Da staunt der Leser: Alles kommt irgendwann wieder. Im Zuge der vielen Veröffentlichungen zum Thema "Gesundheitsmanagement" hat ein Unternehmen das "Krankenrückkehrgespräch" ausgegraben. Ich kann mich dunkel erinnern: Es muss fast 20 Jahre her sein, als ich das erste Mal mit der Idee konfrontiert wurde. Und genau wie in dem Beitrag von 2010 haben wir damals Führungskräften beigebracht, wie man mit Mitarbeitern spricht, die nach einer Krankheit wieder am Arbeitsplatz erscheinen.
Eine typische Personalentwickler-Idee: Man entdeckt ein (vermeintliches) Defizit: Unsere Führungskräfte reden nicht mit ihren Mitarbeitern nach überstandener Krankheit, ein kurzes "Ah, auch wieder da?" muss genügen. So geht es natürlich nicht. Also setzt man einen Prozess auf, mit konkreten Vorgaben für den Ablauf und einem Gesprächsleitfaden. Ohne einen solchen fühlen sich die Vorgesetzten einfach verloren.
Dieser Leitfaden sieht vor, dass die Führungskraft erst einmal ihre Freude über die Rückkehr des Mitarbeiters zum Ausdruck bringt. Wörtlich: "Es freut mich, dass Sie wieder da sind. Wir haben Sie letzte Woche vermisst. Wie geht es Ihnen? Konnten Sie sich gut auskurieren?" Und sich anschließend erkundigt: "Könnte es sein, dass Ihre Erkrankung mit den Bedingungen am Arbeitsplatz zusammenhängt?" Um schließlich Hilfe anzubieten: "Haben Sie noch etwas auf dem Herzen? Möchten Sie gerne noch über ein anderes Thema sprechen?"
Die (verordnete) Freude und das (ernsthafte) Interesse sollte natürlich nicht zwischen Tür und Angel zum Ausdruck gebracht werden, sondern in einem ruhigen Raum, ungestört von Anrufen und Unterbrechungen. All das wird im Rollenspiel trainiert. Kein Scherz, haben wir Anfang der 90er Jahre auch gemacht.
Und die Praxis? Natürlich gibt es Führungskräfte, die nicht einmal wahrnehmen, dass ein Mitarbeiter länger abwesend war. Oder die im Vorübergehen den Rückkehrer mit einer Floskel "willkommen heißen". Das hat etwas mit schlechter Kinderstube zu tun. Aber kann man das durch die Einführung des "Rückkehrgesprächs" ändern? Das sieht dann so aus:
"Hallo Willi, auch wieder da? Hörmal, du weißt ja, wir müssen ein Rückkehrgespräch führen. Haben wir hiermit erledigt, einverstanden?"
Oder so: "Ah, Willi, da bist du ja wieder. Komm bitte mal in mein Büro, ich möchte mit dir ein Rückkehrgespräch führen." - "Ach, nicht schon wieder. Ich hatte die Grippe, die Kollegen haben mir schon erzählt, was sich getan hat, und mit der Arbeit hat das auch nichts zu tun. Sonst noch was?"
Bei dem Unternehmen, das das Rückkehrgespräch eingeführt hat, gehören diese Gespräche zu den Pflichten der Vorgesetzten. Angeblich stieg die gegenseitige Anerkennung. Da hätte man zu gern erfahren, woran man das wohl festmacht.
Bleibt die Feststellung: Führungskräfte, die ein ernsthaftes Interesse an Menschen haben, müssen kaum geschult werden. Den Rest mit einem Instrument zu erziehen, halte ich für vergebliche Liebesmühe.
Rezension zum Thema:
Mit Rückkehrgesprächen gegen Absentismus, Personalwirtschaft 12/2010
Sonntag, 30. Januar 2011
Rückkehrgespräche
Eingestellt von Johannes um 18:22:00
Labels: Anstand, Führung, Kommunikation
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2 Kommentare:
Hallo Herr Thönneßen!
Sicher haben Sie Recht: Das Rückkehrgespräch ist kein Ultra-Modernes Instrument, welches alleinigen Segen bringt. Dennoch würde ich es auch nicht als alten Wein in neuen Schläuchen bezeichnen wollen.
