Gut geht es uns, oder? Klar, die Euro-Krise lässt die Furcht wachsen, unser Erspartes verliert an Wert. Aber es gibt Arbeit genug, zumindest im Vergleich zu anderen Ländern. Wobei: Offensichtlich gibt es zu viel Arbeit, denn immer mehr Menschen erkranken anscheinend an Burn-out. Zumindest legen das aktuelle Zahlen und die Vielzahl an Veröffentlichungen nahe. Mag sein, dass es das auch schon früher gab und nur nicht so genannt wurde. Wenn ich aber zurückblicke auf die die Achziger oder Neunziger Jahre, dann scheint mir, dass damals zumindest in großen Organisationen die Belastung am Arbeitsplatz eher lau war.
Da hat sich offenbar etwas gewaltig verändert - immer mehr Arbeit lastet auf immer weniger Schultern. Das Argument ist stets das Gleiche: "Die Personalkosten sind zu hoch." Eine Folge der Globalisierung - woanders arbeiten die Menschen für weniger Geld. Will man also hier die gleichen "Stückkosten" erzielen (bei den gleichen Gehältern, versteht sich, wer will sich schon verschlechtern?), müssen eben weniger Menschen mehr produzieren.
Das ist die Makro-Sicht. Und aus der Sicht des Einzelnen? Warum tut man/frau sich das an? Warum pressen wir noch mehr Aufgaben in die uns zur Verfügung stehende Zeit? Warum lassen wir uns immer mehr Aufträge aufs Auge drücken?
Weil wir gelernt haben zu funktionieren? Weil wir einer Erwartungshaltung gerecht werden wollen, die wir, von wem auch immer, täglich empfinden? Weil wir Angst haben, ohne diese tägliche Anstrengung irgendwann ohne Job dazustehen?
Wenn ich mir an die eigene Nase fasse, dann scheint es mir eine Mischung aus diesen Faktoren zu sein. Wie alle Selbstständigen kann ich kaum einen Arbeitgeber bzw. einen Vorgesetzten verantwortlich machen. Der Druck ist selbst erzeugt, kommt von innen. Ein oder mehrere Mitglieder des inneren Teams ermahnen mich täglich, die To-do-Liste zu beackern, weil sonst ... ja was sonst?
Was passiert eigentlich, wenn ich dem Druck nicht nachgebe? Wenn mal kein Newsletter erscheint, Zeitschriften liegen bleiben, keine Termine angenommen werden? Ich merke, wie das innere Teammitglied vor Schreck erstarrt. "Bist du irre?" fragt es entsetzt. "Dir werden die Kunden weglaufen, die Mitglieder sich abmelden, Aufträge ausbleiben... Wie willst du die Rechnungen bezahlen? Was ist mit dem neuen Auto? Und überhaupt - wie willst du im Alter klarkommen?"
Sollte sich da nicht auch eine andere Stimme melden? Eine, die schreit: "Bist du irre? Denkst du vielleicht mal daran, was mit mir ist? Was glaubst du wohl, wo der Druck im Magen herkommt? Glaubst du vielleicht, du lebst ewig?"
Wieso ist das Teammitglied Nr. 1 so viel lauter als Nr. 2? Ich fürchte, Nr.2 hat früh gelernt die Klappe zu halten. Weil es sich vermutlich blamiert hätte in einer Zeit, in der wir Kraft genug hatten, noch mehr Aufgaben und noch mehr Druck auszuhalten. Und wenn es sich jetzt meldet, ist es so leise, dass wir es einfach überhören....
So, Blogbeitrag verfasst - was steht als nächstes auf der To-do-Liste?
Rezension zum Thema:
Das B-Wort, Wirtschaftswoche 22/2012
Montag, 25. Juni 2012
Was ist los mit uns?
Eingestellt von Johannes um 13:16:00
Labels: Gesellschaft, Selbstständigkeit, Talentmanagement, Zeitmanagement
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