Immer wieder beschäftigen sich ernsthafte Menschen mit der Frage: Kann man Menschen mit Geld motivieren? Oder: Funktionieren monetäre Anreize besser als nicht-monetäre? Oder: Wie muss ein Anreizsystem aufgebaut sein, um eine Leistungssteigerung zu bewirken?
Es ist frustrierend. Wieso setzt sich die Erkenntnis nicht durch, dass man Menschen gar nicht motivieren kann? Vielleicht hängt es einfach am Gebrauch der Sprache. Was meinen wir mit "motivieren"? Vielleicht: Andere zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen? Wenn das so gemeint ist, dann funktioniert das mit Geld natürlich ganz ausgezeichnet. Wenn der Preis stimmt, kann man Menschen zu vielen Dingen "motivieren", wenn auch nicht zu allem. Aber ist es das, was man meint, wenn man im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" spricht?
Ich schlage vor, immer dann, wenn ich anderen Menschen für ihre Leistung/ihr Verhalten eine Gegenleistung wie z.B. Geld/eine Prämie/ein Honorar biete, nicht von Motivation zu sprechen, sondern von Bezahlung. Wir schließen mit anderen Menschen Verträge, in denen wir festhalten, was sie leisten und welches Honorar sie hierfür bekommen. Das ist doch eigentlich so einfach, dass ich die ganze Diskussion um die Wirkung von Anreizen nicht mehr nachvollziehen kann.
Aber schauen wir genauer hin. Habe ich einen Mitarbeiter mit einem Vertrag und stelle fest, dass er die versprochene Leistung nicht mehr bringt, dann fange ich doch nicht an, mit zusätzlichen "Honoraren" zu locken, sondern kläre das Problem. Was anderes ist es, wenn ich neue Ziele formulieren und vom Mitarbeiter eine andere Leistung als die vereinbarte erwarte. Auch dann setze ich keine Prämie aus, nach der er sich hoffentlich strecken wird, sondern ändere den Vertrag.
Aber ach, dazu müsste ich ja in beiden Fällen mit ihm REDEN. Ich fürchte, hier liegt der Grund dafür, dass sich Unternehmen "Anreizsysteme" ausdenken und hoffen, dass diese den Führungskräften das Gespräch bzw. die Verhandlung ersparen.
Nicht-monetäre "Anreize"
Dann gibt es noch die Vertreter der "nicht-monetären" Anreize, die uns erklären, dass es doch viel effektiver (und kostengünstiger) ist, wenn man Menschen mit - ehrlich gemeinter - Anerkennung motiviert. Diesen Denkfehler halte ich für noch viel gravierender. Ich würde auch hier nicht von Motivation sprechen, sondern ebenfalls von Bezahlung. Die Währung ist eine andere, aber es ist ein Preis, den ich dafür bezahle, dass der andere das tut, für das ich ihn engagiert habe. Nur dass es kaum in einem schriftlichen Vertrag festgehalten wird.
Das macht die Sache mit dem Lob bzw. der Anerkennung so verlockend. Ähnlich dem Versuch, mit einem unerwarteten Bonus Anerkennung zu vermitteln. Beide Versuche zu "motivieren", gehen von einem ungleichen Verhältnis aus, nämlich dass der eine Vertragspartner einige zusätzliche Reserven in der Hinterhand hat, die er zurückhält und dann "ausschüttet", wenn der andere die versprochene Leistung erbringt. Da macht es keinen Unterschied, ob das monetär oder nicht monetär ist.
Aber all das ist nicht neu, längst bekannt seit Sprengers "Mythos Motivation". Trotzdem erklärt man immer noch Führungskräften, dass sie loben, Anerkennung aussprechen sollen und stellt ihnen ein Budget zur Verfügung, mit dem sie "überraschende" Einmalzahlungen verteilen können.
