Ein sehr vertrautes Thema: Wie sorgt der Freiberufler für die richtige Balance zwischen Arbeit und Freizeit? Das Dilemma ist klar. Der Selbstständige kann sich seine Zeit selbst einteilen - ideal eigentlich, denn dann kann er sich auch die freien Stunden und Tage "genehmigen". Andererseits: Jede Stunde, die er nicht arbeitet, wird auch nicht bezahlt (was beim Angestellten ja eher selten ist.) Da überlegt man es sich dreimal, welche Aufträge man annimmt bzw. wie viel Freizeit man sich gönnt.
Zwei "Studien" haben sich mit dem Thema beschäftigt und Erstaunliches herausgefunden. Die Arbeitszeit hat einen hohen Einfluss auf die "Work-Life-Balance" von Freiberuflern. Soll heißen: Je mehr sie arbeiten, desto größer ist der Work-Life-Conflict. Entsprechend lautet der praktische Tipp: "Eine zeitliche Überforderung sollte ... grundsätzlich vermieden werden." Oha...
Erkenntnis Nr. 2: Der Work-Life-Conflict reduziert sich mit steigendem Einkommen. Soll heißen, dass der Selbstständige weniger Stress und Druck empfindet, wenn er genug verdient. Irgendwie nachvollziehbar, dann muss er sich weniger Sorgen machen, wenn er sich mal eine Auszeit gönnt. Praktische Empfehlung: Unternehmen sollten für eine angemessene Bezahlung sorgen. Anders als beim Angestellten: Er kann noch so viel Geld bekommen - zu mehr Work-Life-Balance führt das nicht automatisch. Nachvollziehbar.
Schließlich Erkenntnis Nr. 3: Eine bewusste Trennung zwischen Arbeit und Privatleben führte laut dieser Studie nicht zu einer besseren Work-Life-Balance. Offenbar hat der "Freelancer" kein so großes Problem mit der Vermischung (bzw. dem Dauerzustand, dass Arbeit und Leben eins sind) wie häufig angenommen.
Ich vermute, das hängt sehr von der Motivation ab. Menschen, die gezwungen wurden, z.B. durch Jobverlust, in die Selbstständigkeit zu wechseln, mögen die strikte Trennung vermissen. Für die anderen scheint es mir eher so zu sein, dass sie die Trennung erst gar nicht als sinnvoll ansehen. Wer das, was er tut, freiwillig und aus Überzeugung macht - warum sollte er sich zwingen, um 18.00 Uhr damit aufzuhören? Hier erscheint mir die erste Erkenntnis dann doch nicht so banal: Belastend dürfte weniger die fehlende Trennung von Freizeit und Beruf sein als vielmehr eine hohe zeitliche Beanspruchung. Und die wiederum hat etwas mit der Fähigkeit zu tun, Prioritäten zu setzen, Nein sagen zu können und es auszuhalten, mit weniger Aufträgen vielleicht auch etwas weniger Geld zu verdienen.
Was zur zweiten "Studie" führt, bei der sieben (!!) Interviews mit Freiberuflern im Zeitraum von einem Jahr (!!) geführt wurden. Hiervon haben sechs berichtet, dass sie sich selbst disziplinieren oder es vorhaben. Z.B. indem sie feste Auftraggeber suchen, Arbeits- und Privatraum trennen, feste Arbeitszeiten einrichten oder ihre Arbeitszeiten aufzeichnen. Das nennen die Autoren "Bürokratiemaßnahmen", wodurch die Freiberufler doch stark den Angestellten ähnlich werden. Sie interpretieren dies so, dass Freiberufler die "hohen Flexibilitätsanforderungen inzwischen kritisch hinterfragen und sich ihnen insgeheim widersetzen, indem sie sich Möglichkeiten zur Begrenzung dieser Flexibilität suchen." Gewagte Hypothese nach einer höchst wissenschaftlichen Untersuchung...
Rezensionen zum Thema:
Flexible Beschäftigungsformen, Zeitschrift Führung + Organisation 6/2012
Arbeit und Leben im Einklang, Zeitschrift Führung + Organisation 6/2012
Dienstag, 22. Januar 2013
In Balance
Eingestellt von Johannes um 14:14:00
Labels: Selbstständigkeit, Wissenschaft, Zeitmanagement
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