Da hatte ich mir gerade vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn wir bald mit einem EEG-Headset durch die Gegend laufen (siehe Blogbeitrag vom 4.6.2012), da tun sich plötzlich noch ganz andere Möglichkeiten auf. Ein Forscherteam des MIT (Massachusetts Institute of Technology) stattet Team-Mitglieder mit Sensoren aus, die es ermöglichen, das Kommunikationsverhalten zu erfassen. Angeblich ist es auf diese Weise möglich, Tonfall, Körpersprache, wer mit wem wie häufig spricht, wie stark gestikuliert wird, ob man zuhört, ob man unterbricht usw. zu erfassen. Selbst der Grad der Extravertiertheit und des Einfühlungsvermögens kann gemessen und in Zahlen ausgedrückt werden. Die Geräte erfassen bis zu 100 Datenpunkte pro Minute, viel Material für die Forscher.
Und was finden sie auf diese Weise heraus? Dass die Art der Kommunikation ausschlaggebend für den Teamerfolg ist. Nicht, dass wir davon überrascht sind. Wir ahnten auch vorher, dass das persönliche Gespräch der Video- oder Telefonkonferenz überlegen ist, und dass E-Mail und SMS deutlich schlechter geeignet sind, kreative Prozesse zu unterstützen. Und wir wussten auch längst, dass die informelle Kommunikation extrem wichtig ist. Nicht umsonst gestalten Unternehmen ihre Gebäude so, dass sich die Mitarbeiter über den Weg laufen müssen, dass sie in der Teeküche zusammen stehen und sich austauschen.
Wie so oft bei derartigen Berichten ist mein erster Gedanke: "Banale Erkenntnisse, wissenschaftlich untermauert." Allerdings gibt es hier einen bemerkenswerten Unterschied. Wenn die Erkenntnisse dazu führen, dass bekannte Theorien nicht nur bestätigt werden, sondern in der Praxis auch Vorhersagen ermöglichen, dann könnte es spannend werden. Die Autoren behaupten, sie hätten den Erfolg von Teams vorhersagen können allein durch die Auswertung der Daten - ohne das Team selbst jemals gesehen zu haben. So hätten sie das Siegerteam eines Business-Plan-Wettbewerbs prognostiziert, indem sie das Verhalten der Teammitglieder auf einer Cocktail-Party mit Hilfe ihrer Sensoren auswerteten.
Werden wir demnächst also mit einer Reihe von Messgeräten ausgestattet, die uns unser Kommunikationsverhalten zurückspiegeln? Tatsächlich haben Versuche ergeben, dass es schon ausreicht, einem Team das gemessene Verhalten zu beschreiben (z.B. dass bestimmte Teammitglieder weniger eingebunden sind, dass die Kommunikation untereinander nicht ausgewogen ist usw.), um ein effektiveres Kommunizieren anzustoßen und damit den Erfolg von Teams zu steigern.
Spinnen wir das mal weiter: In Zukunft tragen wir eine Reihe von Sensoren am ganzen Körper, die beliebig viele Daten sammeln, diese an unser Smartphone (oder wie die Multifunktionsgeräte dann heißen mögen - ich schätze, "Phone" wird darin nicht mehr vorkommen) weiterleiten, wo sie ausgewertet und in "Echtzeit" an uns zurückgesendet werden. Wir werden gewarnt, wenn wir emotional werden... wenn wir zu viel reden und zu wenig zuhören ... wenn wir zu lange Sätze bilden ... wenn wir einzelne Teammitglieder ignorieren ... usw.
Utopisch? Die Wissenschaftler haben die Vision, ganze Belegschaften mit ihren Geräten auszustatten und damit die Produktivität von Teams drastisch zu erhöhen. Wir werden noch staunen...
Rezension zum Thema:
Kommunikation ist der Schlüssel, Harvard Business Manager 5/2012
Montag, 11. Juni 2012
Kommunikation messen
Eingestellt von Johannes um 17:41:00
Labels: Kommunikation, Wissenschaft
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