Je größer eine Organisation, desto komplexer die Prozesse. Leider lässt sich Komplexität nicht steuern. D.h. man kann versuchen, steuernd einzugreifen, aber selten lässt sich vorhersehen, wie sich diese Eingriffe auswirken. Was daran liegt, dass niemand weiß, wie bestimmte Teile miteinander zusammenhängen und welche Wechselwirkungen es zwischen ihnen gibt. Was aber tut ein Manager, wenn er nicht managen kann? Er gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass die Mitarbeiter "die für komplexe Herausforderungen gemeinsam kreative Lösungen entwickeln können."
Ein sehr vereinfachtes Beispiel:
Angenommen, in einem Bereich treten seltene Ereignisse auf, die für Ärger in den Abläufen sorgen. Ich kann nun versuchen, für jedes dieser Ereignisse eine klare Handlungsanleitung zu verfassen, Gegenmaßnahmen entwickeln und auf diese Weise "steuernd" eingreifen. Ich kann aber auch dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich regelmäßig über ihre Arbeit austauschen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dabei auch eine Information weiter gegeben wird, wie man in einem bestimmten kritischen Ereignis zu verfahren hat. So viel zur Regel Nr.1, die die Boston Consulting Group zur Gestaltung eines entsprechenden Umfeldes gefunden hat: "Verstehen, was die Kollegen tun!"
Im gleichen Beitrag findet sich ein Kasten, in dem erklärt wird, was man lieber vermeiden sollte. Diese fünf "Regeln" sind eine nähere Betrachtung wert:
Führen Sie keine neuen Prozesse oder Ebenen ein, wenn es nicht absolut notwendig ist.
Heißt nichts anderes als: Machen Sie es nicht komplexer als es ohnehin schon ist.
Lasten Sie Probleme niemals der Mentalität oder Einstellung Ihrer Mitarbeiter an.
Habe ich schon immer merkwürdig gefunden, wenn sich Manager über ihre Mitarbeiter, für die sie verantwortlich sind, beklagt haben.
Lassen Sie nicht zu, dass Entscheidungen nach oben delegiert werden.
Wie war das mit dem Minuten-Manager und dem Klammeraffen? Ein ganz alter Hut.
Verlassen Sie sich nicht auf finanzielle Anreize.
Versuchen Sie nicht, bestimmte Verhaltensweisen zu messen.
Nr. 4 und 5 sind spannend. Die Berater warnen bei finanziellen Anreizen vor erheblichen Nebenwirkungen und empfehlen, lieber direkte Feedbackschleifen einzuführen. Wenn inzwischen sogar Strategieberater, die einst glaubten, mit Aktienoptionen die Leistungen von Managern steuern zu können, plötzlich erkennen, dass die Geschichte mit den Anreizsystemen ihre Tücken hat, dann ist in der Tat Hoffnung in Sicht.
Noch erstaunlicher ist der letzte Tipp. Hier heißt es: "Das nützlichste Verhalten - Kooperation - lässt sich nicht messen." Sieh an, sieh an. Was ist aus dem Credo "Nur was sich messen lässt, lässt sich auch managen" geworden? Während woanders noch fleißig beurteilt wird und Noten nach vorgegebenen Verhaltenskriterien verteilt werden, heißt es hier plötzlich: "Konzentrieren Sie sich auf Ergebnisse und setzen sie auf Ihr eigenen Urteilsvermögen statt auf quantitative Messungen."
Das ist nun mal in der Tat eine weise Erkenntnis. Und ein Anlass, sich doch arg zu wundern, woher auf einmal diese Weisheiten stammen.
Rezension zum Thema:
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser, Harvard Business Manager 11/2011
Mittwoch, 29. Februar 2012
Wider die Komplexität
Eingestellt von Johannes um 12:48:00
Labels: Unternehmensberatung
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2 Kommentare:
Vielleicht noch ein Zitat zum Thema Prozesse. "Prozesse in Unternehmen sollten die Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen und ihnen dienen - keinesfalls umgekehrt."
"Versuchen Sie nicht, bestimmte Verhaltensweisen zu messen" - warum auch? Was zählt sind doch in erster Linie die Ergebnisse. Ein Zitat aus dem Agilen Manifest, das seinen Ursprung in der Software Entwicklung hat: "Individuals and interactions over processes and tools.
Working software over comprehensive documentation"
Den Grad der Zielerreichung kann man auch mit einfachen Methoden messen. Das umfangreiche Controlling von hunderten kleinstschrittigen Arbeitspaketen erhöht dagegen in erster Linie die Kompliziertheit und Komplexität der Managementprozesse. Der Versuch, aus den hieraus gewonnenen Zahlen eine Aussage über den Prozesserfolg ziehen zu wollen, erscheint daher mehr als fraglich.
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