Als "einen Glücksfall" bezeichnet ein Beitrag der wirtschaft + weiterbildung die Popularität des Burn-out-Phänomens für einen Oberarzt und seine Kollegen, die ein Programm entwickelt haben, in dem Führungskräften vermittelt wird, wie sie Erschöpfungszustände erkennen können. Vorgesetzte sollen klinische Fälle zumindest einmal gesehen haben, um angemessen reagieren zu können. Das denken auch Personaler, die in einer Umfrage bestätigt haben, dass die Führungskräfte Burn-out nur schlecht erkennen und mehr Kenntnisse über die Symptome haben sollten.
Für den falschen Weg halten das andere Experten. Sie möchten Führungskräfte allgemein für Abweichungen im Verhalten sensibilisieren. Und ihnen beibringen, wie sie Mitarbeiter in einem solchen Fall ansprechen können. Mit anderen Worten: Genau das lernen, was ihr Job ist. Menschen zu befähigen und zu unterstützen, ihrer Aufgabe nachzugehen. Und wenn sie merken, dass diese beeinträchtigt sind, warum auch immer, angemessen reagieren.
Da kann ich nur zustimmen, sonst müssten Führungskräfte ja zu Medizinern ausgebildet werden. Sie müssten Suchtsymptome diagnostizieren, Haltungsschäden erkennen, Infarktgefährdungen wahrnehmen und wer weiß was sonst noch...
Mich beschäftigt aber eine ganz andere Frage. Bei der erwähnten Umfrage unter Personalern ist herausgekommen, dass eine wirklungsvolle Maßnahme die betriebliche Gesundheitsförderung sein soll - sagen die Personaler. Damit soll psychischen Belastungen vorgebeugt werden. Gleichzeitig werden als Hauptbelastungsfaktoren der starke Erfolgsdruck, der Zeitdruck, die ständige Erreichbarkeit und die Arbeitsverdichtung genannt.
Hier stimmt doch etwas nicht, oder? Mal angenommen, ein Unternehmen stellt fest, die Mitarbeiter erkranken häufig und die Ursache ist die hohe Schadstoffbelastung an den Arbeitsplätzen. Würde man dann den Führungskräften beibringen, die Symptome einer Vergiftung zu erkennen und ein umfassendes Gesundheitsförderungsprogramm ins Leben rufen mit Waldläufen zum Ausgleich und einer Anlaufstelle außerhalb des Unternehmens für vergiftete Mitarbeiter, die sich anonym Hilfe holen können?
Wenn doch der Druck am Arbeitsplatz die Ursache für die psychischen Belastungen ist - wieso kümmert man sich nicht darum? Warum analysiert man nicht mal, warum der Druck stetig wächst? Vermutlich würde man dann feststellen, dass zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern ruht, aber neue Mitarbeiter einzustellen ist offenbar weitaus weniger attraktiv als Experten mit der Entwicklung von Gesundheitsprogrammen zu beschäftigen, entsprechende Beratungen einzukaufen und externe Anlaufstellen einzurichten, an die sich die überforderten Mitarbeiter wenden können. Da kann man schöne Projekte mit wunderbarer Außenwirkung aufsetzen, fröhliche Mitarbeiter beim Rückentraining zeigen und feine Seminare zur Stressreduktion durchführen.
Merkwürdig...
Rezensionen zum Thema:
Führungskräften zu Therapeuten ausbilden, wirtschaft + weiterbildung 6/2011
Chefs sind ratlos gegenüber Burn-out-Opfern, wirtschaft + weiterbildung 6/2011
Donnerstag, 4. August 2011
Burn-out diagnostizieren?
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3 Kommentare:
Tatsächlich eine paradoxe Situation - wobei ganzheitliche betriebliche Gesundheitsförderung sich ja nicht nur mit Sportangeboten etc. beschäftigt, sondern auch mit einer besseren Arbeitsplatzgestaltung und einer Verminderung von Stress und Druck.
Hallo Frau Handl,
ich wollte mich auch keineswegs gegen eine Beschäftigung mit dem Thema "Gesundheit" aussprechen. Unternehmer sollten auf jeden Fall endlich erkennen, dass sie nicht nur die Arbeitskraft einkaufen, sondern den Menschen mit all seinen Facetten, inklusive Familie, Freizeitverhalten, Gesundheit etc. Wenn die Popularität des Themas "Burn-out" dazu beiträgt, um so besser.
Gute Gedanken. Allerdings ist es für Firmen natürlich mühsamer, Prozesse und Strukturen zu verändern als die Mitarbeiter in Yoga-Kurse zu schicken.
P.S.
Wenn es erlaubt ist: Genau zu diesem Misstand kommt in einigen Tagen im GABAL-Verlag mein neues Buch heraus: "Feierabend hab' ich, wenn ich tot bin. Warum wir im Burnout versinken"
Herzliche Grüße,
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