Donnerstag, 29. September 2011

Hobbypsychologen

Das ist doch sehr erfreulich: Immer häufiger finden psychologische Themen Eingang in die einschlägige Wirtschaftspresse. Vor einigen Wochen erklärte uns die Wirtschaftswoche psychologische Alltagsphänome ("Eigentlich bin ich ganz anders", Ausgabe 27/2011), jetzt hat sie die Psychopathen unter den Managern aufgetrieben ("Wahnsinns-Typen", Ausgabe 36/2011). Aber wie das so ist, wenn Laien über ein Fachthema schreiben: Heraus kommt eine Menge Unsinn. Der leider zum Teil sogar gefährlich ist.

Eine amerikanische Studie hat herausgefunden, dass der Anteil an Psychopathen unter Managern höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Deutlich höher, nämlich bei 6% im Vergleich zu 1%. Das liest sich dann so: "Immerhin neun Führungskräfte hatten mehr als 25 Punkte, davon acht mehr als 30. Zwei kamen sogar auf 33, einer auf 34 Punkte". Dazu muss man wissen: Wer mehr als 25 Punkte auf der Expertenskala erzielt, ist psychopathie-gefährdet, ab 30 gilt man als Psychopath. Befragt wurden 203 Personen. Wie nun die Zahl von 6% zustande kommt, bleibt unklar.

Egal, so genau nehmen wir es nicht, wir bekommen weitere Zahlen präsentiert. So z.B. seien 25% aller Strafgefangenen in Deutschland psychisch auffällig (gemeint ist wohl: Sie zählen zu den Psychopathen - oder was sonst?). Da ein Prozent der Bevölkerung ja zu den Psychopathen gehört, müssten das 400.000 Männer sein - aber nur 60.000 sitzen im Knast. Klar, so der Experte Robert Hare, manche sitzen auch in der Vorstandsetage.

Und: "Schätzungen zufolge hat der durchschnittliche Psychopath bis zu seinem 40. Lebenjahr vier gewalttätige Verbrechen begangen." Alle 400.000 männlichen Psychopathen? Auch die Manager?

Das ist sauberer Journalismus, oder? Mal abgesehen davon, dass hier keine Quellen genannt werden: Was soll uns das alles eigentlich sagen? Dass es miese Typen unter Führungskräften gibt? Wissen wir. Dass Menschen mit Macht oft nur schlecht umgehen können? Wissen wir auch. Dass wir von Glück sagen können, wenn Menschen statt zu Verbrechern zu Führungskräften werden?

Ich finde es prima, das psychologische Themen Eingang in die Wirtschaftspresse finden. Aber ein wenig seriöser dürfte es schon sein.

Rezension zum Thema:
Wahnsinns-Typen, Wirtschaftswoche 36/2011

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Untersuchungen zur Psychopathologie im Berufsleben dürften Konjunktur haben:

http://mobile.nzz.ch/wirtschaft/aktuell/destruktive_dynamik_im_handelsraum_1.12641170.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,788232,00.html

Stephan Pesendorfer

Anonym hat gesagt…

Rate dazu, mal "Führer, Narren und Hochstapler" von Manfred F. R. Kets de Vries zu lesen.
Spannende Ansichten, fundierte Erkenntnisse. Psycho-Logik.