Samstag, 30. Januar 2010

Harte Hunde

Zwei Quellen, ein Thema. Ein Kollege sandte mir einen Link über die alte Garde der Fußballbundesliga. Darin wird die Frage aufgeworfen, ob die Zeit der "Projekttrainer", der "Konzept-Coaches", der "Kumpels an der Seitenlinie" vorbei ist und nun wieder die "Bellheims" gefragt sind. Namen, die hier gehandelt werden, sind Felix Magath, Jupp Heynkes, Hans Meyer und Louis van Gaal.

Zitat: "Manchmal autoritär, manchmal altväterlich, die Spieler nicht vordringlich als erwachsene Partner, als hoch bezahlte leitende Angestellte wahrnehmend, sondern als Erziehungspflichtige, die man mit ein paar freien Stunden belohnt oder mit ein paar Magathschen Trainingsmethoden bestraft wie Kinder, die es zu führen gilt."

Dazu passt wunderbar der reißerische Titel eines Buches: Ausgekuschelt - Unbequeme Wahrheiten für den Chef. Dort verrät uns der Autor solch beeindruckende "Wahrheiten" wie "Die harten Hunde haben die stärksten Rudel" oder "Inkonsequente Chefs verdienen kein Vertrauen, sondern Entmachtung". Da kann man den Eindruck gewinnen, dass der Ruf nach dem "starken Mann" wieder laut wird. Führungskräfte, die wissen, was sie wollen, die knallhart durchgreifen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, die keinen Widerspruch dulden und konsequent ihren Weg gehen.

Ich finde diese Diskussion ermüdend. Aber sie scheint in regelmäßigen Abständen wieder aufzutauchen, wie in Wellen. Vielleicht ist das ja auch so: Da wird eine Zeitlang der Vorgesetzte als Coach gefeiert, der seinen Mitarbeitern Rahmenbedingungen setzt, aber ansonsten freie Hand lässt. Der sie unterstützt, begleitet, ihnen die Steine aus dem Weg räumt und ihre Entwicklung fördert. Eben der "Kumpel an der Seitenlinie".

Und dann beginnt die Diskussion, was denn das "richtige" Modell ist. Als ob es hier um ein "Entweder-Oder" ginge. Zugegeben, ich tendiere sehr zu dem "Coach-Modell", weil ich die Vorstellung, dass ich wie ein "Erziehungspflichtiger" behandelt werde oder als Vorgesetzter die Rolle des "Erziehungsberechtigten" übernehmen soll, wenig reizvoll finde.

Sind Sie führungsdürftig?

Wie lautet die "unbequeme Wahrheit" bei Herrn Jäger (dessen Film zum Buch auf seiner Homepage schauspielerisch überzeugt und inhaltlich schlicht peinlich ist): "Führungsbedürftige Mitarbeiter verdienen kein Lob, sondern Kontrolle." Die Botschaft ist klar und damit auch das Menschenbild: Es gibt eben "Führungsbedürftige", und sie brauchen Klarheit, Kontrolle, Anweisung, Rückendeckung. Vielleicht weil die Welt zu komplex ist und jemand für sie das Denken übernimmt?

Vermutlich aber ist es eher so: Jeder Vorgesetzte bekommt die Mitarbeiter, die er verdient. Und umgekehrt. Und warum soll jemand, der mit harter Hand führt und entsprechend "bedürftige" Mitarbeiter hat, nicht erfolgreich sein? Solange er mit seinen Entscheidungen richtig liegt und alle davon profitieren...
Liegt er aber daneben, dann wird er ebenso tief fallen und hart aufschlagen - wie die harten Hunde der Fußballtrainer-Branche...

