Dienstag, 25. Januar 2011

Enttäuschte Erwartungen

Was ist der Unterschied zwischen einem Bonus und einem Incentive? Ein Bonus ist in die Zukunft gerichtet, die Zusage über eine Zahlung für den Fall, dass ein bestimmtes Ergebnis erzielt bzw. übertroffen wird. Ein Incentive hingegen ist eine rückwirkend verteilte Anerkennung einer besonderen Leistung, meist in Form von Sachprämien, Reisen, Events etc.

Blödsinn. Beides funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Mit dem einzigen Unterschied, dass man bei einem Bonus Kriterien festlegt, die nachprüfbar sind: "Wenn du x% mehr verkaufst, beträgt dein Bonus..." Der auf diese Weise "geköderte" Mitarbeiter kann seine Aktivitäten daran ausrichten. Über die Nebenwirkungen solcher Systeme ist schon viel diskutiert worden, ich habe mich oft genug dazu ausgelassen.

Und Incentives? Ich wage mal einen Vergleich. Sie schenken Ihrem Ehepartner zum ersten Hochzeitstag einen dicken Blumenstrauß und führen ihn ins Drei-Sterne-Restaurant. Im zweiten Jahr gibt es wieder einen großen Blumenstrauß und einen Opernbesuch. Im dritten Jahr kommen sie mit einer einzelnen Rose - oder vergessen den Tag ganz. Was passiert?

Ich denke, mit Incentives ist es ähnlich. Wenn Sie einmal damit beginnen, erzeugen Sie Erwartungen. Da können Sie noch so oft betonen, dass es kein "Anrecht" darauf besteht. Und es gibt wohl wenig, was schlimmer ist als enttäuschte Erwartungen...

Und dann gibt es da noch eine ganz besondere Variante: Wettbewerbe. Im Außendienst besonders beliebt. Die besten 10 Verkäufer dürfen zum Champions-League Finale zusammen mit dem Vorstand. Oder fahren mit Rennwagen gemeinsam über den Nürburg-Ring. Das wird - ähnlich wie der Bonus - vorher angekündigt, dann legt sich der Vertrieb so richtig ins Zeug. Funktioniert angeblich prima.

Mir sträuben sich bei solchen Methoden immer die Nackenhaare. Mich hat einmal ein Personaler in einem Workshop zum Thema "Zielvereinbarungssysteme" gefragt, ob ich denn wirklich glaube, dass sich Menschen ohne solche Anreize voll und ganz für ihr Unternehmen einsetzen würden. Er fände es ja auch schön, wenn man ohne Prämien, Zielvereinbarungssysteme und komplizierte variable Entlohnungsmodelle auskäme, aber nach seiner Erfahrung seien die Menschen nun mal anders.

Die Antwort lautete sinngemäß: Es ist die Frage, was hier Ursache und was Wirkung ist. Wenn Sie Mitarbeiter wollen, die ihre volle Leistung nur dann bringen, wenn man ihnen entsprechende Möhren vor die Nase hängt, dann behalten Sie diese Systeme. Und variieren Sie die Möhre, machen Sie sie jedes Jahr ein Stückchen größer und leben Sie mit den Nebenwirkungen.
Wenn Sie möchten, dass sich die Menschen in Ihrem Unternehmen für gemeinsame Ziele engagieren, weil sie darin einen Sinn sehen, dann schaffen Sie sie ab.

Was "Incentive-Wettbewerb" betrifft: Auch da muss man sich überlegen, ob man eine Mannschaft, die zusammen ein Ziel erreichen will, haben möchte, oder ob man Einzelkämpfer, die in Konkurrenz zueinander stehen, vorzieht. Und denen man immer wieder neue Sensationen bieten muss.

Nebenbei bemerkt: Natürlich soll man Erfolge feiern. Ob man mit seiner "Mannschaft" essen geht, eine gemeinsame Tour unternimmt - was auch immer. Die Grenze zwischen "Erfolge feiern" und "Incentives verteilen" ist dabei sicherlich fließend. Eine Frage der Kultur...

Rezension zum Thema:
Bonbons für die Mitarbeiter, acquisa 11/2010
Geld darf nicht verführen, managerSeminare 12/2010

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