Soll das heißen, dass Mitarbeiter keine Anerkennung brauchen? Quatsch, wir alle brauchen Anerkennung. Wir freuen uns sehr, wenn wir eine Leistung erbracht haben und sehen, dass der andere zufrieden ist. Oder mehr noch: Geradezu begeistert ist. Aber unsere Freude bricht in sich zusammen, wenn wir erkennen, dass der andere die Anerkennung ausspricht, weil er uns damit für die Zukunft motivieren will. Wir fühlen uns geradezu hintergangen und betrogen, zumindest manipuliert.
Mit anderen Worten: Trainer, hört auf, Führungskräften beizubringen, wie man lobt. Der Zusatz "ehrliche Anerkennung" hilft auch nicht viel weiter. Ebenso wenig wie die Empfehlung, sich mehr für das, was die Mitarbeiter treiben, zu interessieren. Wer Interesse zeigt mit der Intention zu motivieren, verhält sich ebenso wie derjenige, der unerwartete Prämien verteilt. Er schüttet eben Interesse aus.
Wenn überhaupt, dann bringt ihnen bei, auf ihre eigene Gefühle zu achten und bei empfundener Freude diese zum Ausdruck zu bringen. Mag sein, dass es Führungskräfte gibt, die das verlernt haben. Wobei ich fürchte, dass ein Führungstraining damit eigentlich überfordert ist.
Was bleibt dann überhaupt noch, wenn Führungskräfte fragen: "Was kann ich tun, um meine Mitarbeiter zu motivieren?" Auch das ist extrem banal. Die Antwort lautet: "Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, was sie davon abhält, ihren Vertrag zu erfüllen?" Und dann kümmern Sie sich darum, das, was "de-motiviert", zu beseitigen.
Und fragen Sie sich und die Mitarbeiter: "Was tragen Sie als Führungskraft dazu bei, dass sich die Mitarbeiter so verhalten, wie sie sich verhalten?"
Aber auch das ist längst bekannt. Wie gesagt: Frustrierend...
Rezension zum Thema:
Motivation von innen statt Karotte von außen, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2012
Sonntag, 3. Februar 2013
Hört auf zu motivieren
Eingestellt von Johannes um 14:17:00
Labels: Führung, Motivation
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5 Kommentare:
Hallo Herr Thönneßen,
ihr Blogbeitrag zum Thema Motivation hat mich motiviert, zu antworten (auch wenn Sie mich nicht bezahlt haben, oder gelobt, oder ..?)
Mein Kommentar dazu:
Ich kann das Gerede vom „Hört auf zu motivieren“ auch nicht mehr hören.
Begründung: Für mich ist jeder Versuch, die Entscheidung eines anderen zu beeinflussen, ein Versuch, zu motivieren. So wie Sie, Herr Thönneßen, gerade die Leser Ihres Beitrages motivieren wollen, bestimmte Verhaltensweisen aufzugeben und andere stattdessen zu zeigen.
Schon die Überschrift „Hört auf zu motivieren“ ist der Versuch, mich genau dazu zu motivieren.
Und weiter: „Trainer, hört auf, Führungskräften beizubringen, wie man lobt. ... Wenn überhaupt, dann bringt ihnen bei, auf ihre eigene Gefühle zu achten und bei empfundener Freude diese zum Ausdruck zu bringen.“
Ich halte den Versuch, andere in ihrem Verhalten zu beeinflussen im Prinzip für legitim und normal. Es gibt für mich zwei Kriterien, ob ich das akzeptieren kann.
1. In der Regel steckt hinter dem Versuch zu motivieren eine Absicht. Die kann ich manchmal erkennen, manchmal nicht. Wenn ich sie erkenne, kann ich sie akzeptieren oder nicht. Ich verstehe z.B. nicht, was daran falsch sein sollte, „Interesse zu zeigen mit der Intention zu motivieren“.