Bleibt noch die Frage, warum im Profifußball immer wieder solch autoritäre Knochen oder Vaterfiguren erfolgreich sind. Zum einen sicherlich, weil sie viel von ihrem Fach verstehen. Aber ich glaube, es gibt noch einen anderen Grund. Eine Profi-Truppe ist ein fragiles Gebilde. Einerseits muss sich im internen Konkurrenzkampf jeder in einem extrem harten Wettbewerb gegen den "Gegenspieler" durchsetzen, aber dann im Wettkampf gegen andere Mannschaften als Teamspieler beweisen. Diese Mischung aus interner Konkurrenz und Teamarbeit benötigt möglicherweise weitaus mehr Führung und Ordnung von außen als ein Unternehmen, in dem man mit einer bestehenden Mannschaft auf ein Ziel hinarbeitet. Sicherlich gibt es auch hier interne Konkurrenz, aber diese endet nicht Wochenende für Wochenende damit, dass Einzelne aufgestellt werden und andere die Ersatzbank drücken.

In einer Profifußballmannschaft im Team zu entscheiden, wer ran darf und wer nicht, stelle ich mir in der Tat schwierig vor. Einfacher ist es da zweifellos, die Verantwortung einer Person zu übertragen. Trifft sie die richtige Entscheidung, und das Woche für Woche, wird sie sich halten. Trifft sie zu oft die falsche, wird sie gefeuert. Wer das auf ein Unternehmen übertragen möchte, dem wünsche ich viel Spaß...

Rezension zum Thema:
Die Rückkehr der Konsequenz, managerSeminare 1/2010

Donnerstag, 28. Januar 2010

Der Glücksindex

Laut Wikipedia ist ein Index eine aus mehreren Größen errechnete Vergleichsgröße. So weit, so überschaubar. In der Praxis gehen die Probleme los. Nimmt man eine Anzahl unterschiedlicher Größen, um z.B. den Wert der Personalarbeit zu bestimmen, dann stellt sich rasch die Frage, ob all diese Größen gleich gewichtet sein dürfen. Und wenn dann noch quantifizierbare Größen mit subjektiv erhobenen Daten gemischt werden, ist das Drama perfekt. Folglich lässt sich über die meisten Indizes trefflich streiten.

Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass das Bruttoinlandsprodukt keine zuverlässige Messgröße für das Wohlbefinden eines Volkes ist - der Zusammenhang zwischen Produktivität und Glücksempfinden ist nicht linear. Was ja erst mal nicht weiter schlimm ist. Wenn man das weiß, darf man eben keine politischen Entscheidungen allein von diesem einen Kennwert abhängig machen. Wovon aber dann? Der Mensch braucht offensichtlich eine rechnerisch ermittelte Größe, also wird sich aufgemacht, eine solche zu entwickeln.

Ein lustiges Unterfangen. Nun sollen also gesellschaftliche Errungenschaften wie Bildung, Gesundheitsversorgung oder innere Sicherheit einfließen. Und weil man inzwischen festgestellt hat, dass auch nicht-monetäre Faktoren eine Rolle beim Wohlbefinden spielen, müssen noch Dinge wie Gesundheit, Freizeit, Zustand der Umwelt, Zusammenhalt der Familie usw. hinzugezogen werden. All das in einen großen Topf, fertig ist der Glücksindex.

Und dann? Dann wird man feststellen, dass es den Deutschen deutlich besser geht, als wenn man sie nur nach ihrer Zufriedenheit befragt. Wenn nicht, dann wird man politisch aktiv. Oder auch nicht...

Das ist das Dilemma von Indizes: Je heterogener die einbezogenen Faktoren, umso weniger wird man mit dem Ergebnis anfangen können. Sind die Faktoren sehr homogen und messen alle das gleiche, brauche ich keinen Index, da reicht dann ein Faktor.
Da lobe ich mir doch den Deutschen Aktienindex - da sind wenigstens nur Aktien vertreten, obwohl man sicher auch hier Zweifel hegen kann, ob dieser einen stets zuverlässigen Wert für den Zustand der Wirtschaft darstellt.

