbeitern den Zugang zu dem Resultat ihrer Arbeit zu ermöglichen. Das mag für manche Jobs nicht einfach sein, aber dort, wo es gar nicht möglich ist, hat das Unternehmen bzw. die Organisation ein grundsätzliches Problem mit Wertschätzung, da wirkt letztlich jedes Lob unglaubwürdig.

Und Trainer, die Führungskräfte im "richtigen Loben" unterrichten, sollten lieber mit diesen analysieren, warum die Mitarbeiter auf ihr Lob überhaupt angewiesen sind. Das könnte zu sehr bitteren Erkenntnissen führen. Aber vielleicht auch zu sehr kreativen Lösungen...

Rezensionen zum Thema:
Loben lernen,  managerSeminare 8/2012
Störe! Diene! Verschwinde! Wirtschaftswoche 37/2012


Donnerstag, 27. September 2012

Neue Führungsmodelle?

Keine Frage, die Welt dreht sich irgendwie schneller. Wir haben noch Schwarz-Weiß-Fernseher erlebt und Zeiten, in denen noch nicht in jedem Haushalt ein Fernsehgerät stand. Was rede ich: In jedem Zimmer! Und wenn unsere Eltern etwas über ihre Jugend erzählt haben, in denen man nur das Radio kannte, von Grammophonen und Schellackplatten, dann wussten wir noch, wovon sie sprachen.

Fragen Sie heute mal einen Jugendlichen, was eine Floppy-Disc ist. Oder eine Schallplatte. Oder ein Walkman. Und vermutlich wird es keine weiteren zwanzig Jahre brauchen, bis sich niemand mehr an CDs oder DVDs und ähnlich antiquierte Datenträger erinnert. Ob man dann noch weiß, was Facebook war oder Google?

Bei diesen unglaublich schnellen Veränderungen ist es schwer vorstellbar, dass Organisationen nach den selben Mustern funktionieren wie im letzten Jahrhundert. Was wiederum bedeuten würde, dass sich auch Führung verändert.

Entsprechend werden uns immer wieder angeblich neue Erkenntnisse präsentiert. Diese lauten in etwa so: Planung funktioniert nicht, Steuerung und Kontrolle auch nicht. Menschen handeln nicht rational, und Strategien sind schon von gestern in dem Moment, in dem sie formuliert wurden. Also muss sich der Manager umstellen. Auf Pläne verzichten, flexibel bleiben, improvisieren, experimentieren, in kleinen Schritten vorgehen und seine Strategien fortlaufend anpassen.

Und passend dazu werden uns auch nette Bilder präsentiert. Gerade gelesen: Modernes Management ist nicht wie Schach, wo man eine Strategie hat und diese konsequent verfolgt, sondern mehr wie Backgammon: Man hat zwar eine Strategie, aber weil das Würfelglück eine große Rolle spielt, muss man ständig die Pläne ändern.

Der Rat der Experten: Manager müssen heutzutage einen Plan haben, Ziele formulieren und strukturiert vorgehen - aber all das immer wieder überprüfen, anpassen, zur Not über den Haufen werfen und improvisieren.

Postheroisches Management

Kalter Kaffee, sagen andere. Das ist keineswegs neu, und wir brauchen auch keine neuen Managementmodelle. All das wurde längst formuliert von den Herren Drucker, Peters, Handy und Co. Management als Kreislauf aus Strategie, Planung, Umsetzung, Steuerung, Kontrolle und neuer Planung  funktionierte immer schon nur bedingt.

Woran es hapert ist das Menschenbild - vor allem das, was der Manager von sich und andere von ihm haben. Dass er bzw. sie die Fäden in der Hand hält, weiß, wo es lang geht, die Probleme, die entstehen, löst und allen anderen den Weg weist - das mag in Zeiten, in denen die Dinge noch vorhersehbar waren, einigermaßen funktioniert haben. Heute gibt keine Helden mehr, Organisationen, die sich darauf verlassen, können nicht funktionieren.

Soll heißen: Gute Führung braucht keine neue Modelle. Wer Menschen ernst nimmt, sie in Entscheidungen einbindet, ihnen Handlungsspielräume lässt und Führung als Dienstleistung versteht, der wird auch in Zeiten von Open Innovation, Change Management, Multi-Projektmanagement und virtuellen Organisationen erfolgreich sein.
Das alles ist längst Allgemeinwissen, auch wenn es in vielen Organisationen noch nicht angekommen ist. Statt auf geniale neue Managementkonzepte zu hoffen, muss es einfach nur gelebt werden...

Rezensionen zum Thema:
Führung 2.0 - Nein danke
Produktive Unruhe oder: Backgammon im Alpinstil, Zeitschrift Führung + Organisation 2/2012 

Mittwoch, 19. September 2012

Wie man ohne Sachargumente überzeugt

Sie argumentieren gerne und sind tatsächlich noch der Meinung, man könne andere mit sachlichen Argumenten überzeugen? Böser Fehler. Argumente werden ebenso wie Fakten gnadenlos überschätzt. Entscheidend ist, den anderen emotional zu überzeugen, und Zahlen und Fakten sind das letzte, was uns emotional berührt. Was dann?

Geschichten. Wenn es Ihnen gelingt, die Fakten zu einer Geschichte zu verweben, dann erreichen Sie das Gehirn Ihres Gegenübers. Oder besser: Sein limbisches System. Dort nämlich wird das Gehörte erst emotional aufbereitet, ehe es im Großspeicher ankommt. Auf dem Weg dahin kann man in einige Fettnäpfchen treten. Negativ besetzte Worte wie "Altersheim" haben in den Geschichten nichts zu suchen, suchen Sie unbedingt nach positiven Begriffen ("Seniorenresidenz" z.B.).

Weitere Tipps: Produzieren Sie beim anderen "Jas". Wenn Sie zustimmendes Kopfnicken bei Ihrem Kontrahenten erzeugen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Allgemein gültige Sprüche eignen sich dazu gut. Wollen Sie etwa für Teamarbeit argumentieren, sagen Sie: "Vier Augen sehen mehr als zwei." Solche Sätze (auch "Topos" oder "Allgemeinplatz" genannt) sind so allgemein, dass sie für wahr gehalten werden. Wenn der Gegner dann antwortet: "Viele Köche verderben den Brei!" steht es allerdings Unentschieden.

Vermeiden Sie einschränkende Begriffe wie "eigentlich" oder "gewissermaßen" – das signalisiert Unsicherheit. Gut geeignet sind hingegen Worte, die eine Regelhaftigkeit andeuten wie "normalerweise" oder "grundsätzlich".

