In schlechten Zeiten sind die meisten Unternehmen schnell bereit, "Personalanpassungen" vorzunehmen. Da werden Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand geschickt oder in Beschäftigungsgesellschaften ausgegliedert. Neue Mitarbeiter werden mit Zeitverträgen eingestellt oder lieber gleich über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Praktikanten werden als billige Arbeitskräfte verheizt, Auszubildende nicht übernommen.
Und dann plötzlich schlägt, wie aus heiterem Himmel, der demografische Wandel zu. Nanu, wo kommt denn der her? Hätten wir das gewusst, hätten wir natürlich versucht, die wertvollen Fach- und Führungskräfte zu halten. Oder frühzeitig neue Mitarbeiter eingestellt. Oder den "Alten" alternative und flexible Arbeitszeitmodelle angeboten, statt sie gleich mit ihrem gesammelten Wissen nach Hause zu schicken. Oder die Auszubildenden übernommen...
Und nun? Nun wundert man sich, dass Auszubis Verträge unterschreiben und anschließend gar nicht kommen. Dass Mitarbeiter mühsam eingearbeitet werden und ganz schnell wieder weg sind. Dass die Bewerberzahlen einbrechen und der Ruf als wertvoller Arbeitgeber doch nicht ganz so wertvoll ist. Und jammert über die Zeiten, in denen man sich auf die Menschen nicht mehr verlassen kann und Loyalität offenbar ein Fremdwort geworden ist.
Stimmt nicht, sagt Professor Christian Scholz in der Financial Times Deutschland. Die Menschen sind schon noch loyal. Aber nicht gegenüber Unternehmen oder Organisationen, sondern gegenüber Werten und Führungskräften. Ich ergänze mal: Und gegenüber Kollegen.
Was folgt daraus? Genau: Man legt Programme zur Mitarbeiterbindung auf. Organisiert Treffen mit dem Vorstand, präsentiert sich witzig und cool auf Facebook, schafft flexible Arbeitszeiten für zurückkehrende Mütter, die sogar wieder als Führungskräfte arbeiten dürfen. Zahlt Praktikanten wieder Gehälter und bietet ihnen sogar Zuschüsse zur Miete an.
Alles keine verkehrten Aktionen sicherlich. Aber sind Menschen loyaler, wenn man Programme entwickelt, um sie zu halten? Ist doch nicht logisch, es sei denn, die Programme stehen für Werte, die glaubwürdig vorgelebt werden. Eine Weile werden Mitarbeiter schon bleiben, wenn sie plötzlich hofiert werden, ist ja auch ganz nett. Aber die gleichen Maßnahmen werden jetzt alle Unternehmen ergreifen, da wird es kaum Unterschiede geben. Und wenn dann die Führungskraft wechselt oder die Kollegen gehen - was hält einen dann noch?
Mag sein, dass Menschen eine Weile vergessen, wie sie behandelt wurden, als noch ausreichend Arbeitskräfte am Markt zu bekommen waren. Aber ich denke, sie werden die Programme schnell durchschauen, wenn dahinter nicht eine echte Wertschätzung zu spüren ist. Und genau da habe ich so meine Zweifel...
Rezensionen zum Thema:
Fessle mich! Financial Times Deutschland, 18.8.2011
Auf dem Präsentierteller, Financial Times Deutschland, 19.8.2011
Dienstag, 11. Oktober 2011
Gibt es sie noch: Loyale Mitarbeiter?
Eingestellt von Johannes um 15:39:00
Labels: Führung, Unternehmenskultur, Werte
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2 Kommentare:
Den Artikel kann ich 100 %-ig unterschreiben. Loyalität beruht auf Gegenseitigkeit und kann erst Programm werden, wenn sie zur Unternehmenskultur geworden ist.
Ein sehr gelungener Artikel. Ich bin der Meinung auch Unternehmen haben nicht wirklich Loyalität gegenüber ihren Mitarbeitern. Der Arbeitnehmer soll immer die Ideale erfüllen und er Arbeitgeber nutzt immer nur die schönenen Seiten des Lebens wie es ihm gerade passt.
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