Meine Bitte: Lasst den Blödsinn mit dem Glücksindex. Erhebt ruhig weiter das Bruttoinlandsprodukt, aber messt ihm keine Bedeutung bei, die es nicht verdient. Kennwerte habe wir schon mehr als genug...

Rezensionen zum Thema:
Ein Kompass, der in die Irre führt, Financial Times Deutschland 18.12.2009
Geld spielt zum Glück keine Rolle, Financial Times Deutschland 14.12.2009
Macht Wachstum glücklich? Financial Times Deutschland 15.12.2009

Montag, 18. Januar 2010

Die Notbremse ziehen

Es ist schon bemerkenswert, dass man immer noch in hochangesehenen Fachzeitschriften Artikel untergebracht bekommt, die uns erklären, worauf man bei der Einstellung neuer Mitarbeiter zu achten habe. Über einen Absatz bin ich allerdings gestolpert. Da ist die Rede davon, dass auch das beste Verfahren nicht verhindern kann, dass man einmal daneben greift.

Zitat: "In diesem Fall fackeln vorbildliche Unternehmen nicht lange und entlassen die nicht passenden Mitarbeiter meist im ersten Jahr. Ein Jahr ist zwar nicht lang genug, um als neuer Manager Großartiges zustande zu bringen. Doch es ist mehr als genug Zeit, um als unfähig entlarvt zu werden."

Dem kann man zustimmen. Allerdings gibt es von diesen vorbildlichen Unternehmen gar nicht so viele, denn dieser Schritt ist alles andere als einfach. Warum?
Die Antwort könnte in einem weiteren Zitat liegen, das dieser Beitrag aus dem Harvard Businessmanager (Ausgabe 6/2009: So holen Sie sich die besten Leute) zu bieten hat. Dort wird empfohlen, regelmäßig zu prüfen, "wer im Unternehmen ein besonderes Händchen für die Beurteilung von Bewerbern hat." Diese sollte man für ihr zuverlässiges Urteil belohnen und die anderen "im Gegenzug für Fehleinschätzungen zur Verantwortung ziehen". Damit werden alle motiviert, sich beim nächsten Mal mehr zu engagieren.

Die Sache mit den Nebenwirkungen

Mal abgesehen von dem einfach gestrickten Menschenbild ist das wieder ein herrliches Beispiel, wie man Nebenwirkungen von Belohnungssystemen unterschätzt. Spielen wir das mal durch:
Da gibt sich jemand große Mühe, den richtigen Kandidaten aus einer Vielzahl von Bewerbungen herauszusuchen. Leider stellt sich im ersten Jahr heraus, dass der Bewerber nicht die Erwartungen erfüllt. Was nun? Kündigt er ihm, dann gehört er zu den "Fehleinschätzern", die zur Verantwortung gezogen werden. Also wird er beide Augen zudrücken und hoffen, dass der Kandidat sich schon irgendwann bewähren wird. Am besten in einer anderen Abteilung. Fällt er dort negativ auf, muss es ja nicht am Einstellungsverfahren gelegen haben.

Na, dann müsste man doch diejenigen belohnen, die konsequent Kandidaten schon im ersten Jahr aussortieren, könnten ganz schlaue "Belohnungsexperten" nun argumentieren. Oder noch besser: Man muss die Kandidaten einfach länger beobachten, alles genau dokumentieren und bei denen, die irgendwann als ungeeignet auffallen, zurückverfolgen, wer sie einmal eingestellt hat.

Im Ernst, all diese Versuche, mit Anreizsystemen Manager zu besseren Recruitern zu machen, sind Murks. Es geht viel einfacher. Man verzichtet auf jede Form der Sanktion gelungener bzw. misslungener Personalentscheidungen, dafür nutzt man die Probezeit, um die Neuen nach einem festen "Fahrplan" einer Einschätzung durch mehrere Kollegen bzw. Vorgesetzte zu unterziehen. Richtig gefragt, wird man sehr schnell herausfinden, wer langfristig weder im Unternehmen glücklich noch das Unternehmen mit ihm glücklich wird.