Wiederholen Sie Ihre Argumente, ruhig mehrfach. Das Hirn braucht seine Zeit, um die entsprechenden Nervenzellen fest zu verdrahten – einmal gehört reicht da nicht. Und schließlich: Vermeiden Sie das Wort "aber" bzw. Sätze wie "Da muss ich widersprechen." Stattdessen verwenden Sie "jedoch" oder "allerdings" und beginnen mit: "Ein guter Ansatz, auf der anderen Seite jedoch..."

Die Tipps stammen aus einem Artikel, den ich heute las. Bei solchen "Ratgebern" zucke ich in der Regel zusammen. Weil sie suggerieren, dass es nicht auf den Inhalt, sondern das "Wie" ankommt. Allzu leicht kann hier der Eindruck entstehen, man kann den größten Unsinn reden, um zu überzeugen, muss man nur die richtige Rhetorik einsetzen. Offenbar haben viele Politiker diese Lektion gelernt. Man möge nur einmal, mit diesen Tipps ausgerüstet, den "Argumenten" der meisten Politiker lauschen.

Anders herum wird ein Schuh daraus (schöner Topos, oder?). So mancher hat vielleicht gute Argumente, aber weil er rhetorische Kniffe ignoriert bzw. für überflüssig hält, scheitert er in der Diskussion. Wer zu rhetorischen Mitteln greift, ohne wirkliche Sachargumente und Fakten auf seiner Seite zu haben, der sollte lieber die Klappe halten. Daher stimmen die Sätze "Argumente wiegen in Diskussionen sehr viel weniger als gemeinhin angenommen" und "Wichtiger ist es, dass Sie strategisch klug vorgehen..." wohl kaum.

Kurz vor Feierabend in der Fußgängerzone

Das folgende Ereignis, das ich gestern auf der Fußgängerzone beobachten konnte, hat mich noch einmal zum Nachdenken gebracht. Ein Geschäftsmann hatte sein Auto vor seinem Laden geparkt, um Kisten auszupacken. Laut Hinweisschild aber ist das Befahren der Fußgängerzone nur bis 9.00 Uhr und nach 19.00 Uhr erlaubt. Folglich sah er sich kurz darauf einer Politesse gegenüber, die in aller Ruhe ihren Apparat zum Protokollieren des ungeheuren Vorgangs bediente.

Der Geschäftsmann stürzte auf sie zu, es entstand eine heftige Diskussion (heftig von seiner Seite, eher gelassen von der Gegenseite), nach der er laut schimpfend in sein Geschäft zurückkehrte. Um kurz darauf wieder herauszulaufen und nach der Höhe des Bußgeldes zu fragen. Als er mit "30 Euro" konfrontiert wurde, eilte er wieder auf sie zu und ereiferte sich erneut. Zwecklos, egal welches Argument er auch vorbrachte.

Unser Geschäftsmann hatte eigentlich nur ein Argument: Er wollte früh nach Hause und deshalb nicht bis 19.00 Uhr warten. Kein allzu gutes, sicher. Aber wer weiß – hätte er es mit den oben aufgeführten rhetorischen Mitteln vorgetragen – vielleicht hätte er die Buße zumindest reduzieren können.

Rezension zum Thema: 
Diskutieren ohne Sachargumente, managerSeminare Juli 2012

Dienstag, 11. September 2012

Der diskriminierte Mann

Das Klagen ist angeblich unüberhörbar: Immer mehr Manager murren, dass ihnen eine bessere Position verwehrt wird. Nicht, weil sie inkompetent sind, sondern weil ihnen weibliche Kandidaten vorgezogen werden. Der Grund hierfür: Die Unternehmen wollen einer gesetzlichen Frauenquote vorbeugen und gehen in die Offensive. Sie verordnen ihren Managern per Zielvereinbarung interne Frauenquoten. Wenn sie diese verfehlen, geht es ihnen an den Bonus. Und weil der Manager hier besonders empfindlich ist, macht er sich ans Werk und befördert bevorzugt Frauen.

Da kommen einem schon interessante Gedanken. Ausgleichende Gerechtigkeit für Jahrhunderte Benachteiligung der Frau, wie die Autoren der Wirtschaftswoche es formulieren. Blöd für diejenigen, die betroffen sind, aber so spielt die Geschichte.

Ein Problem für die Unternehmen, wenn die neue Gleichberechtigung Formen annimmt, entsteht dann, wenn Geschlecht vor Kompetenz geht, maulen die Fachleute. Hallo? Wer will uns denn weismachen, dass in der Vergangenheit bei der Besetzung von Führungspositionen vor allem nach Kompetenz entschieden wurde? Offizielle Männerquoten gab es zwar nicht, aber behauptet wirklich jemand, die Dominanz der Männer in Führungspositionen hätte etwas mit Führungseignung zu tun?

Mag sein, dass nun hier und da eine Frau befördert wird, obwohl der männliche Konkurrent besser geeignet wäre - eben weil jemand seine Quote erreichen möchte. Klar, das Geschrei wird groß sein, und sie wird sich möglicherweise als "Quotenfrau" mies fühlen. Ob sich jemals ein Mann schlecht gefühlt hat, weil er qualifizierten Frauen vorgezogen wurde?

Ein letzter Gedanke, für mich der interessanteste an der Geschichte (auch im Beitrag der Wirtschaftswoche aufgebracht): Wie wäre es, wenn Mann ans Nachdenken kommt. Sich einmal überlegt, ob er die verpasste Karrierechance nicht zu einer Auszeit nutzen möchte. Sich Zeit für die Familie, die Kinder nimmt. Oder sogar grundsätzlich darüber nachdenkt, ob es wirklich so erstrebenswert ist, immer weiter aufzusteigen.

Die bemitleidenswerten Opfer, die in der Wirtschaftswoche - nicht namentlich - vorgestellt werden, scheinen noch nicht so weit zu sein und wechseln lieber in Unternehmen, die mit Frauenkarrieren noch nichts am Hut haben.

Rezension zum Thema:
Das falsche Geschlecht, Wirtschaftswoche 33/2012

Montag, 10. September 2012

Kleine Pausen sind sinnlos

Na, das ist aber jetzt ärgerlich. Da dachten wir doch alle, dass es eine gute Idee ist, in Zeiten hoher Arbeitsbelastung zwischendurch kleine Pausen einzulegen, z.B. einen Spaziergang machen, mal in die Teeküche zu schlendern, sich für ein paar Minuten mit anderen Dingen zu beschäftigen (z.B. einen Blick auf die eigene Facebook-Seite werfen, Musik hören, ein privates Telefonat führen usw.), um dann frisch gestärkt wieder ans Werk zu gehen.

Eine US-Forscherin hat die Pausen untersucht und festgestellt, dass solche Mikropausen sogar kontraproduktiv sein können, auf jeden Fall "statistisch keinen Effekt auf das selbst empfundene Energielevel" haben.