Wenn zu mir eine Person kommt um mir von ihren Führungsproblemen zu berichten, zeige ich Interesse für die Person und ihre Situation mit der Intention, sie zum selbständigen Handeln in dieser Situation zu motivieren. Ist das falsch?
Ich halte es auch für eine Unterstellung, dass Führungskräfte, die motivieren wollen, immer nur glauben, dass ihre Mitarbeiter Leistungsverweigerer seien oder ein Defizit hätten.
Ich erlebe in meiner Praxis jede Menge anderer Fälle: Führungskräfte, die Ihre Mitarbeiter von zu vielen Überstunden abhalten wollen; Führungskräfte, die einem Mitarbeiter, der über lange Jahre von anderen
demotivieret wurde, wieder Spaß an der Arbeit vermitteln wollen, usw.
Das zweite Kriterium ist die Wahl der Mittel, mit denen versucht wird, zu motivieren. Für mich sind materielle Anreize akzeptabel, für mich ist Anerkennung vernünftig, für mich ist vor allem Wertschätzung das zentrale Mittel.
Ich finde es auch plausibel, dass jemand die Ressourcen nutzt, die ihm zur Verfügung stehen, auch wenn der andere darauf keinen Einfluss hat.
Ihre Ressource beim Versuch, mich "zu bekehren" ist Ihre Werthaltung. Das finde ich ok.
Dazu gehören für die Führungskraft in der Regel materielle Güter, aber auch anderes wie z. B. attraktive Aufgaben. Es gilt bei allen Mitteln für mich die Einschränkung: sie müssen offen, transparent/nachvollziehbar genutzt werden, es darf nicht (nach meinen
Wertvorstellungen) unmoralisch sein, kein Druck, keine Androhung von Bestrafung.
Mein Fazit: Man kann motivieren, und es ist häufig sinnvoll, das zu tun. Übrigens: In Ihrem Beitrag schreiben Sie, was Motivation Ihrer Meinung nach nicht ist, aber was ist es? Dazu konnte ich nichts finden.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Etzel
Hallo Johannes! Ja, das Thema Motivation ist wohl mindestens so alt, wie das Thema Führung an sich. Dabei wird aus meiner Sicht zu selten die Frage gestellt, was man mit Motivation überhaupt meint. Leider klärt dein Beitrag diese Frage auch nicht und somit bleibt unklar, worüber wir eigentlich sprechen. Wenn ich mal tief in die Trainerkiste greife, finde ich dass der Begriff Motivation aus dem Lateinischen kommt: Moveo was u.a. bewegen heißt. Daher auch das englische Wort „to move“. Es geht also um das Thema bewegen. Wenn wir darüber nachdenken jemanden zu motivieren, wollen wir ihn in der Regel bewegen etwas zu tun. Wir möchten, dass sich jemand für eine Handlung entscheidet, diese beginnt und auch fortführt – ggf. bis zu einem bestimmten Ziel. Und um dies zu erreichen, gibt es eben viele Wege. Wir sind alle durch den „Mythos Motivation“ mitgeprägt und kennen viele Bespiele für die Grenzen und Gefahren des Geldes als Motivationsmittel. Doch kennen wir nicht auch genügend Beispiele in denen Menschen mit Geld dazu bewegt werden konnten sich in bestimmter Art und Weise zu Verhalten und Einzusetzen? Du kannst das bezahlen nennen. Aber das heißt dann ja nur, dass Bezahlung ein Mittel der Motivation ist – also dass Bezahlung ein Weg ist Menschen dazu zu bringen in bestimmter Art und Weise zu handeln. Neben der Bezahlung, dem wertschätzenden Umgang, dem Befehl, der rationalen Überzeugung, dem Versprechen auf das Paradies etc. gibt es wohl noch eine Million Wege Menschen zu bewegen etwas zu tun. Wir erleben das schlichtweg jeden Tag – und nicht nur in der Vorgesetzten–Mitarbeiter–Beziehung.
