"Fortschritt und Hierarchien - das verträgt sich kaum noch!" Das klingt nach einem spannenden Artikel. "Statt auf Hierarchien setzen Unternehmen auf Kooperation oder teilen ihr Wissen mit Branchenfremden!" Wow. Das hat mich neugierig gemacht, wie Sie sich denken können. Der Autor der Wirtschaftswoche versprach noch mehr, nämlich "kühne Konzepte hiesiger Vorreiter-Unternehmen".
Los geht's. Aber ach. Da taucht doch tatsächlich Ricardo Semler, CEO des brasilianischen Konzerns SEMCO auf. In seinem Unternehmen darf jeder Mitarbeiter zu einem Thema seiner Wahl eine Besprechung einberufen und dafür im Intranet Werbung machen. Wer sich für das Thema interessiert, nimmt teil. Eine schöne Idee. Zum ersten Mal gelesen habe ich davon 1993 in dem wirklich spannenden Buch "Das Semco-System", das leider nicht mehr zu kriegen ist (bin froh, ein Exemplar noch mein eigen nennen zu können).
Etwas weiter findet sich das Software-Unternehmen Itemis, das seinen Mitarbeitern einen Tag pro Woche zur eigenen Fortbildung einräumt - 4+1 nennt sich das System. Ein guter Ansatz, habe ich auch schon mehrfach gelesen. Schließlich Gore, das amerikanische Unternehmen (zuvor wurden Microsoft und Procter & Gamble vorgestellt, hiesige Unternehmen eben), das auf Hierarchien und Titel verzichtet und sich immer dann teilt, wenn eine Produktionseinheit an die 200 Mitarbeitergrenze gerät. Auch ein interessanter Ansatz, der die Schwerfälligkeit der großen Konzerne verhindern soll.
Was mich stutzig macht und irritiert: So spannend die Ansätze sind (wobei das Vorschlagswesen der Deutschen Post mir auch kein revolutionärer Ansatz zu sein scheint) - wie kommt es nur, dass man immer die gleichen Beispiele zu lesen bekommt? Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass wir noch sehr weit weg von Organisationen ohne Hierarchien und Titel sind.
Der Verdacht wird auch in dem erwähnten Beitrag bestätigt. Procter & Gamble fädelte einen "spektakulären Deal" ein: Man tauschte über mehrere Wochen hinweg Mitarbeiter mit Google, um so von der jeweils anderen Kultur zu profitieren. Heraus kam eine Online-Marketing-Kampagne, bei der die Kunden aufgefordert wurden, die Werbespots von P&G durch den Kakao zu ziehen. Ein durchschlagender Erfolg - aber warum (Zitat) "hat Procter seitdem seine Mitarbeiter nicht mehr in andere Unternehmen geschickt"?
Hierarchien und Titel scheinen mir weitaus widerstandsfähiger zu sein, als solche Beiträge es nahelegen...
Rezension zum Thema:
Aufbrechen, bevor das Denken zementiert, Wirtschaftswoche 47/2010
Freitag, 7. Januar 2011
Kühne Konzepte
Eingestellt von Johannes um 00:06:00
Labels: Innovationsmanagement, Unternehmenskultur, Veränderung
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen