Einen Großteil ihrer Zeit verbringen Manager mit der Abwehr von Angriffen aus dem eigenen Haus und zur Organisation von Gegenangriffen. Was könnten sie alles schaffen, wenn sie sich voll auf ihre Aufgabe konzentrieren würden? Übertrieben? Ich fürchte nicht, wobei ich nicht glaube, dass es nur für Manager gilt.
Ein Beispiel: Viermal im Jahr hält der Vorstandsvorsitzende eine Rede zur Lage des Unternehmens - eingeladen sind alle Führungskräfte. Worüber er genau spricht, bereiten seine Assistenten und Stäbe vor. Diese wiederum werden "gefüttert" von den Stäben und Assistenten der Geschäftsfeld-Leiter. Diese wiederum erhalten die Informationen von den Abteilungsleitern. Und diese fragen bei ihren Mitarbeitern nach: "Es ist wieder so weit. Was haben wir in den letzten drei Monaten geleistet, das es wert ist, berichtet zu werden?" Man setzt sich hin, füllt viele Seiten mit tollen Berichten, wohl wissend, dass, wenn man viel Glück hat, ein oder sogar zwei Sätze hieraus in der eigentlichen Rede landen. Genau deshalb muss man ja auch möglichst viele Erfolgsmeldungen produzieren, damit wenigstens eine davon den Weg in das Manuskript schafft. Wenn das geschieht, hat man sich mal wieder glänzend "positioniert". Wenn nicht, dann eben beim nächsten Mal.
Ein anderes Beispiel: Bei General Electric wurde für die Nachfolge von Jack Welch eine Art Wettkampf unter drei Kandidaten ausgetragen - auf dass sich der Beste durchsetzte. Man mag sich kaum ausmalen, mit welchen Mitteln hier gekämpft, welche Allianzen geschmiedet, welche Machtproben ausgetragen wurden. Am Ende dürfte dabei viel Geld, Energie und Engagement auf der Strecke geblieben sein - wie das eben in der Politik in Wahlkämpfen so ist.
Geht das überhaupt anders in großen Unternehmen? Ich bin geneigt, politische Ränkespiele als etwas untrennbar mit größeren Organisationen Verbundenes hinzunehmen. Etwas, das sich unweigerlich entwickelt, sobald eine Gruppe von Menschen unüberschaubar wird, an Transparenz verliert und der Kampf um Positionen beginnt.
Ein höchst interessanter Beitrag im Harvard Businessmanager 3/2011 von Anne Mulcahy, bis 2009 CEO von Xerox, lehrt mich eines Besseren. Dort wurde schon zu Beginn ihrer Amtszeit die Frage des Nachfolgers diskutiert und man entschied sich relativ rasch, wer hierfür in Frage kam. Mit anderen Kandidaten, die sich hätten Hoffnungen machen können, wurde die Situation diskutiert und sie konnten alle gehalten werden. Ein Kampf um die Top-Position fand nicht statt, weil er von Anfang an sinnlos gewesen wäre.
Um das Vorgehen auf mein erstes Beispiel anzuwenden: Könnte der Vorstandsvorsitzende nicht die Losung ausgeben: "Jedes Geschäftsfeld liefert für meine Rede genau eine Information, und diese hat genau 140 Zeichen." Worauf die Geschäftsfeldleiter wiederum ihren Abteilungen die gleiche Aufgabe stellen. Welche kurze und interessante Rede hierbei entstehen könnte.
Mit anderen Worten: Es sind die Spielregeln, die politische Spiele möglich, ja vielleicht sogar notwendig machen. Und Spielregeln kann man ändern.
Rezensionen zum Thema:
Politisch agierende Manager sind gefährlich, Financial Times Deutschland 6.4.2011
Der perfekte Übergang, Harvard Businessmanager 3/2011
Mittwoch, 18. Mai 2011
Mikropolitik lässt sich nicht vermeiden
Eingestellt von Johannes um 21:43:00
Labels: Unternehmenskultur, Veränderung
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