Aber seien Sie jetzt nicht zu geknickt - es gibt Alternativen. Wer seine Arbeit unterbricht, um in der Zeit etwas anderes  zu tun, das mit dem Job zusammenhängt (einem Kollegen helfen, ein Fachthema recherchieren...), der "ist danach häufig erholter und motivierter".

Nun freuen sich die Chefs, die es ja schon immer gewusst haben. Sie können aufatmen und ihre Mitarbeiter ermahnen, sich nicht abzulenken, sondern auch zwischendurch etwas Sinnvolles zu tun.

Was so aber auch wieder nicht stimmt. In der Tat brauchen wir Erholungspausen, aber wenn diese etwas bringen sollen, dann müssen sie schon etwas länger sein. Allerdings gilt auch hier, dass es durchaus nicht schadet, diese Zeiten zu nutzen, um zum Beispiel etwas Neues zu lernen, sprich: Aktiv zu bleiben.

Klingt, als wäre es für uns am besten, ständig gedanklich im Job zu sein, um uns zu erholen. Was nun aber auch wieder nicht stimmt: Wer am Abend abschalten kann, der tut sich selbst doch etwas Gutes. Allerdings, so schränkt die Forscherin ein: "Zu viel Abstand von der Arbeitswelt scheint einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Job zu haben." Ihr Tipp: Es reicht, das Handy für die Nacht abzuschalten.
(aus: Kaffeepausen bringen nichts, Harvard Business Manager 7/2012, S. 18-19)

Sonntag, 9. September 2012

Führung als Gespräch zwischen Menschen

Dass Führung aus Kommunikation besteht, wussten wir schon. Dass Führung aber weit mehr ist, nämlich Konversation, das verraten uns Fachleute aus den USA. Kein Witz! Statt anzuweisen empfehlen sie, ein Gespräch zu führen, und zwar eines, das dem zwischen zwei ganz normalen Menschen ähnelt.

Dann verraten sie uns auch noch gleich, wie so ein Gespräch aussieht. Man vertraut einander, hört sich zu, man tauscht Ideen aus, der Ton ist locker (statt hierarchisch-steif). Mit anderen Worten: Führungskräfte sprechen MIT den Mitarbeitern, nicht ZU ihnen. Da sind wir aber so richtig beeindruckt. Vor allem über die Arbeit, die sich die Autoren gemacht haben. Fast 150 Menschen haben sie interviewt, nämlich Kommunikationsprofis und Top-Führungskräfte. Und herausgekommen ist das Führungsmodell der "Unternehmenskonversation". Mit den oben beschriebenen Merkmalen.

Aber halt, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Gute Gespräche sind zwar offen, aber nicht ziellos. Soll wohl heißen: Es geht nicht um Smalltalk. Führungskräfte sollen über ihre Vision reden, über die Logik hinter ihren Entscheidungen. Auf diese Weise hilft man den Mitarbeitern nicht nur, die Unternehmensstrategie zu verstehen, sondern lässt sie auch an ihrer Entwicklung mitwirken. Endlich ist das neue Führungsmodell gefunden! Man muss nur mit den Leuten REDEN!

Ich kann hier nur vermuten, dass dieses Verständnis von Führung für das fortschrittliche Amerika eine gewaltige Erkenntnis ist und in den US-Unternehmen zu massiven Umwälzungen führen wird. Oder sollte es wahr sein, dass es auch für unsere Unternehmen eine echte Veränderung der Führungskultur darstellen würde, wenn unsere Führungskräfte plötzlich anfangen, Gespräche zu führen?

Rezension zum Thema: 
Führung ist Konversation, Harvard Business Manager 7/2012

Montag, 3. September 2012

Einfache Regeln

Unternehmen brauchen Strukturen und Regeln. Wann immer Menschen sich zusammen tun, um etwas gemeinsam zu erreichen, geht es nicht ohne. Das gibt Orientierung und Halt und sorgt dafür, dass nicht bei jeder neuen Aufgabe alle Beteiligten erst einmal aushandeln müssen, wie man vorgeht und wer dabei welchen Teil übernimmt.

Ein Beispiel: In einem Unternehmen gibt es relativ einfache Regelungen für Dienstreisen. Da jeder Abteilungsleiter häufig rund um die Welt im Einsatz ist, hat man auf differenzierte Regeln verzichtet und jedem ein Budget zugestanden, innerhalb dessen er selbst entscheiden kann. Nach jeder Reise reicht man seine Kosten ein, die Personalabteilung reduziert das Budget um den jeweiligen Betrag. Funktioniert so weit ganz gut, weil am Ende eines Jahres der eine zwar sein Budget etwas überzogen hat, dafür andere darunter geblieben sind. Ziemlich pragmatisch.

Nun hat der neue Personalchef damit allerdings ein Problem. Einer der Kollegen handhabt diese Reisekostenabrechnungen ziemlich lax. Er vergisst regelmäßig, die Abrechnungen einzureichen, liefert sie dann viel später nach und überzieht auch regelmäßig sein Budget. Alles nicht wirklich tragisch, weil das Gesamtbudget nie überschritten wurde. Der Personalchef schlägt nun vor, dass jeder seine Reisen und die anfallenden Kosten vorher ankündigen muss. Diese werden dann im System sofort vom Budget abgezogen. Nach der Reise werden die Daten dann angepasst, sobald die Abrechnung vorliegt.

So wird es gemacht. Als nun einer der Abteilungsleiter gegen Ende des Jahres seine letzte Reise ankündigt, zeigt ihm das System die rote Karte. Nix zu machen, die Sachbearbeiter in der Personalabteilung können dem "Antrag" nicht stattgeben.

Es gibt einen entsprechenden Dialog, eine Menge Aufregung, nach vielem Hin und Her findet man eine Ausnahmeregelung.

Ein Klassiker, oder? Wie oft werden neue Regeln eingeführt, um ein an sich funktionierendes "System" zu optimieren, weil es in wenigen Einzelfällen "missbraucht" wird? Statt diese Fälle im Gesamtzusammenhang zu betrachten und sich zu fragen, ob die angestrebte Optimierung tatsächlich mehr Vor- als Nachteile bringt, werden neue Grenzen gezogen.

Die Geschichte fiel mir wieder ein, als ich einen Artikel über eine Studie der Boston Consulting Group las. Darin ging es um Kompetenzen, über die erfolgreiche Unternehmen verfügen im Gegensatz zu weniger erfolgreichen Unternehmen. Ein Ergebnis war, dass die ausschlaggebenden Faktoren die Qualität der Führung, die Mitarbeitermotivation, die Unternehmenskultur und die bereichsübergreifende Kooperation sind.

