Das ist mal ein realistischer Fall. Nach einer Fusion wird das Beurteilungsverfahren geändert. Statt der alten Noten von 1 bis 6 gibt es jetzt A-, B- und C-Mitarbeiter. Nicht weiter schlimm, denn da man auch ein "Plus" vergeben darf, kommt man wieder auf die alten sechs Noten. Also kein Problem, denkt sich die (fiktive) Vorgesetzte und beurteilt wie bisher. Und teilt den Mitarbeitern im Gespräch ihre Einschätzung mit.
Doch dann wird sie zu ihrem Chef gerufen. Dieser erklärt ihr, dass der neue CEO den Eindruck hat, in dem "alten Unternehmen" wird zu gut beurteilt. Mindestens 10% der Mitarbeiter sollten in C landen. C steht für eine "unterdurchschnittliche" Leistung. Mal abgesehen von dem Unsinn einer erzwungenen Verteilung hat die Vorgesetzte nun das spezielle Problem, wie sie ihren Mitarbeitern erklären soll, dass sie ihre Beurteilung revidieren muss. Soll sie es überhaupt tun?
Die Experten in diesem Fall erklären ihr erst einmal, was alles falsch gelaufen ist. Wie immer stellt niemand das System an sich in Frage, sondern alle zeigen, wie man solche Systeme richtig einführt. Interessant an dem Fall ist die Bandbreite der Tipps, wie sie sich persönlich verhalten sollte. Der eine rät ihr, in den sauren Apfel zu beißen, der nächste empfiehlt, einen umfangreichen Change-Prozess zu initiieren, die dritte meint, sie solle standhaft bleiben und sich überlegen, das Unternehmen zur Not zu verlassen.
Der Beitrag brachte eine Erinnerung hoch. Genau diese Situation habe ich selbst einmal erlebt. Mein Chef forderte mich auf, meine Beurteilungen zu revidieren, weil unser Bereich "zu gut" war. Und war alles andere als begeistert, als ich mit dem Argument ablehnte, ich hätte die Mitarbeiter so beurteilt, wie ich sie sehe und ihnen das auch bereits mitgeteilt. Ich bin damals aus der Zwickmühle herausgekommen, ohne das Unternehmen zu verlassen und musste die Beurteilungen auch nicht revidieren. Wie das?
Meine Antwort war: Ich habe meine Beurteilungen abgeschlossen. Wenn jemand (gemeint war natürlich mein Chef) der Meinung ist, dass sie nicht zutreffen und korrigiert werden müssen, dann könne er das ja tun. Und das meinen Mitarbeitern persönlich mitteilen.
Er war wieder alles andere als begeistert, aber verzichtete auf eine Korrektur. Späte erfuhr ist, dass er andere Führungskräfte überzeugt hatte, ihre Mitarbeiter herabzustufen und so den erforderten Durchschnitt zu erreichen.
Organisationen bringen Menschen dazu, die merkwürdigsten Dinge zu tun...
Rezension zum Thema:
Werden die Mitarbeiter gerecht beurteilt? Harvard Businessmanager 9/2010
Samstag, 1. Januar 2011
Beurteilung korrigieren
Eingestellt von Johannes um 18:53:00
Labels: Beurteilung, Führung
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1 Kommentar:
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