Und sollte es tatsächlich mal in einem Bereich zu einer Häufung von Fehleinstellungen kommen, dann schaut man sich das Einstellungsverfahren genauer an und optimiert es. Eigentlich sehr einfach.

Rezension zum Thema:
So holen Sie sich die besten Leute, Harvard Businessmanager 6/2009

Samstag, 16. Januar 2010

Maßnahmen gegen den Stress

Wenn in Krisenzeiten gespart wird, dann bedeutet das in vielen Fällen, dass plötzlich weniger Mitarbeiter mehr Arbeit übernehmen müssen. Laut einer Umfrage klagen viel mehr Befragte über Unterbesetzung als in 2008. Dazu kommt Angst vor dem Arbeitsplatzverlust als Stressfaktor.

Bei aller Skepsis gegenüber solchen Umfragen - es klingt zumindest plausibel. Dann folgen weitere Ergebnisse dieser "Studie" (immerhin wurden 6000 Fach und Führungskräfte aus dem Personal- und Finanzwesen in 20 Ländern befragt). Gefragt wurde nach Maßnahmen gegen den Stress. Ich vermute mal, dass es sich um keine offenen Fragen handelte, sondern Alternativen vorgegeben wurden. Und das kam dabei heraus:

45% der Unternehmen machen keine Angeboten gegen Stress.
In 36% der Unternehmen können Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten über eine neue Verteilung der Arbeitsaufgaben diskutieren.
In 19% der Unternehmen gibt es einen Bonus für außergewöhnliche Leistungen.

Wie bitte? Nachvollziehbar erscheint mir noch, dass viele Fach- und Führungskräfte die Aussage unterschreiben, dass in ihrem Unternehmen nichts gegen den Stress unternommen wird. Aber das zwei Drittel dieser Zielgruppe rückmeldet, man könne in ihrem Unternehmen NICHT über eine andere Verteilung der Aufgaben mit seinem Vorgesetzten diskutieren, ist schwer zu glauben. Für mich gibt es drei Erklärungsansätze:

(1) Entweder wird die Diskussion mit dem Vorgesetzten nicht als Maßnahme des Unternehmens gegen Stress verstanden;
(2) oder hier haben die meisten aus eigener Erfahrung gesprochen nach dem Motto: "Ich kann mit meinem Chef nicht darüber diskutieren!";
(3) oder aber die meisten haben resigniert, weil eine solche Diskussion deshalb sinnlos ist, weil eine andere Verteilung bei der Unterbesetzung gar keine Veränderung bewirkt.

Und dann die geniale Maßnahme "Bonus für besonderes Engagement". Das soll ein Mittel gegen Stress sein? Wie ist das denn zu verstehen? Mal abgesehen von allen Vorbehalten gegenüber einem Bonussystem: Gemeint sein kann ja hier nur, dass die Befragten den Bonus als "Schadensersatz" verstehen: Wenn schon Stress, dann wird das Leiden wenigstens durch finanzielle Ausgleichszahlungen "ausgeglichen". Davon kann man sich dann eine kostspielige Rehabilitationsmaßnahme bezahlen. Zynisch? Sicher...

Rezension zum Thema:
Die Wirtschaftskrise nicht zur Mitarbeiterkrise werden lassen, Personalwirtschaft 9/2009

Dienstag, 12. Januar 2010

Sparen mit dem Rasenmäher?

Ein Unternehmen befindet sich in einer kritischen Situation und muss sparen, wenn es überleben will. Aber wie? Eine sehr beliebte Methode: Alle Bereiche werden aufgerufen, X Prozent der Kosten zu reduzieren. Nach dem Motto: Wenn einer, dann alle. Das hat zumindest den Effekt, dass zunächst erst einmal auf allen Ebenen ein Bewusstsein für den Ernst der Lage entsteht. Und dass einige überflüssige Ausgaben tatsächlich reduziert werden. Man kann von der Business-Klasse umsteigen, Bleistifte einmal mehr anspitzen, Papier von beiden Seiten benutzen und die Heizung um ein Grad drosseln.