Die Begründung ist nachvollziehbar. In Zeiten des Wandels sind die Unternehmen erfolgreich, die schnell und flexibel reagieren können. Das wiederum geht nicht, wenn die Mitarbeiter eingezwängt sind in ein enges Korsett von Regeln und Vorschriften und die einzelnen Bereiche auf ihren Zuständigkeiten gemäß Organigramm beharren.

Regeln und Strukturen sollten so einfach wie möglich gehalten werden, schlussfolgern die Berater der Boston Consulting Group, sonst leiden Motivation, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Innovationsfähigkeit.

Das ist doch mal innovativ...

Rezension zum Thema:
Spielräume statt Regeln, Zeitschrift Führung + Organisation 1/2012

Montag, 27. August 2012

Wie Vater und Mutter?

Können sich zwei Führungskräfte einen Job teilen? Können sie offenbar, die Wirtschaftswoche hat einige solcher Duos aufgespürt. Der Bericht strotzt nur so vor Optimismus, die Betroffenen sind ganz begeistert von dem Modell. Und ihre Vorgesetzten ebenfalls.

Klingt auch wirklich gut. Von Montag bis Mittwoch kümmert sich der und die eine um die Mitarbeiter, am Mittwoch sind beide anwesend, Donnerstag bis Freitag ist der oder die zweite an der Reihe.

Wer jetzt schnell rechnet: Stimmt, auf diese Weise wird für den Arbeitgeber eine 120%-Stelle daraus, denn er zahlt ja einen Tag zu viel in der Woche. Dennoch, die Sache soll sich lohnen. Die Duos berichten, dass es keine Probleme gibt, vorausgesetzt, man tauscht sich regelmäßig aus. Schwierige Situationen diskutiert man aus, problematische Gespräche mit Mitarbeitern führt man zu zweit, und ansonsten genießt man die ausgewogene Mischung aus Arbeit und Familienleben.

Eine wichtige Voraussetzung lautet natürlich: Vertrauen. Die beiden müssen sich schon bezüglich grundlegender Haltungen und Werte einig sein, sonst werden sie schnell gegeneinander ausgespielt. Nur: Das kennen wir doch alle, oder? Nicht anders geht es doch in jeder Familie zu. Wer es schafft, Kinder so zu erziehen, dass beide Elternteile eine Sprache sprechen und sich bezüglich grundlegender Dinge einig sind, der sollte das doch auch bei der Führungs Erwachsener hinkriegen.

Ich hoffe, dass das Modell Schule macht...

Rezension zum Thema: 
Doppelt hält besser, Wirtschaftswoche 30/2012

Samstag, 18. August 2012

Mitdenkende Mitarbeiter

Es soll doch tatsächlich Mitarbeiter geben, die einfach nicht mitdenken wollen. Garnicht einmal, weil sie sich absichtlich verweigern und konsequent Dienst nach Vorschrift tun, sondern weil sie - naja, eben nicht mitdenken. Und warum tun sie es nicht? Weil sie es nicht gelernt haben, sagt ein Trainer und Berater für Unternehmenskommunikation. Sie versetzen sich nicht in den Kunden, können Dinge nicht aus der Sicht anderer betrachten, folgen blind Routinen und Konventionen und sehen den eigenen Zustand als Norm an.

Ist das nicht merkwürdig? "Mitarbeiten" funktioniert, "Mitdenken" nicht. Ist das tatsächlich eine Frage des "Nichtwissens" bzw. des "Nichtkönnens"? Ein Beispiel:

Der Chef eines kleinen Restaurants fällt plötzlich für zwei Wochen aus. Da der Ausfall unerwartet kommt, gibt es keinen Plan für die Tagesgerichte und Sonderaktionen. Kein Problem, die Mitarbeiter werfen einen Blick in die Vorratskammer, erstellen eine Einkaufsliste und püntlich zu Mittag steht das Tagesgericht. Wobei sie sogar ein Experiment wagen und etwas auf die Karte setzen, das es so noch nicht gegeben hat. Zum großen Wohlgefallen der Kunden. Zwei Wochen lang improvisieren sie und haben auch noch Spaß an der Sache.

Zwei Wochen später, gleicher Ort. Die Mitarbeiter betreten ihren Arbeitsplatz und finden dort etliche Anweisungen vor, kleine Zettel, auf denen steht, was eingekauft werden sollte, welche Gerichte für die nächsten Tage geplant sind und worauf dabei zu achten ist. Der Chef ist zurück und hat am Vorabend schon mal "vorgedacht".

Keine erfundene Geschichte...

Ich glaube, dass in vielen Organisationen "mitdenken" gar nicht gefordert oder erwünscht ist. Das Problem sind nicht die Mitarbeiter, es sind die Anforderungen, die an sie gestellt werden. Wer ihnen das Denken abnimmt und sich anschließend beklagt, dass man wieder mal selbst an alles denken muss, der hat ein Führungsproblem.

Die Geschichte geht aber noch weiter. Mittags kommt der Chef ins Restaurant und sieht, wie ein Gericht, das die Mitarbeiter in seiner Abwesenheit zubereitet haben, serviert wird. Er ist beeindruckt, aber dann erfährt er, welchen Preis seine Mitarbeiter festgelegt haben und fällt fast in Ohnmacht. "Hat sich mal jemand Gedanken gemacht, wie hoch allein die Materialkosten für dieses Gericht sind?" fragt er erschüttert. Die Mitarbeiter zucken mit den Achseln. "Wie seid Ihr denn auf den Preis gekommen?" - "Wir dachten, dass er so ungefähr hinkommen würde. Vom Einkauf her hat es kaum mehr als ... gekostet." - "Und wie lange haben Sie daran gearbeitet? Rechnen Sie jetzt mal Ihren Stundenlohn oben drauf, dazu noch Miete, Strom, Wasser..." Erstaunen...

Es gibt in der Tat ein "Nichtmitdenken" aus "Nichtwissen". Aber hier liegt wieder ein Führungsproblem vor. Wenn die für das Mitdenken notwendigen Informationen nicht vorliegen, hilft alles Mitdenken nichts.

Der Einwand, der hier meist kommt, lautet: "Aber so viel sollte man doch von Mitarbeitern erwarten dürfen. Es kann doch nicht sein, dass sie so naiv sind und nicht wissen, dass alles nun mal Geld kostet."

Stimmt, das wissen sie. Aber kennen sie die Kalkulation des Managements? Den Wertbeitrag ihres Bereiches? Welche Zahlen und Information stehen ihnen zur Verfügung? Werden diese regelmäßig aktualisiert? Werden sie regelmäßig diskutiert? Welche Antworten würden wir bekommen, wenn wir Mitarbeiter fragten, wie das Budget ihrer Abteilung aussieht, wie viel davon auf die Personalkosten entfällt, wie viel auf Material, wie viel auf Energie, auf Instandhaltung? Wie hoch der Ausschuss ist und was das kostet...?

Mitdenkende Mitarbeiter können wir nur erwarten, wenn wir Mitdenken zulassen und das dazu notwendige Wissen bereitstellen. Führungsaufgabe...

Rezension zum Thema:
Denken hilft, managerSeminare 6/2012

Donnerstag, 16. August 2012

Alles ist Diversity?

Immer noch erscheinen Diversity-Artikel. Und die Inhalte sind immer die gleichen. Ich fürchte, das Thema ist schon durch, bevor es richtig angefangen hat. Warum? Weil hier auf ziemlich dreiste Weise jede Menge altbekannte Themen neu verrührt und angerichtet werden.

Beispiele: 
Unternehmen, die Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten die Möglichkeit einräumen, Beruf und Familie zu vereinbaren, betreiben Diversity-Management. Sie betreiben aber auch Gesundheitsmanagement, denn sie sorgen für "Work-Life-Balance".

Unternehmen, die die Arbeitsplätze so umgestalten, dass ältere Mitarbeiter in der Lage sind, weiterhin ihren Job zu bewältigen, betreiben Diversity-Management. Weil so die Mischung aus Jung und Alt gelingt. Und sie betreiben natürlich auch Gesundheitsmanagement, weil ältere Mitarbeiter länger fit bleiben.

Unternehmen, die Mitarbeiter mit internationaler Herkunft einstellen und fördern, betreiben Diversity-Management, weil so die kulturelle Vielfalt gewährleistet wird. Sie betreiben aber natürlich auch Talentmanagement, weil sie es sich angesichts des Facharbeitermangels nicht erlauben können, Menschen mit Migrationshintergrund außen vorzulassen.

Völlig wurscht...

...unter welcher Flagge sie sich um Eltern, ältere Mitarbeiter oder Migranten bemühen, Hauptsache, sie tun es überhaupt, könnte man hierauf einwenden. Ärgerlich ist dieser ganze Management-Methoden-Kram trotzdem. Weil die jeweiligen Vertreter immer mit der selben Forderung an die Organisationen herantreten: Erst mal fleißig analysieren, wie es um das Talentmanagement, Gesundheitsmanagement, Diversity-Management bestellt ist, Umfragen veranstalten, Interviews führen, dann Projektteams installieren, dann Maßnahmen planen, dann... Kennt man alles.

Dabei ist es so viel einfacher. Würde man Merkmale wie Alter, Geschlecht, Familienstand, kultureller Hintergrund usw. erst gar nicht als Problem ansehen, sondern vor allem und zuerst nach den Chancen schauen, könnte man sich den ganzen Managementkram schenken. Und wenn man sich dann intensiv um die Bedürfnisse ALLER Mitarbeiter kümmert, indem man hinhört und hinschaut, was sie brauchen, um optimal arbeiten zu können, dann würden all die oben genannten Maßnahmen ganz zwangsläufig ergriffen.

Wozu brauchen wir also diese Managementmodelle? Eine Erklärung: Weil sie ALLE eines versprechen: Mehr Gewinn. Kein Artikel, egal um welches Modell es geht, kommt ohne den Hinweis aus, dass Unternehmen, die sich um Diversity (Talente, Gesundheit, Werte...) kümmern, dies keineswegs aus purer Menschlichkeit tun. Wo kämen wir denn da hin? Nein, es geht um knallhartes Kalkül. Entsprechende Studien, die beweisen, dass solches Tun wirtschaftlichen Erfolg bringt, werden meist mitgeliefert. Und irgendwer ist beeindruckt und fängt an, sich endlich um Diversity zu kümmern.

Ach ja, da musste ich auch schmunzeln. Als Vorbild für Diversity wird die deutsche Nationalmannschaft angeführt. Wie lustig. Als ob dort auch nur ein Spieler türkischer oder polnischer Abstammung spielt, weil der Bundestrainer ein Diversity-Verfechter ist. Seit vielen Jahren finden sich in den europäischen Spitzenteams die unterschiedlichsten Nationalitäten, auch ohne, dass ein Managementvordenker den Clubs was von Vielfalt erklärt hat. Es ist geradezu anders herum: Herkunft spielt überhaupt keine Rolle: Eingesetzt wird, wer der Beste auf seiner Position ist. Davon können Unternehmen in der Tat lernen. Wenn sie mal wieder einen älteren Mitarbeiter oder eine Frau für eine Position ablehnen auf Grund des Alters oder des Geschlechts.

Wo wir schon mal beim Sport sind: Was im Musterland der Diversity die Vielfalt wert ist, das sieht man in den US-Basketballmannschaften der Profi-Liga. Ein perfektes Abbild der Gesellschaft, oder? Kleine, Große, Farbige, Weiße, Alte, Junge.... Sehr witzig...

Rezension zum Thema:
Viele sind mehr, managerSeminare 6/2012

Montag, 13. August 2012

Gefährlicher Leichtsinn

Man warnt uns ja schon lange, dass es leicht ist, unsere Gespräche mit dem Smartphone abzuhören, unsere Laptops auszuspionieren, unsere Mails mitzulesen. Die Wirtschaftswoche hat Profi-Hacker angestiftet, Top-Manager anzuzapfen. In der Tat war es wohl alles andere als schwer, Gespräche aufzuzeichnen und zu entschlüsseln. Mehr noch: Man kann unsere Ortwechsel verfolgen. Interessant vor allem für Ehepartner, die nicht ganz sicher sind, ob der andere wirklich zu der jährlichen Konferenz der Marketingfachleute gefahren ist. Und das Verrückte daran: Um uns zu finden, braucht man offenbar gar keine Ausbildung als Geheimagent.

Man sollte sich also vorsehen, wenn man ein Smartphone benutzt. Und wenn man im Ausland ist, das gute Stück möglichst zu Hause lassen und mit einem Ersatzgerät reisen.

Im gleichen Heft erfahren wir allerdings, dass die kleinen Helfer unschätzbare Dienste leisten, wenn es um die Sicherheit auf Geschäftsreisen geht. Im Notfall werden wir dankbar sein, wenn unser Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Sicherheitsfirma uns mit Hilfe einer kleine App ortet und für rasche Hilfe sorgt. Vorausgesetzt, man hat die richtigen Einstellungen aktiviert. In diesem Fall muss gar nicht erst jemand eine bösartige Spyware auf unserem Gerät installieren. Wir verraten freiwillig, wo wir stecken.

Schwierig, sich in der modernen Welt richtig zu verhalten, oder?

Oh, einen Tipp zum richtigen Verhalten im Ausland muss ich noch weitergeben: "Vor dem Abstellen des Wagens zu Hause lieber noch mal um den Block fahren und die Gegend auf Hinweise auf einen bevorstehenden Überfall prüfen." 

