Es soll Unternehmen geben, in denen Top-Manager für eine gewisse Zeit (und wenn es nur für einen Tag ist) in der Produktion oder im Vertrieb stehen und die Folgen ihrer Entscheidungen direkt erleben können. Ich halte das für eine hervorragende Idee, die Schule machen sollte. Dann wünsche ich mir, einem Manager in einer der beiden folgenden Situationen zu begegnen:
Der Kunde kommt zu einem bekannten Elektronik-Kaufhaus und möchte - als Folge einer falschen Beratung - einen Adapter eines ebenso bekannten Markenherstellers zurückgeben. In dem für Umtausch und Reklamationen vorgesehenen Bereich des Unternehmens zieht er eine Marke mit der Nr. 94, auf dem Anzeigegerät erkennt er die Zahl 87. Noch sechs geduldig auf den Bänken in dem an einen Wartesaal im Bahnhof erinnernden Raum wartenden Kunden sind vor ihm an der Reihe. Die Angestellten hinter den Bildschirmen - darunter vermutlich kein Top-Manager - hören sich die Beschwerden der Kunden geduldig an. Zwischendurch verschwinden sie hinter einem Vorhang und lösen bei den Wartenden leichte Panik aus, dass sie sich zur Kaffeepause verabschieden. Aber sie kehren mit Zetteln und Formularen zurück und lassen die nächste Nummer auf dem Anzeigegerät auftauchen.
Dann ist es so weit. Der Kunde legt den Adapter und den Kassenbon vor und bekommt als erstes zu hören: "Das ist länger als zwei Wochen her, da kann ich Ihnen kein Geld mehr zurück geben, sondern nur einen Geschenkgutschein." Der Kunde, der einfach nur gerne den richtigen Adapter hätte, ist verstimmt. "Haben Sie denn das richtige Teil?" Antwort: "Da müssen Sie in der Computerabteilung nachfragen." Frage: "Was ist, wenn der richtige Adapter weniger kostet?" - "Dann behalten Sie den Restbetrag auf dem Geschenkgutschein". Der Kunde, der eigens mit dem Wagen in die Stadt gefahren ist und im kostenpflichtigen Parkhaus des Kaufhauses sein Auto abgestellt hat, ist wenig begeistert. "Welchen Sinn hat die Zwei-Wochen-Regelung?" Die Frage könnte ihm jetzt vielleicht der Top-Manager, der für einen Tag in der Umtausch und Reklamationsabteilung arbeitet, beantworten, nicht aber der bedauernswerte Mitarbeiter hinter dem Tresen.
Szene 2 in einem Büro. Der Drucker streikt, der Service-Mitarbeiter, ein freundlicher Mann, hat den Fehler im Nu behoben. Auf die Frage: "Sagen Sie mal: Manchmal bleibt das erste Blatt eines Ausdrucks vorne am Auswurf hängen, rollt sich auf und alle weiteren Blätter fallen dann auf den Boden - kann man daran was machen?" Antwort: "Das liegt daran, dass das Papier feucht ist. Feuchtes Papier verbiegt sich, wenn es im Drucker erwärmt wird und das wiederum führt dazu, dass es an der Stelle hängenbleibt." - Nächste Frage: "Kann das nicht daran liegen, dass der Halter für den Papierauswurf falsch konstruiert ist?" - "Wie gesagt, es liegt am feuchten Papier. Papier hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit anzuziehen. Mit ganz viel Druckerpapier könnten Sie prima feuchte Räume trockenlegen."
Nicht die Antwort, die der Kunde hören wollte. Ein neuer Versuch: "Okay - was kann man machen, damit das nicht passiert?" - "Na ja, Sie könnten das Druckerpapier in wiederverschließbare Plastikbeutel packen, damit es nicht feucht wird." Der Mann hat Humor, wie sich auch nach der nächsten Frage herausstellt. "Könnte man nicht bei der Konstruktion eines solchen Drucker berücksichtigen, dass Papier die Eigenschaft hat, Feuchtigkeit anzuziehen?" - "Oh, das ist eine japanische Firma. Kritisieren Sie mal japanische Hersteller für ihre Produkte, das nehmen die sehr persönlich, da müssen Sie ganz vorsichtig sein!"
Ich habe den leisen Verdacht, dass es sich hier vielleicht doch um einen Manager der deutschen Niederlassung gehandelt hat - wer hat sonst solche Insider-Informationen...
Mittwoch, 20. März 2013
Manager an die Front
Eingestellt von Johannes um 09:37:00
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