Aber darüberhinaus? Ist die Rasenmäher-Methode die richtige? Zweifel sind angebracht. Könnte es nicht sein, dass der Vertrieb mit Kostensenkungsmaßnahmen automatisch weniger Umsatz macht, hingegen mit verstärktem Engagement und höheren Investionen die Verluste ausgleicht? Oder dass die Forschung oder Entwicklung mit verstärktem Einsatz ein Produkt früher auf den Markt bringt, während Kostenreduktion den Zeitpunkt nach hinten verschiebt und damit das "Sterben auf Raten" nur noch beschleunigt? Ohne Frage ist auch das Schließen ganzer Produktionsstätten eine Lösung, sozusagen 100%ige Kostenreduktion. Das führt allerdings zu Ärger, zu Demotivation und Frustration bei den Betroffenen. Und zu Angst.

Also doch lieber die Rasenmäher-Methode - da wird wenigstens jeder gleich behandelt und niemand kann sich beschweren, dass es "ungerecht" zugeht. Das mag zwar betriebswirtschaftlich unsinnig sein - aber führt zu weniger Widerstand. Der könnte letztlich noch größeren Schaden anrichten. Eine echte Zwickmühle. Man kann ja auch schlecht zuerst die Anweisung geben: "Alle müssen X % sparen!" und dann, wenn sich herausstellt, dass es extrem gefährlich ist, in der Produktion zu kürzen, diese als Ausnahme zu behandeln. Mit der ersten Ausnahme wäre die Regel außer Kraft gesetzt.

Was bleibt an Möglichkeiten? Das Management muss eine unternehmerische Entscheidung treffen, statt faule Kompromisse nach dem Motto: Wenn alle sparen müssen, kann sich keiner beschweren. Für jeden Bereich muss geklärt werden, welche Ziele zu verfolgen sind: Der eine muss um 50% runter, der nächste schließen, der nächste vielleicht verstärkt investieren. Und die Maßnahmen müssen gut begründet bzw. intensiv diskutiert werden. Das fällt natürlich umso schwerer, je separierter die einzelnen Bereiche voneinander sind und je stärker man vorher auf internen Wettbewerb gesetzt hat. Womit wir wieder bei der Frage der Unternehmenskultur sind. Aber das wäre ein zu umfangreiches Thema für einen Blogbeitrag.

Rezension zum Thema:
Wie die tägliche Rasur, Wirtschaftswoche 50/2009

Sonntag, 10. Januar 2010

Die Welt mit Ideen retten

Das muss ja irgendwie frustrierend sein. Da hat einer die Instrumente in der Hand, um die Welt zu verbessern, aber keiner will sie haben. Zumindest kommt das in den Interviews rüber, die der Kreativitäts-Guru Edward de Bono in mehreren Publikationen verbreitet. Seine These: Seit den alten Griechen wissen wir, wie man logisch denkt und "die Wahrheit" herausfindet, aber wie man neue Ideen entwickelt, das haben wir immer noch nicht gelernt. Dabei hat er uns doch gezeigt, wie es geht. Nur wollen wir nicht auf ihn hören. Warum eigentlich nicht? Sogar die Vereinten Nationen wollten nicht mitspielen, als er ihnen seine Dienste angeboten hat. Das ist bitter.

Auf die Frage, wie man denn nun neue Ideen produziert, kommt in der Regel die gleiche Antwort: Man setzt die Methode der "Denkhüte" ein. Diese führt dazu, dass ein Problem systematisch bearbeitet und anschließend eine Vielzahl von Lösungen produziert werden. Die Methode funktioniert tatsächlich. Wer sie einmal ausprobiert hat, weiß, wie hilfreich es ist, wenn es erlaubt ist, seine Bedenken loszuwerden, wenn man seine Gefühle, seinen Ärger und seine Begeisterung äußern darf und wenn man schließlich zu logisch durchdachten Lösungen kommt. Was hält uns also ab, Besprechungen nach diesem Verfahren zu organisieren?