Das Gespräch ist Teil der Führungsaufgabe. Sind Führungskräfte nicht von Haus aus dazu in der Lage, ist es durchaus Pflicht des Unternehmens, sie dahingehend zu unterstützen. Das hat nichts mit Erziehung zu tun, sondern mit der Verantwortung des Unternehmens, dafür Sorge zu tragen, dass seine Führungskräfte den Anforderungen an diese Position gerecht werden. Nicht nur, was technische Dinge angeht sondern auch menschliche. Es wäre schade, würden Unternehmen auf dem Standpunkt stehen "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr" . Letztendlich könnten dann auch alle anderen Führungs- und Kommunikationsseminare für überflüssig erklärt werden, denn wenn es einer nicht von Haus aus kann, dann klappt´s eh nicht mehr.
Was die Sinnhaftigkeit und/oder Wirksamkeit des Rückkehrgesprächs angeht: Dies steht und fällt natürlich mit der Art und Weise, wie im Unternehmen damit umgegangen wird. Artet es in eine Verfolgung der Kranken aus, ist es verschwendete Zeit.
Ich habe in meiner Praxis unzählige Gespräche geführt. Viele, die nicht zum gewünschten Erfolg führten aber auch viele, die dem meist langzeiterkrankten Mitarbeiter eine Rückkehr in den Betrieb ermöglichten. Und für jeden einzelnen ist es lohnend, solche Gespräche zu führen. Mitarbeiter sollen nach Möglichkeit zurück geholt werden und das Gespräch zu suchen, ist der erste Schritt in diese Richtung.
Auch veränderte Krankheitsbilder, verstärkte psychische und psychosoziale Probleme der Mitarbeiter fordern immer mehr das Gespräch, um gemeinsam Lösungen zu finden. Dieses anzusprechen fällt den Führungskräften schwer, so dass entsprechende Seminare im Vorfeld die Scheu nehmen können.
Rückkehrgespräche sind nicht zuletzt deshalb so verteufelt, weil es neben dem Aspekt der Fürsorge gegenüber dem Mitarbeiter auch den arbeitsrechtlichen Aspekt gibt. Die meisten haben bei diesen Gesprächen die sog krankheitsbedingte Kündigung im Kopf. Dieses ist jedoch erst die ultima ratio, das Ende, wenn wirklich eindeutig ist, dass der Mitarbeiter seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, das Erbringen seiner Arbeitsleistung nicht mehr erfüllen kann.
Das Gespräch soll ja gerade das Gegenteil bewirken, nämlich dass gemeinsam überlegt werden kann, wie der Mitarbeiter zu unterstützen ist. Trotz allem dient es aber für den Fall der Fälle, eben der Kündigung, auch dem Arbeitgeber nachweisen zu können, dass er seiner Fürsorgepflicht nachgekommen ist. Dies muss beim Integrationsfachdienst, bei Gericht und bei allen beteiligten Stellen nachgewiesen werden. Der Arbeitgeber ist gesetzlich bei einer Abwesenheit von 6 Wochen (verteilt oder am Stück) sogar dazu verpflichtet, denn es ist Teil des in § 84 Abs2 SGB IX vorgeschriebenen Eingliederungsmanagements.
Statt also etwas als veraltet und unsinnig zu belächeln, sollte die Grundidee aufgegriffen und den neuen Anforderungen angepasst werden. Klar wird durch ein Gespräch keiner gesund, aber als positiver Mensch sehe ich die Chancen, notwendige Unterstützung in diese Richtung zu geben.
Mit herzlichen Grüßen
Claudia Kreymann
Hallo Frau Kreymann,
dass man sich nach der Rückkehr mit einem Langzeiterkrankten etwas ausführlicher unterhält, halte ich für absolut normal und eigentlich selbstverständlich. Auf jeden Fall dann, wenn man als Vorgesetzter die ganze Zeit keinerlei Kontakt hatte, was ja vorkommen soll.
Aber ein "Standard-Rückkehrgespräch" ist nach meiner Erfahrung - wie viele der auferzwungenen Führungsgespräche - kaum authentisch. Höchstens bei jenen, die ohnehin mit ihren Leuten reden. Die aber haben es am wenigsten nötig...
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Thönneßen
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