Keine Frage: Es gibt Menschen, die üben auf andere eine besondere Anziehungskraft aus. Aber vielleicht ist schon dieser Satz falsch. Richtig müsste er heißen: Jeder Mensch über auf andere Menschen eine Anziehungskraft aus, manchen aber gelingt es, auf mehr Menschen in dieser Art zu wirken. Wenn diese Ausstrahlung viele Menschen berührt, spricht man wohl von Charisma.
Nicht weiter erstaunlich, dass man immer wieder versucht ist, das Besondere an dieser Fähigkeit zu beschreiben. Warum gelingt es manchen Menschen, viele andere von etwas zu begeistern, anderen eher nicht? Man könnte es nun einfach so hinnehmen, so wie man akzeptiert, dass es Leute gibt, die besonders gut Basketball spielen können, die besonders strahlend blaue Augen haben, die sich extrem elegant bewegen können.
Aber nein, Charisma soll etwas mit Führung zu tun haben. Große Führer haben besonders viel Charisma, und da eben viele Menschen so sehr danach streben, andere zu führen, hätten sie gerne ein Stück dieser besonderen Ausstrahlung. Also wie geht das?
Gar nicht, fürchte ich. Blödsinn, ich fürchte es nicht, ich bin eher froh darüber. Und bin genervt von den Beratern, die uns erklären, was Charisma ist und was man tun kann, um dieses zu entwickeln.
Hier ein paar Bespiele:
"Vertraue darauf, dass du es schaffst... Erfolgreiche Führungskräfte haben immer einen narzisstischen Kern ... "
"Suche dir eine Krise und wenn notwendig mache eine ..." Menschen folgen uns, wenn wir ihnen das Krisenhafte einer Situation überzeugend klar machen.
"Verkünde die Bewältigungstheorie enthusiastisch ... Charisma und Gehemmtheit ... passen nicht zusammen."
"Suche dir identitätsschwache, erfahrungssüchtige, beziehungshungrige und haltlose Menschen und bestärke diese positiv." Diese nämlich lassen sich für ein Ziel einnehmen und begeistern. "Wer von einem Führer nichts braucht, lässt sich nicht in einem charismatischen Beziehungsvertrag einbinden."
Die letzten beiden Tipps in dem Aufsatz lauten "Inszeniere dich rituell." und "Schaffe eine Elite."
Sollte jemand mit diesen Ratschlägen Probleme haben, dann gibt es dafür eine Erklärung. "In gewisser Weise sind wir Deutschen aufgrund unserer Geschichte vielleicht beim Thema Charisma skeptischer als andere Nationen."
Keine Ahnung, ob meine Skepsis was mit unserer Geschichte zu tun hat. Wenn ja, bin ich dankbar dafür. Dann hätte diese Geschichte einen Sinn.
Vielleicht ist es ja so: Es gibt Ideen, die eine große Kraft haben. Weil sie in eine Zeit passen, zur rechten Zeit kommen, bestimmte Bedürfnisse treffen. Und wenn zufällig Menschen sich genau für diese Ideen begeistern, die gleichzeitig auch gut andere begeistern können, dann wird daraus eine große Sache. Leute mit "Charisma" ohne Ideen wird man für Blender halten, und Ideen, die nicht begeisternd präsentiert werden, keine Beachtung finden.
Und ich warte auf Beiträge, in denen uns erklärt wird, wie man große Ideen entwickelt und sie begeisternd verkündet. Auf dass wir alle kleine Steve Jobs werden...
Rezension zum Thema:
Warum Charisma eine Krise braucht, Wirtschaftspsychologie-aktuell 1/2011
Mittwoch, 31. August 2011
Die Suche nach Charisma
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Ich denke, dass mit dem Thema "Charisma und Führungskräfte" einfach ein einfacher Markt entwickelt wird. Es gibt genug Angebote und auch offensichtlich entsprechende Nachfrage.
Ich habe in jüngster Vergangenheit ein Buch von Rupert Lay gelesen: Er meint, dass auch Führungskräfte nach der Biophilie-Maxime handeln sollen: "Handle stets so, dass Du Dein und fremdes personales Leben eher mehrst denn minderst." Für Führungskräfte kommt gleichrangig die Aufgabe dazu, die Ökonomie optimal zu entwickeln.
Das sind, so meine ich, die Aufgaben der professionellen Führungskräfte und Geschäftsführer. Darauf sollte auch der Fokus zu 100% liegen und nicht auf der Idee den Fokus auf Charisma zu legen.
Viele Grüße, Christoph Schlachte
Charisma entsteht nicht durch Verhaltensbemühungen, sondern durch innere Souveränität, die nach außen strahlt.
Kommentar veröffentlichen