In der Diskussion und der Qualifikation mit Führungskräften geht es in der Regel darum die Wege zu finden, die für eine bestimmte Situation und für bestimmte Mitarbeiter am geeignetsten sind bestimmte Verhaltensweisen zu fördern und die mit bestimmten Werten vereinbar sind, wie zum Beispiel Respekt vor der dem Einzelnen und der Balance zwischen persönlichen und organisationalen Zielen. Daher ist das Thema für mich gar nicht so frustrierend, sondern eher spannend: Was ist es diesmal, was am besten geeignet ist? Welche Rolle spielt diesmal die Organisationskultur? Die Abteilungskultur? Die Persönlichkeit der Beteiligten? Deren Lernerfahrung? Deren aktuelle Entgeltstufe? Die Teamdynamik in der Gruppe? Die wirtschaftliche Lage? Das Wetter und die Tageszeit?... Oft sind diese Elemente und deren Interaktionseffekte etwas zu komplex und auch zu dynamisch, als dass man diese mit einer einfachen Frage: „Was motiviert dich?“ oder „Was hält dich davon ab, dass und das zu tun?“ auf d e n Schlüssel zur Motivation einer Person kommen kann. Aber das stellen dieser und ähnlicher Fragen, da stimme ich dir voll zu, ist sicherlich ein wichtiges Mosaiksteinchen in der enorm spannenden Frage: „Was motiviert Menschen?“ Und da sich die Welt dreht, Menschen und Organisationen sich verändern, freue ich mich auf in Zukunft darauf mit Führungskräften zu diskutieren, welche Mittel der Motivation es gibt und welche davon wie und wann am besten geeignet sind Menschen zu bewegen :-)
Hallo Herr Thönneßen,
Mensch, da haben Sie aber was losgetreten. Als Trainer fühle ich mich da natürlich auch angesprochen. Als Berater sehe ich es aber aus einer anderen Perspektive. Bei der Vergütung sprechen Sie von "Anreizsystemen". Mir gefällt der Begriff ehrlich gesagt nicht, da er suggeriert, dass man den Mitarbeiter zu einem bestimmten Verhalten bewegen möchte und wenn er dieses Verhalten zeigt, dann bekommt er Geld dafür. Das ist für mich tatsächlich die Rübe, die man ihm vorhält. Ich spreche lieber von leistungsgerechter Bezahlung. Wenn jemand eine höhere Leistung bringt, dann soll er auch mehr verdienen. Leistungsgerechte Vergütung soll in erster Linie also Demotivation vermeiden und nicht für Motivation sorgen. Geld ist immer noch ein Hygienefaktor. Einig bin ich mit Ihnen darin, dass man mit dem Mitarbeiter ein ernstes Wort reden muss, wenn er die geschuldete Mindestleistung nicht erbringt und ihm nicht noch zusätzliches Geld hinhält.
Zum Thema Lob: ich sehe Lob nicht als Motivationsinstrument, sondern als Rückmeldung an den Mitarbeiter, wenn er was gut gemacht hat. Dazu gehört natürlich auch Kritik, wenn er was nicht gut gemacht hat. Beides ist wichtig, damit der Mitarbeiter versteht, was von ihm erwartet wird und wo er in Bezug darauf steht. Im Übrigen, was ist schlimm am Lob? Ehrlich gesagt, ich lasse mich gerne loben. Sie doch sicherlich auch? Ihren Beitrag finde ich erstklassig, weil Sie damit Ihre Leser zu einer Reaktion motiviert haben. Das haben Sie gut gemacht. :-).
Mit herzlichen Grüßen vom Bodensee
Marijan Kosel
Herzlichen Dank für die Kommentare. Kann ich alles gut nachvollziehen, aber fühle mich an der einen oder anderen Stelle nicht richtig verstanden. Ich werde einen weiteren Beitrag zu dem Thema im Blog veröffentlichen. Freue mich auf die anschließende Diskussion.
Johannes Thönneßen
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