Ehrlich gesagt: Ich habe keine Idee. Obwohl wir wissen, dass es in jeder Besprechung keineswegs nur um die Sache geht, sondern immer auch um Anerkennung, Macht, Konkurrenz, Image, Selbstdarstellung usw., beharren wir auf der klassischen Form und quälen uns durch lange Tagesordnungen, an deren Ende entweder gar keine Lösungen oder unbefriedigende Kompromisse stehen.

Fakt ist, dass jeder, der vorschlagen würde: "Lasst uns versuchen, unsere Meetings in Zukunft stets nach den "Sechs Hüten" zu organisieren" auf Unverständnis und Kopfschütteln stoßen würde. Zumindest in den meisten Organsisationen. Kennt jemand Gegenbeispiele? Oder hat jemand eine Erklärung hierfür?

Laut de Bono stoßen seine Ideen in China auf reges Interesse und werden schon im Schulunterricht gelehrt. Das ist als Drohung gemeint, denn schon bald werden die Chinesen uns in der Produktion von Ideen im Längen überholen. Wer's glaubt...

Rezension zum Thema:
Kreativität ist lernbar, Wirtschaftswoche 49/2009
Wir denken, um die Wahrheit zu beweisen, Brand eins 11/2009
Brainstorming bringt nichts, Financial Times Deutschland 23.10.2009

Mittwoch, 6. Januar 2010

Vom Sinn der Arbeit

Eine Tabelle im Rahmen einer Umfrage der Wirtschaftswoche irritiert mich. Da hat man "Young Professionals" befragt zu den von ihnen bevorzugten Unternehmen. Unter anderem hat man gefragt: "Welches sind Ihre größten beruflichen Ziele?" Auf Platz 1 erscheint der Begriff "Work-Life-Balance", gefolgt von "Intellektuelle Herausforderung" und "Personalverantwortung". Erst auf Platz 9 taucht "Sinnhaftigkeit" auf - ganze 9,6% haben diesen Begriff gewählt.


Wie kann "Personalverantwortung" wichtiger sein als "Sinnhaftigkeit"? denke ich. Wie kann ich Personalverantwortung haben, ohne dass meine Tätigkeit sinnvoll ist?
Und was ist denn "Work-Life-Balance" für ein berufliches Ziel?
Schauen wir mal näher hin, was bei so einer Frage geschieht.

Mal angenommen, ich werde gefragt, was mein wichtigstes berufliches Ziel bzw. meine drei wichtigsten beruflichen Ziele sind - würde ich nicht als allererstes sagen: Das eigene Überleben bzw. das meiner Familie? Okay, vielleicht hat man diese Alternative gar nicht angeboten, weil sie allzu selbstverständlich ist.

Was würde mir also als zweites einfallen? Wie ich es auch drehe und wende: Es wäre, dass ich etwas Sinnvolles tue. Wieso um alles in der Welt haben nur 9,6% der "jungen Berufstätigen" dieses Ziel angekreuzt? Wohlgemerkt: Hier waren Mehrfachantworten erlaubt (wie viele, wird hier nicht erklärt).

Aber vielleicht hat es ja etwas mit der Fragemethodik zu tun. Also noch einmal: Ich erhalte eine Liste mit einer Anzahl von Begriffen, aus denen ich meine größten beruflichen Ziele auswählen kann. Da taucht dann "Work-Life-Balance" auf - klar, ist mir wichtig. "Intellektuelle Herausforderung" - ist mir auch wichtig.
"Personalverantwortung" - was kann daran so wichtig sein? Status, Macht, Einfluss, Prestige, Karriere, Geld? (Wobei mir auffällt, dass "Gehalt" in der Top 9 Liste gar nicht vorkommt. Hat man vergessen, danach zu fragen?)

