Von einem Orchester ohne Chef haben wir schon häufiger gelesen. Über kleine Unternehmen ohne Manager, in denen die Mitarbeiter gleichzeitig auch Gesellschafter sind, wurde auch schon mehrfach berichtet. Aber ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern, 700 Millionen Dollar Umsatz und Weltmarktführer auf seinem Gebiet, das ohne Chefs auskommt - wo gibt es denn so was?
Management-Guru Gary Hamel hat es in den USA entdeckt, es heißt Morning Star und stellt Tomatensoße her. So viel wie kein anderes.
Wer regelmäßig MWonline liest, kann sich denken, dass ich solche Geschichten liebe. Und ähnlich wie Herr Hamel ganz fasziniert bin. Und sehr neugierig.
Es gibt keine Titel und keine Beförderungen, keine Chefs. Jeder kann Geld ausgeben, wenn er es für notwendig hält. Jeder beschafft sich die Werkzeuge und das Material, das er benötigt - ohne zentralen Einkauf. Und die Entscheidungen über das Gehalt wird im Kollegenkreis getroffen.
Unwahrscheinlich? Ein witziges betriebswirtschaftliches Argument für eine Führung ohne Manager vorweg: Wenn ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern einen Manager braucht, dann werden für 100 Mitarbeiter nicht zehn, sondern elf von ihnen benötigt - 10 Manager brauchen ja wieder einen. Bei 1.000 Mitarbeitern sind es schon 111 Führungskräfte. Diese kosten nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Menschen, denen man Befugnisse gibt, tendieren dazu, diese auch zu nutzen. Schließlich müssen sie ja unter Beweis stellen, dass sie zu Recht im Amt sind. Das bedeutet lange Entscheidungswege. Mehr noch: Manager wollen mitreden, sie stoppen Ideen oder verändern sie - nicht unbedingt zum Vorteil des Unternehmens.
"Kennen wir. Ist ja alles richtig. Aber wie soll das funktionieren, wenn jeder macht, was er will?" Hier die Antwort: Bei Morning Star erstellt jeder Mitarbeiter eine persönliche Aufgabenbeschreibung, diese sind die Grundpfeiler des Modells. Weil damit niemand einem Vorgesetzten gegenüber verpflichtet ist, sondern seinen Aufgaben. Und seinen Kollegen. Denn das ist das zweite "Instrument": Der"Colleague Letter of Understanding", auch CLOU genannt. Diese CLOUs sind Vereinbarungen untereinander, aber auch zwischen Bereichen, wer was in welchem Zeitraum wie machen wird. Dabei werden die relevanten Leistungskennzahlen besprochen.
Das wiederum kann nur funktionieren, wenn jeder Bereich, ja sogar jeder Mitarbeiter den Zugang zu allen relevanten Daten hat. Eine Transparenz, die sonst eben nur Managern ermöglicht wird. Und wer weiß, welchen Wert er für sein Unternehmen erwirtschaftet, der kann auch entscheiden, wofür er das Geld seines Unternehmensausgeben will. Ein schöner Satz, von dem ich glaube, dass seine Nicht-Beachtung das zentrale Problem der meisten Unternehmen ist: "Wir finden, dass jeder tun sollte, was er gut kann, also versuchen wir nicht, Leute in einen bestimmten Job zu zwingen."
"Und was ist, wenn jemand sich nicht an Absprachen hält? Oder schlecht wirtschaftet?" Die ewige Frage nach der Kontrolle, die zumeist vor dem Vertrauen kommt. Die Antwort: Bei Tranparenz der Zahlen fällt schnell auf, wenn jemand ökonomisch unsinnig handelt. Gibt es Konflikte bzw. Unstimmigkeiten bezüglich derAbsprachen, wird ein Mediator eingeschaltet. Kann dieser nicht vermitteln, tritt ein Gremium aus sechs Kollegen zusammen. Erst wenn all das nicht fruchtet, wird der Präsident eingeschaltet.
Das Modell scheint zu funktionieren. Das Unternehmen erwirtschaftet Gewinne und die Gehälter liegen bis zu 15% über denen der Konkurrenz. Sie haben dennoch Ihre Zweifel? Dann wird Sie diese Information "beruhigen": Trotz eines sehr aufwendigen Personalauswahlverfahrens - jeder Neuling wird von zehn bis zwölf poteniellen Kollegen interviewt - verlassen 50% der Neulinge innerhalb von zwei Jahren das Unternehmen wieder. So viel Verantwortung selbst tragen liegt nicht jedem. Gut, dass es noch genügend Unternehmen mit klassischen Hierarchien gibt. (Vor allem: Was würde aus dem Geschäftsmodell all derjenigen, die Manager ausbilden und trainieren?)
Rezension zum Thema:
Schafft die Manager ab! Harvard Business Manager 1/2012
Donnerstag, 22. März 2012
Auf Manager verzichten
Eingestellt von Johannes um 17:59:00
Labels: Führung, Unternehmenskultur
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