Ich kann mich gut erinnern. Vor 25 Jahren arbeitete ich in einem Unternehmen, das recht gut für seine Mitarbeiter sorgte. Besonders beliebt: Die Jahresprämie. Jeder Mitarbeiter erhielt einen bestimmten Betrag überwiesen, wobei das Gesamtbudget für den Bonus vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens im vergangenen Jahr abhing, der Einzelbetrag einen Prozentsatz vom Jahresgehalt betrug.
Soll heißen: Hatte das Unternehmen viel Geld verdient, bekam man eine hübsche Summe überwiesen, wobei diejenigen, die ein hohes Jahresgehalt bezogen, entsprechend mehr bekamen. Das war nicht immer gerecht, denn die Fixgehälter orientierten sich doch sehr am Senioritätsprinzip. Aber so war das eben...
Dann kamen die Zeiten, in denen die Prämien nicht nach Gesamterfolg berechnet wurden, sondern jeder Geschäftsteil seine eigenen Zahlen ermittelte. Mit der Folge, dass Kollegen, die eng zusammen arbeiteten und ähnliche Tätigkeiten verrichteten, aber zu unterschiedlichen Geschäftsfeldern gehörten, sehr unterschiedliche Boni erhielten. Nicht immer nachvollziehbar, aber so war das eben...
Und schließlich ging es los mit den individuellen Zielvereinbarungen, die ganz oben begannen und Schritt für Schritt in einem unglaublich mühsamen und bürokratischen Prozess nach ganz unten "heruntergebrochen" wurden. Zum Jahresende bzw. Jahresanfang fanden dann die Zielvereinbarungsgespräche ab, in denen dem begeisterten Mitarbeiter auch sein Zielerreichungsgrad mitgeteilt wurde. Dieser war dann maßgeblich für die individuelle variable Entgeltkomponente.
Zurück auf Null
Ich schätze, das erging vielen Mitarbeitern in vielen Unternehmen ähnlich. Mit für manchen "Entgeltstrategen" höchst unerwünschten Folgen: Am Ende eines Jahres belief sich der Zielerreichungsgrad auf durchschnittlich nahe 100% - mitunter deutlich darüber. Das allerdings korrelierte nicht unbedingt mit dem Unternehmensergebnis. Die Ursachen hierfür mag man sich selbst ausrechnen.
Mit anderen Worten: Von variabler Vergütung also keine Spur, man steckte im Korsett des eigenen Systems fest. Wenn jeder seine Ziele erreichte und die entsprechende Prämie erhielt - wozu dann nur die schrecklich lästigen Prozesse?
Genau das hat offensichtlich irgendjemand bei Infineon begriffen. Und dafür gesorgt, dass die Bewertung der Zielerreichung mit Bezug zur Prämie abgeschafft wurde. "Weltweiter Neustart" heißt der lustige Beitrag im Personalmagazin, in dem die "Erfinder" des "neuen" Systems entwaffnend offen von ihren "Erkenntnissen" berichten.
Übrigens führt die Orientierung der Prämie rein am Unternehmensergebnis dazu, dass die Fixgehälter wieder einen höheren Anteil haben, denn der Einzelne kann ja das Gesamtergebnis nur bedingt beeinflussen.
Lernfähig, könnte man dazu sagen. Ich finde es eher bitter, denn dass es genauso laufen würde, haben kluge Menschen schon vor 25 Jahren gewusst...
Rezension zum Thema:
Ein weltweiter Neustart, Personalmagazin 11/2011
Donnerstag, 16. Februar 2012
Rolle rückwärts
Eingestellt von Johannes um 20:39:00
Labels: Entlohnung, Zielvereinbarungen
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