Rezensionen zum Thema:
Angreifbar in allen Lebenslagen
Sicher um den Globus, Wirtschaftswoche 29/2012 



Mittwoch, 8. August 2012

Wir-Gefühl

So ein Wir-Gefühl ist was Feines. Wir haben alle schon erlebt, wie motivierend und energiespendend es sein kann, wenn man in einem Team für ein Ziel arbeitet und kämpft. Wenn alle an einem Strang ziehen und am Ende gemeinsam jubeln oder leiden - je nachdem, wie erfolgreich man war. Kennt man nicht nur aus dem Sport. Das funktioniert auch in der Wirtschaft. Und es funktioniert sogar in gewisser Weise in großen Organisationen, bei denen man als Ganzes kaum von einem Team sprechen kann. Es scheint ja auch heute noch Unternehmen zu geben, bei denen die Mitarbeiter stolz darauf sind, dort arbeiten zu dürfen und sich entsprechend ins Zeug legen.

Dieses Phänomen lässt sich auch als "Wir-Gefühl" beschreiben. Das soll inzwischen immer häufiger verloren gehen. Mögliche Gründe sollen sein:

(1) Das Verständnis von Karriere hat sich verändert. Früher hatte Treue zum Unternehmen einen Wert, man war jemand, wenn man sein 25jähriges Firmenjubiläum feierte. Heute ist so etwas eher ein Karrierekiller.

(2) Die flachen Hierarchien und Matrix-Organisationen führen dazu, dass die Orientierung verloren geht. Früher wusste man um seinen Platz in der Organisation, da herrschte Klarheit und Ordnung.

(3) Die Zunahme der virtuellen Zusammenarbeit tut ein Übriges. Wenn man seinen Kollegen nur aus E-Mails oder maximal von Videokonferenzen kennt, fördert das kaum das Wir-Gefühl.

Mag sein, dass all das eine Rolle spielt. Aber legen Unternehmen überhaupt noch Wert auf "Wir-Gefühl"? Geht es nicht um ganz andere "Werte"? Wenn man Unternehmen in kleine "Business-Units" aufteilt, die im Wettbewerb zu einander stehen, die um die Ressourcen konkurrieren und deren Mitarbeiter unterschiedlich prämiert werden - wie soll dann ein Gefühl von Gemeinsamkeit entstehen? Das wäre ja so, als würde man die Abwehr einer Fußballmannschaft getrennt vom Sturm bewerten und honorieren, aber gleichzeitig verlangen, füreinander zu spielen. Hier geht der eigentliche Zweck einer Organisation, nämlich eben gemeinsam für ein Unternehmensziel zu arbeiten, ganz zwangsläufig verloren.

Eine weiterer Grund scheint mir der Handel mit Unternehmen bzw. Unternehmensteilen zu sein. Wer erfährt, dass er an die Konkurrenz verkauft wurde und ab dem nächsten Tag Mitarbeiter des bisherigen Wettbewerbers oder einer Investorengruppe ist, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihre Errungenschaft so bald wie möglich mit einem schönen Gewinn zu veräußern - wie soll man da ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln?

Maßnahmen nichts als Kosmetik

Was kann man tun? Natürlich wissen die Experten Rat. Ziele formulieren, gemeinsame Werte benennen, Erfolge feiern, für gemeinsame Erlebnisse sorgen. Funktioniert das? Vielleicht zu Beginn. Aber spätestens, wenn man das zweite Mal veräußert wird, werden die Mitarbeiter abwinken und auf die Werte und Events pfeifen. Weil sich spätestens mit dem nächsten Besitzerwechsel die Werte verändern und die Erfolge der Vergangenheit niemanden mehr interessieren.

Halt - ist das im Sport nicht genauso? Da baut man ein Team auf und am Ende der Saison wird auch die halbe Mannschaft verkauft. Und trotzdem entsteht so etwas wie ein Mannschaftsgeist....

Sicher, ein Teamgeist für eine Saison. Da weiß jeder, auf was er sich einlässt, wenn er zu einem Verein wechselt. Und der Verein jammert anschließend über die "Söldnermentalität". Auch so kann man erfolgreich sein - aber sollte sich nicht beschweren, wenn es eben kein Wir-Gefühl gibt...

Rezension zum Thema: 
Vom Wert des Wir, managerSeminare 4/2012

Dienstag, 7. August 2012

Kittel tragen

Ich gestehe, dass ich in Sachen "Arbeitskleidung" eine etwas sehr lockere Einstellung habe. Anzüge für Banker und Personaler empfinde als eher übertrieben, und wenn mir ein Mediziner in Jeans und T-Shirt gegenüber steht, macht das ihn mir eher sympathisch (wenn es nicht gerade im OP ist). Aber vielleicht sollte ich meine Geringschätzung noch einmal überdenken.

Eine kleine Meldung in der managerSeminare 4/2012 stimmt nachdenklich. Da haben Psychologen-Kollegen zwei Versuchsgruppen Denksportaufgaben lösen lassen. Die eine Gruppe haben sie in weiße Arbeitskittel gesteckt, die andere nicht. Ergebnis: Die Probanden in den Kitteln erzielten deutlich bessere Ergebnisse. Vermutung der Forscher: Kittel werden mit "Wissenschaft" assoziert und der Begriff steht für sorgfältige Arbeit. Also geben sich die Kittelträger mehr Mühe.

Fazit in der Meldung: "Wer die Fehlerquote seiner Mitarbeiter verringern will, steckt sie in weiße Kittel." So witzig das im ersten Moment klingt, so nachvollziehbar ist ein Zusammenhang zwischen "Uniform" und Einstellung. Anzug- bzw. Schlipsträger werden sich eher selten beim Kunden auf den Sesseln herumlümmeln, während der Berater in Badelatschen und Shorts vermutlich nicht davor gefeit ist, die Latschen abzustreifen und die Füße auf den Tisch zu legen.

Vielleicht sollte ich doch mal wieder meinen Anzug aus dem Schrank holen...

Donnerstag, 2. August 2012

Instandhaltung statt Gemeinschaft

Der Chef ist ratlos. "Meine Manager trauen sich die einfachsten Entscheidungen nicht zu. Ständig kommen sie zu mir und ich muss es dann richten. Ich brauche Leute, die Mumm haben, auch mal Risiken eingehen und zu ihrer Meinung stehen. Ich sag es ihnen immer wieder, aber es hilft nichts. Ich hab schon gedroht, sie alle vor die Tür zu setzen, wenn sie nicht endlich in die Gänge kommen. Aber laut werden hilft auch nichts, dann schauen sie nur verschreckt und ziehen sich noch mehr zurück."

