Sie argumentieren gerne und sind tatsächlich noch der Meinung, man könne andere mit sachlichen Argumenten überzeugen? Böser Fehler. Argumente werden ebenso wie Fakten gnadenlos überschätzt. Entscheidend ist, den anderen emotional zu überzeugen, und Zahlen und Fakten sind das letzte, was uns emotional berührt. Was dann?
Geschichten. Wenn es Ihnen gelingt, die Fakten zu einer Geschichte zu verweben, dann erreichen Sie das Gehirn Ihres Gegenübers. Oder besser: Sein limbisches System. Dort nämlich wird das Gehörte erst emotional aufbereitet, ehe es im Großspeicher ankommt.
Auf dem Weg dahin kann man in einige Fettnäpfchen treten. Negativ besetzte Worte wie "Altersheim" haben in den Geschichten nichts zu suchen, suchen Sie unbedingt nach positiven Begriffen ("Seniorenresidenz" z.B.).
Weitere Tipps: Produzieren Sie beim anderen "Jas". Wenn Sie zustimmendes Kopfnicken bei Ihrem Kontrahenten erzeugen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Allgemein gültige Sprüche eignen sich dazu gut. Wollen Sie etwa für Teamarbeit argumentieren, sagen Sie: "Vier Augen sehen mehr als zwei." Solche Sätze (auch "Topos" oder "Allgemeinplatz" genannt) sind so allgemein, dass sie für wahr gehalten werden. Wenn der Gegner dann antwortet: "Viele Köche verderben den Brei!" steht es allerdings Unentschieden.
Vermeiden Sie einschränkende Begriffe wie "eigentlich" oder "gewissermaßen" – das signalisiert Unsicherheit. Gut geeignet sind hingegen Worte, die eine Regelhaftigkeit andeuten wie "normalerweise" oder "grundsätzlich".
Wiederholen Sie Ihre Argumente, ruhig mehrfach. Das Hirn braucht seine Zeit, um die entsprechenden Nervenzellen fest zu verdrahten – einmal gehört reicht da nicht.
Und schließlich: Vermeiden Sie das Wort "aber" bzw. Sätze wie "Da muss ich widersprechen." Stattdessen verwenden Sie "jedoch" oder "allerdings" und beginnen mit: "Ein guter Ansatz, auf der anderen Seite jedoch..."
Die Tipps stammen aus einem Artikel, den ich heute las. Bei solchen "Ratgebern" zucke ich in der Regel zusammen. Weil sie suggerieren, dass es nicht auf den Inhalt, sondern das "Wie" ankommt. Allzu leicht kann hier der Eindruck entstehen, man kann den größten Unsinn reden, um zu überzeugen, muss man nur die richtige Rhetorik einsetzen. Offenbar haben viele Politiker diese Lektion gelernt. Man möge nur einmal, mit diesen Tipps ausgerüstet, den "Argumenten" der meisten Politiker lauschen.
Anders herum wird ein Schuh daraus (schöner Topos, oder?). So mancher hat vielleicht gute Argumente, aber weil er rhetorische Kniffe ignoriert bzw. für überflüssig hält, scheitert er in der Diskussion. Wer zu rhetorischen Mitteln greift, ohne wirkliche Sachargumente und Fakten auf seiner Seite zu haben, der sollte lieber die Klappe halten. Daher stimmen die Sätze "Argumente wiegen in Diskussionen sehr viel weniger als gemeinhin angenommen" und "Wichtiger ist es, dass Sie strategisch klug vorgehen..." wohl kaum.
Kurz vor Feierabend in der Fußgängerzone
Das folgende Ereignis, das ich gestern auf der Fußgängerzone beobachten konnte, hat mich noch einmal zum Nachdenken gebracht. Ein Geschäftsmann hatte sein Auto vor seinem Laden geparkt, um Kisten auszupacken. Laut Hinweisschild aber ist das Befahren der Fußgängerzone nur bis 9.00 Uhr und nach 19.00 Uhr erlaubt. Folglich sah er sich kurz darauf einer Politesse gegenüber, die in aller Ruhe ihren Apparat zum Protokollieren des ungeheuren Vorgangs bediente.
Der Geschäftsmann stürzte auf sie zu, es entstand eine heftige Diskussion (heftig von seiner Seite, eher gelassen von der Gegenseite), nach der er laut schimpfend in sein Geschäft zurückkehrte. Um kurz darauf wieder herauszulaufen und nach der Höhe des Bußgeldes zu fragen. Als er mit "30 Euro" konfrontiert wurde, eilte er wieder auf sie zu und ereiferte sich erneut. Zwecklos, egal welches Argument er auch vorbrachte.
Unser Geschäftsmann hatte eigentlich nur ein Argument: Er wollte früh nach Hause und deshalb nicht bis 19.00 Uhr warten. Kein allzu gutes, sicher. Aber wer weiß – hätte er es mit den oben aufgeführten rhetorischen Mitteln vorgetragen – vielleicht hätte er die Buße zumindest reduzieren können.
Rezension zum Thema:
Diskutieren ohne Sachargumente, managerSeminare Juli 2012
Mittwoch, 19. September 2012
Wie man ohne Sachargumente überzeugt
Eingestellt von Johannes um 16:55:00
Labels: Kommunikation
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