Sonntag, 2. Dezember 2012

Nur mit Werten zum Erfolg?


Ich sitze hier schon über eine Stunde und habe den Beitrag schon mehrfach gelöscht und von vorne begonnen. Es geht um Werte und darum, dass Unternehmen, die sich zu Werten wie Gerechtigkeit, Maß halten, Tapferkeit und Klugheit bekennen, auch wirtschaftlich erfolgreich sein können. Mehr noch: Wer sich solchen Werten verpflichtet fühlt, wird langfristigen wirtschaftlichen Erfolg ernten. So gehört auf der DVD des Vortrags von Pater Anselm auf den Petersberger Trainertagen 2012.

Irgend etwas stört mich an der These, und so langsam dämmert mir auch, was das ist. Früher haben sich die Kirchenmänner hingestellt und verkündet: "Seid bescheiden, verzichtet auf Luxus und Verschwendung, bleibt demütig und haltet Maß, und es wird euch im Himmelreich gedankt."

Heute lautet die Botschaft anders: "Seit gerecht, klug, tapfer und haltet Maß, dann wird euch wirtschaftlicher Wohlstand schon auf Erden zuteil." Es sind die gleichen verführerischen Predigten, und die Welt der Wirtschaftslenker sitzt und lauscht andächtig. Und geht anschließend mit gutem Gewissen nach Hause. Na also, es geht doch beides: Gut sein und Wohlstand erlangen. Und dass es keine vollständige Gerechtigkeit und Fairness geben kann, das hat der Pater auch noch gesagt. Ein bisschen ungerecht ist nicht schlimm, solange man nach Gerechtigkeit strebt.

Es mag stimmen, dass es Unternehmen gibt, die fair zu ihren Kunden sind, die die Ressourcen der Welt nicht ganz so drastisch ausbeuten und mit den Kräften der Mitarbeiter schonend umgehen. Und darunter wird es auch solche geben, die dem Unternehmer einen respektablgen Gewinn bescheren. Aber ist all das die Voraussetzung, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Würde sich ein Apple-Manager nicht schlapp lachen angesichts der Milliarden auf den Konten, würde er zu hören bekommen: "Sorgt dafür, dass eure Zulieferer ihre Mitarbeiter fair behandeln, dann werdet Ihr Reichtum auf Erden ernten?"

Was würde wohl passieren, wenn der Pater sich hinstellt und verkündet: "Ihr Manager und Unternehmer, welchen Nutzen könntet Ihr für die Welt stiften, wenn Ihr nicht all eure Energie auf das Erzielen von Gewinnen ausrichten würdet, auf das Mehren des Wohlstandes eurer Inhaber und Aktionäre? Wie viel besser könnte es auf der Welt zugehen, wenn Ihr, statt geniale Preisstrategien und Marketingkampagnen zu entwickeln, auf den Nutzen für die Gemeinschaft schauen würdet?"

Ich fürchte, er würde zu keinem Kongress mehr eingeladen. Da wählt er doch lieber den Weg durch  die Hintertür. Und erklärt, dass Werte wie Glaube, Hoffnung und Liebe nicht nur keinen Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg darstellen, sondern ihn sogar erst möglich machen. Ist ja auch irgendwie glaubwürdiger als das Himmelreich in Aussicht zu stellen.

Damit ist er nicht allein. Immer wieder lesen wir, dass es sich (finanziell) lohnt, nachhaltig zu wirtschaften, Mitarbeiter anständig zu behandeln, zu vertrauen statt zu kontrollieren - all eben die Tugenden hochzuhalten, die seit der Antike als vorbildlich gelten.

Wenn es aber so ist, dass eben diese Werte erst den wahren wirtschaftlichen Erfolg ausmachen,  warum haben sie sich dann bisher nicht durchgesetzt? Könnte es sein, dass sie sich eben doch manchmal (oder sogar meist?) nicht mit Gewinn, Macht und vollem Bankkonto vertragen? Und dass die Botschaft eben doch lauten sollte: "Überlegt euch, ob es neben dem wirtschaftlichen Erfolg vielleicht Dinge gibt, für die es sich lohnt zu arbeiten und zu investieren? Selbst wenn das bedeutet, auf so manchen großen Auftrag zu verzichten..."

4 Kommentare:

Christoph Schlachte hat gesagt…

Da ist was dran. Durchgesetzt hat sich das bisher noch nicht. Doch es gibt ja Beispiele, die zeigen, dass Unternehmer sein und Werte (Umwelt, Qualität, Führung, Kundenorientierung) möglich sind.

Wir Verbraucher haben auf der anderen Seite auch Chancen mehr Unternehmen bewusst zu wählen, die so handeln (produzieren, Mitarbeiter und Zulieferer behandeln, etc. ) wie wir es gern hätten.

Meist ist das dann teurer. Bewusster "teuerer Kaufen" kann dann auch zu "guten Gefühlen" führen.



Unknown hat gesagt…

Entscheidend für die Beurteilung, was sich lohnt, ist auch der Fokus. Solange Schäden und Spätfolgen, die gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich verursacht werden, außer Betracht bleiben können, wird sich nachhaltiges Handeln nicht durchsetzen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Atomenergie. Erst durch Fukushima ist die Bewertung der Atomenergiewirtschaft in der deutschen Öffentlichkeit nachhaltig verändert worden.

Christiane Grabow hat gesagt…

Danke, Herr Thonneßen, für Ihren Mut mit diesem Thema auch einen der Großen, Pater Anselm, persönlich anzusprechen.
Leben und Wirtschaften nach Werten kann Vorteile bringen - aber eben auch Nachteile. Das zu erwähnen, finde ich ehrlich.
Wohl unstrittig füllt solches die Seele mit Wohlgefühl. Die Füllung des Bankkontos erfolgt leider weniger spontan und zuverlässig.

Johannes Stahl hat gesagt…

Sehr geehrter Namensvetter,
die Stunde, die Sie über diesem Beitrag gebrühtet haben, hat sich gelohnt! Danke für diesen mutigen Beitrag, auf den mich der Leiter der Akademie für christliche Führungskräfte, Dr. Volker Kessler, hingewiesen hat. "Nutzen für die Gemeinschaft" ist für mich eine konkrete Übersetzung des Wertes "Liebe". Nicht immer führt das zu wirtschaftlichem Erfolg, aber immer führt es zu mehr Achtung und Wertschätzung. Dazu gibt es bemerkenswerte Initiativen wie z.B. "anders-wachsen.de".