Der Berater nickt verständnisvoll und schlägt ein umfangreiches Personalentwicklungsprogramm vor. Zuerst sollen alle Manager einen Persönlichkeitstest absolvieren, dann, nach einer Kick-off-Veranstaltung, ein modulares Trainingsprogramm durchlaufen, wobei der Schwerpunkt auf Durchsetzungsfähigkeit und Entscheidungsverhalten liegt und das von Coachings begleitet wird. Er rechnet dem Chef vor, dass sich jeder Euro, den er in derartige Personalentwicklungsmaßnahmen steckt, vervierfachen wird, weil zahlreiche Studien ergeben haben, dass Mitarbeiter, die an einem derartigen Training teilgenommen haben, anschließend viel unternehmerischer denken und damit weitaus produktiver arbeiten.

Albern? So kommt mir die Sache mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement vor. Glaubt man den Zahlen, dann sind immer mehr Menschen mit ihrer Arbeit unzufrieden, die psychischen Erkrankungen nehmen zu und stellen schon die häufigste Ursache für vorzeitige Pensionierungen dar. Der Zusammenhang mit den dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt scheint unstrittig: Wo das Bedürfnis nach Sicherheit und Anerkennung immer seltener erfüllt wird und so etwas wie Zugehörigkeitsgefühl verloren geht, steigt die Belastung für den Einzelnen und die Gefahr des Burnouts - was auch immer man darunter verstehen mag - steigt.

Und wie das so ist, wenn ein Problem erkannt und den Weg in die Medien gefunden hat, tauchen zahlreiche Anbieter auf, die ein Geschäftsmodell entdecken. In Sachen Gesundheitsmanagement funktioniert es prima: Gesundheitscheck, Gesundheitstage, Massagen am Arbeitsplatz, Ernährungsberatung, Fitness-Angebote - des einen Leid ist des anderen Freud. Alles verbunden mit dem Versprechen: Jeder Euro, den ein Unternehmen in das betriebliche Gesundheitsmanagement steckt, zahlt sich vierfach aus. Weil gesunde Mitarbeiter seltener fehlen, mehr leisten, produktiver sind.

Ein interessanter Kreislauf: Um die Rendite zu erhöhen, werden Produktionsprozesse verschlankt, Personal abgebaut, Leistungsanreize gesetzt und der Druck erhöht. Mit der Folge, dass die Produktivität der Mitarbeiter sinkt, damit auch das Ergebnis beeinträchtigt wird. Um deren Leistungsfähigkeit wieder herzustellen, gibt man Geld für gesundheitsfördernde Maßnahmen aus. Mit der Botschaft: Wir tun das für euch, damit Ihr dem Druck, den wir (bzw. die Globalisierung, der Wettbewerb, die Konkurrenz...) erzeugen, besser stand haltet.

Warum auch nicht, könnte man einwenden. Das ist bei Maschinen ja nicht anders. Wenn sie rund um die Uhr laufen, ohne Pause und ohne regelmäßige Pflege, verschleißen sie. Wer kein Geld für Instandhaltung in die Hand nimmt, der braucht bald neue Anlagen. Da ist es doch besser, Maßnahmen zur Pflege der Maschinen zu bezahlen. So wie man eben auch Geld für die "Instandhaltung" der Mitarbeiter ausgibt.

Ein Vergleich, der hinkt? Ich fürchte nicht. Statt neben dem x-ten Programm zu Förderung der Mitarbeiterkompetenzen nun auch noch ein Gesundheitsmanagement zu installieren, könnte man Unternehmen und Organisationen als Gemeinschaft begreifen. Als Gemeinschaft von Menschen, die ein gemeinsames Ziel haben und für dieses arbeiten, ohne dabei krank zu werden. Aber vermutlich wäre der Aufwand ungleich größer, als einen Anbieter zu engagieren, der den Mitarbeitern eine gesunde Lebensweise vermitteln soll.

Rezension zum Thema:
Anti-Stress-Kosmetik, pseudoempathische Phrasen und Systemkritik
Jenseits von Gewinn und Profit
Wirtschaftspsychologie-aktuell 2/2012

Dienstag, 24. Juli 2012

Die drei Gs

Das ist bitter, aber realistisch. Ein Wirtschaftspsychologe beschreibt in der Brand eins, dass die offizielle Darstellung der Unternehmenskultur (von wegen "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt") wenig mit der täglichen Praxis im Betrieb zu tun hat. Da wird dann gemeinsam mit den Führungskräften eine neue Leitlinie erarbeitet, aber fragt man später, ob sie auch gelebt wird, dann erhält man ernüchternde Antworten. Sie werden nicht ernst genommen, eher belächelt nach dem Prinzip der drei Gs: Gelesen, gelacht, gelocht.

Ziemlich nah an der Wirklichkeit. Ich habe auch viele Plakate mit schönen Bildern und fein formulierten Leitsätzen in Fluren und Besprechungszimmern hängen sehen, mit ähnlichen Reaktionen. Eine gewachsene Firmenkultur ändert man nicht mit einem Leitbildprozess, zumindest nicht über Nacht. Und für einen längeren Prozess fehlt in der Regel die Zeit - schon allein deshalb, weil das verantwortliche Management gar nicht so lange im Amt ist.

Rezension zum Thema:
Krankheit als Weg, Brand eins 6/2012

Sonntag, 22. Juli 2012

Zahlenspiele

Immer wieder erheiternd. Zitat: "Von den über 50-Jährigen nimmt lediglich jeder Fünfte an einer betrieblichen Weiterbildung teil..." Das klingt erschreckend, oder? Auf jeden Fall klingt es nach wenig. Die erste Frage lautet: Auf welchen Zeitraum bezieht sich die Aussage? Pro Jahr? Im gesamten Verlauf ab dem 50sten Lebensjahr?

Aber lesen wir weiter: "... fünf Prozent weniger als der Durchschnitt." Versuchen wir das mal zu verstehen. Im Durchschnitt nehmen also 25% aller Arbeitnehmer an einer betrieblichen Weiterbildung teil, richtig? Dann bezieht sich das wohl doch auf den Zeitraum eines Jahres - hoffe ich mal. Sind da die über 50-Jährigen mit einberechnet? Dann würden diese ja den Schnitt noch nach unten ziehen, beim Rest ist die Quote also noch höher.

Um mit diesen Zahlen etwas anfangen zu können, müsste man verschiedene Altersgruppen vergleichen. Vielleicht heben ja die unter 30-Jährigen den Schnitt gewaltig an. Vielleicht sind es auch tatsächlich die Älteren, die seltener auf Trainings gehen. Man weiß es nicht.

Vorsicht mit diesen Statistiken, die mal so in einem Nebensatz eingeflochten werden. Eh wir uns versehen, wird ein Trend draus...

