Keine Angst, das wird kein Jahresrückblick 2011. Lediglich ein paar Gedanken über unsere Wahrnehmung von Ereignissen. Und darüber, wie unsere Wahrnehmung beeinflusst wird.
Ich war kürzlich Gast in einem Unternehmen, das nach einem schwierigen Neuanfang eine erstaunliche Entwicklung genommen hat. Der Personalchef präsentierte die aktuellen Zahlen und seine Ideen für die nächsten Jahre. Er sagte einen bemerkenswerten Satz, sinngemäß: "Wir wissen, dass die Aussichten für das kommende Jahr nicht rosig sind, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren Maßnahmen gut aufgestellt sind und aus den Krisenjahren viel gelernt haben." Das war keine PR-Aussage, sondern sehr glaubwürdig, da er gleichzeitig ebenso offen über die Hürden und Herausforderungen für das Unternehmen berichtete.
Aus diesem Treffen ging ich so optimistisch wie schon lange nicht mehr nach Hause. Und stellte fest, dass meine Stimmung in den letzten Monaten stark geprägt war von Überschriften, die das genaue Gegenteil dieser Zuversicht darstellten. Bekanntlich bespreche ich regelmäßig die Financial Times Deutschland, eine Zeitung, die mir bezüglich der Vielfalt der dargestellten Perspektiven immer gut gefallen hat. Allerdings hatte meine Motivation, sie am Morgen aufzuschlagen, merklich nachgelassen.
Denn die Überschriften allein können den Leser in tiefe Depressionen stürzen. Europa am Abgrund, die Welt vor dem Chaos, Katastrophen rund um den Globus und die Wirtschaft am Ende. Nein, irgendwann mag man das nicht mehr lesen, so wie man von Dauerregen irgendwann genug hat.
Da ich kein Anhänger des positiven Denkens bin, sondern im Zweifelsfall eher ein "Verdränger", habe ich die Lektüre nach und nach auf das Nötigste beschränkt (ich gebe zu, dass ich den Sportteil immer noch ausgiebiger gelesen habe). Bis mir dann eines Tages die FAZ in die Hände fiel, und neuerdings auch dank eines Probe-Abos die Süddeutsche Zeitung. Und siehe da: Deren Headlines vermittelten einen ganz anderen Eindruck. Die Nachrichten waren offenbar die gleichen, aber die Titel in der Regel sehr neutral, maximal Neugier weckend.
Beispiel von heute zu Syrien: FTD: "Assads Regime lässt 280 Deserteure niedermetzeln" - SZ: "Gefangenenchor".
Und zu Nordkorea: FTD: "Zombie-Staat unter Waffen" - SZ: "Blumen und rote Flagge".
Ich frage mich also, wie schrecklich dieses Jahr nun wirklich war. Wie schief ist mein Bild von der Wirklichkeit?
Mein Vorsatz für das kommende Jahr: Wacher, aufmerksamer hinzuhören und hinzuschauen. Meine Quellen wechseln, hin und wieder die Perspektiven verändern. Wäre einen Versuch wert...
Mittwoch, 21. Dezember 2011
Ein schwieriges Jahr?
Eingestellt von Johannes um 13:49:00
Labels: Kommunikation, Medien
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