Und dann "Sinnhaftigkeit". Und wieder denke ich: Wer kann ernsthaft behaupten, dass "Sinn" keine wichtiges berufliches Ziel darstellt? Haben die "Einsteiger" die Frage nicht verstanden? Mir bleibt nur noch eine Erklärung: Der "Sinn" steckt schon in den anderen Begriffen. In "Work-Life-Balance" geht es um Familie, Freundschaft, Gesundheit und Erfüllung, in "Intellektuelle Herausforderung" um Wissen, Gestalten, Selbstverwirklichung.

Nein, es kann gar nicht anders sein: "Sinn" als eigenes berufliches Ziel muss den meisten der Befragten einfach zu abstrakt gewesen sein, deshalb haben nur knapp 10% diesen Begriff angekreuzt. Hoffe ich wenigstens...

Rezension zum Thema:
Starke Anziehung, Wirtschaftswoche 48/2009

Sonntag, 3. Januar 2010

Putzen mit 70?

Da gibt es eine Reinigungskraft, die vor dem Europäischen Gerichtshof klagt, weil ihr Arbeitgeber, bei dem sie 39 Jahre beschäftigt war, sie mit 66 in Rente schicken will. Während andere schon mit 55 nach Hause geschickt werden und nichts dagegen hätten, noch früher zu verschwinden, möchte sie aber weiter arbeiten. Nun klagt sie wegen Altersdiskriminierung. Wie auch ein Staatsanwalt, der gerne über das 65. Lebensjahr hinaus aktiv sein möchte. Mein erster Gedanke: Was für eine Welt, in der die einen keine Lust mehr haben, weil sie keinen Sinn mehr in dem sehen, was sie tun oder so ausgebrannt sind, dass sie zu Hause bleiben, mit all ihrem Können und ihrer Erfahrung. Und in der andere, die gerne weiter machen möchten, gezwungen werden zu gehen.

Die Gewerkschaften verteidigen diese "Zwangsrente" auch noch damit, dass ein Arbeiten bis 65 ausreicht. Welche Anmaßung.

Doch so einfach ist das nicht. Warum möchte die Reinigungskraft nicht aufhören? Der Grund: Ihre Rente beträgt 230 Euro, davon kann sie nicht leben. Ich erinnere mich mit sehr unguten Gefühlen an meine Zeit als Sportler, in denen ich viel im damaligen Ostblock unterwegs war. Nachts, wenn kaum noch Autos auf den Straßen der großen Städte herumfuhren, sah man dort alte Frauen, dick vermummt, die mit Besen und Kehrblechen die Straßen reinigten. Und als junger Mensch dachte ich: "Was für eine Gesellschaft, die ihre alten Menschen nicht ernähren kann..."

Eine Utopie:

Wir schaffen Arbeitsplätze, an die die Menschen gerne kommen - und die es ihnen ermöglichen, sich nach und nach aus dem Berufsleben zurückzuziehen, so, wie es zu ihrer individuellen Lebensplanung passt.

Wir schaffen Grundrenten, die ein Überleben im Alter sichern (ich finde den Gedanken des bedingungslosen Grundeinkommens übrigens extrem reizvoll...)

Wir überlassen es den Menschen, für sich selbst zu entscheiden, wie lange sie arbeiten möchten.

Ach, was für ein Träumer, der Thönneßen. Vielleicht will der Arbeitgeber des Staatsanwaltes diesen ja loswerden und hat den Moment der Pensionierung herbeigesehnt. Vielleicht ist der Arbeitgeber der Reinigungskraft ja froh, endlich den Arbeitsplatz einsparen zu können. Und beide haben vorher keine Chance auf eine Kündigung gesehen.
Die Sache ist in der Tat weitaus komplizierter. Vielleicht sollte ich mich doch wieder den einfachen Management-Themen zuwenden...

Rezension zum Thema:
Alte machen gegen Ruhestand mobil, Financial Times Deutschland 25.11.2009