Rezension zum Thema:
Hungrig im Hirn, Wirtschaftswoche 25/2012

Donnerstag, 19. Juli 2012

Spaß wichtiger als Macht

Es gibt Menschen, die sind gar nicht so scharf auf eine große Karriere. Konkrete Ziele haben sie nicht und können solche folglich auch nicht klar formulieren. Sie erfüllen ihre Aufgaben und warten darauf, dass man sie entdeckt. Und sie arbeiten, weil es ihnen Spaß macht. Oder besser: Ihnen ist es wichtiger, Spaß bei der Arbeit zu haben als Macht und Einfluss. Ihnen fehlt einfach der Wille zur Übernahme von Führungsverantwortung. Stattdessen kümmern sie sich lieber um ihre Familie. Sie sorgen dafür, dass der Haushalt vernünftig organisiert wird und delegieren Hausarbeit ungern an Fremde. Schon gar nicht die Betreuung der eigenen Kinder. Und wenn sie mit Kollegen zusammensitzen, dann ist es ihnen unangenehm oder eher unwichtig, über Berufliches zu sprechen, stattdessen geht es auch hier mehr um das Familienleben und die Kinder. Würde man ihnen eine Stelle anbieten, die es ihnen ermöglicht, auch mal früher nach Hause zu gehen, um dort nach dem Rechten zu schauen oder gar verstärkt von zu Hause aus zu arbeiten, würden sie sofort zusagen.

Mal angenommen, Sie sind auf der Suche nach einer potenziellen Führungskraft, die Ihr Unternehmen voranbringen soll. Würden Sie einen der oben beschriebenen Menschen einstellen?

Vermutlich haben Sie es schon erraten: Die Rede ist von Frauen. Oder besser: von deutschen Frauen. Allseits wird gefordert, mehr von ihnen in Spitzenpositionen zu befördern, aber offenbar liegt ihnen selbst gar nicht so viel daran. Ein Klischee?

Die Aussagen stammen nicht von Männern, sondern sind einer Interviewrunde mit hochrangigen Managerinnen entnommen, die im Ausland aufgewachsen und in deutschen Unternehmen tätig sind und von daher einen etwas anderen Blick auf das Thema "Frau und Karriere" haben. Ernüchernd? Oder einfach nur realistisch?

Allerdings sehen auch diese Managerinnen die Ursache für die Unterbesetzung von Führungspositionen durch Frauen nicht allein bei diesen selbst. Den Arbeitgebern attestieren sie, sich nicht wirklich um gute Frauen zu bemühen. Sie haben noch nicht verstanden, wie wichtig es ist, Vielfalt im Unternehmen zu fördern.  Sie pflegen immer noch die Präsenzkultur, nur wer regelmäßig und lange am Arbeitsplatz zu finden ist, der kann etwas werden. Innovative Modelle wie in anderen Ländern findet man selten, z.B. dass sich Führungskräfte einen Job teilen.

All das hat natürlich auch etwas mit der gesellschaftlichen Einstellung zu tun. Zitat: "Wenn eine Frau bei einem Vorstellungsgespräch sagt, sie habe drei Kinder, schlägt der Personaler die Hände überm Kopf zusammen. Erzählt ein Mann von seinen Kindern, ist er der Held, der Verantwortung übernehmen kann." Es ist auch nicht der Mann, der auf das kranke Kind aufpasst, wenn die Betreuung ausfällt. Und immer noch gelten Frauen als Rabenmutter, die bald nach der Geburt der Kinder wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Ich finde die Darstellung der komplexen Zusammenhänge in der Diskussion der Managerinnen ziemlich gelungen. Ebenso die realistische Einschätzung, dass eine Frauenquote zwar keine ideale Lösung darstellt, aber ein Signal. Dass durch den Druck der Politik Dinge schneller in Bewegung kommen und deutlich macht, dass eine Veränderung tatsächlich gewünscht wird.

So viel ist sicher: Jede Veränderung bei diesem Thema wird viel Zeit brauchen. Eben weil es komplex ist und Veränderungen auf den Ebenen der Gesellschaft, der Unternehmen und des Individuums erfordert. Womit unter "Individuum" nicht nur die einzelne Frau, sondern auch der dazugehörende Partner zu verstehen ist...

Rezension zum Thema:
Sie wollen keine Macht, Wirtschaftswoche 24/2012

Montag, 9. Juli 2012

Doch kein rasches Wachstum

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Devise für junge Unternehmen lautete: Wachstum, aber so schnell wie möglich. Nur wer in kurzer Zeit eine erhebliche Größe und Bekanntheit erringen konnte, der hatte angeblich eine Chance, auf dem Markt zu bestehen. Das galt vor allem im Internet. Und so wurden Unsummen ins Marketing gesteckt, große Mannschaften aufgebaut und richtig geklotzt. Bis die erste Blase platzte.

Die gute Nachricht: Der Mensch ist offenbar doch lernfähig. Jetzt lesen wir, dass vorschnelles Wachstum für Start-up lebensbedrohlich sein kann. Statt alle Ressourcen ins Marketing zu stecken, sollten sich die Gründer lieber um ihr Geschäftsmodell kümmern, die Qualität ihres Produktes verbessern und neue Ideen in kleinen Pilotprojekten testen, als sofort das große Rad zu drehen.

Auch ein guter Rat: Besonders viel Sorgfalt sollten die Gründer auf die Auswahl ihrer Mannschaft legen. Die erste Generation prägt das Unternehmen wie keine andere, sie bildet praktisch die DNA der Firma und formt damit die Kultur auf Jahre. Allein dabei wird eigentlich klar, dass so etwas Zeit braucht und bei schnellem Wachstum gar nicht möglich ist.

Was aber sollte das dann mit dem Wachstumswahn? Geht es heute nicht mehr darum, rasch bekannt zu werden, damit man nicht überholt und abgehängt wird von anderen, die schneller sind? Ich habe den Eindruck, dass inzwischen auch im Internet die Vielfalt so groß ist, dass diese Hypothese kaum noch zu halten ist. Wie übermächtig erschien doch Amazon, wo man inzwischen aber auch nahezu alles bestellen kann. Gibt es deshalb keine anderen Versandhändler im Internet mehr? Es gibt sie, und offenbar ist da noch Platz für mehr.

Bleibt nur noch ein Grund für Unternehmen, das ganz große Rad zu drehen: Den Investoren ein gutes Gefühl zu geben. Wer schnell wächst, der demonstriert damit Erfolg, und das beruhigt die Geldgeber.
Hoffen wir, dass auch sie gelernt haben und den Unternehmen mehr Zeit geben, um ein tatsächlich tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln.

Rezension zum Thema:
Schön schlank, Wirtschaftswoche 23/2012