Offensichtlich haben Personaler nicht genug zu tun. Wie anders ist zu verstehen, dass ihnen nahegelegt wird, sich auf dem Feld der Mediation zu betätigen? Klar, sie müssen ihren Wert für die Organisation täglich neu unter Beweis stellen. Warum nicht in Sachen Konfliktmanagement? Konflikte bedeuten für jedes Unternehmen nicht nur Ärger und Verdruss, sondern auch eine Menge Kosten. Wie gut wäre es, wenn der eine oder andere Streit, ob zwischen Kollegen, zwischen Abteilungen, Mitarbeitern und Vorgesetzten, mit Kunden oder Lieferanten mit Hilfe einer Mediation beigelegt werden könnte?
Aber muss man dafür einen externen Experten ins Haus holen? Könnte doch der Personaler übernehmen. Der kennt das Unternehmen und die Menschen, ist immer in der Nähe und vor allem kostengünstiger.
Natürlich geht das nur, wenn er sich entsprechend weiterbildet. Und seine Rolle klärt. Und den Betriebsrat einbindet. Und den Rückhalt des Top-Managements genießt. Und...
Ja, und neutral bleibt. Das aber stelle ich mir extrem schwer, wenn nicht unmöglich vor. Sicher, er kann es sich vornehmen. Er kann es sogar tatsächlich sein, weil er keinerlei persönliches oder berufliches Interesse in einem Konfliktfall hat. Aber würden Sie ihm diese Rolle abkaufen? Selbst wenn er vor der Mediation keine bestimmte Meinung über die Beteiligten hat, und wenn er sich nicht mit den Personalakten beschäftigt - spätestens nach der Mediation, ob gelungen oder nicht, hat er sie. Und dann wird er eines Tages mit der Frage konfrontiert: "Sagen Sie mal, den Y, den kennen Sie doch. Wir suchen für unsere Abteilung jemanden, der... Wäre er der Richtige hierfür?" Oder er moderiert die Personalkonferenz, und dort geht es um den Entwicklungsbedarf einzelner Mitarbeiter. Was macht er mit seinem Wissen aus der Mediation? Empfiehlt er den besonders kreativen Kollegen? Warnt er vor einem sehr uneinsichtigen Mitarbeiter?
Selbst wenn er in der Praxis beide Rollen strikt trennt (eine immer wieder genannte Voraussetzung): Wird man ihm das abnehmen? Ehrlich gesagt: Ich würde das erst gar nicht fordern, weil es einfach zu viel verlangt wäre.
Und dennoch: Ich habe Personaler gekannt, die wurden von Mitarbeitern und Vorgesetzten tatsächlich in kritischen Situationen als Moderatoren und Vermittler hinzugezogen. Sei es bei internen Auseinandersetzungen, sei es bei der Moderation von Vorgesetzten-Feedback-Gesprächen. Aber nicht, weil sie Personaler waren, sondern weil es Menschen waren, denen man vertraute. So sehr vertraute, dass man den Rollenkonflikt einfach in Kauf nahm. Wer weiß, vielleicht hat hier ja der Personaler-Hut noch einen besonders motivierenden Effekt, nämlich sich so konstruktiv zu verhalten, dass er dieses Wissen gerne an entsprechender Stelle weitergeben kann.
Will sagen: Personaler sollten sich derartige Rollenkonflikte tunlichst vom Hals halten. Das erwähnte Vertrauen in ihre Vermittlungsfähigkeit hat kaum etwas mit ihrer Tätigkeit als Personaler zu tun, sondern mit ihrer Person - und solche Menschen werden Sie überall in Organisationen finden. Spüren Sie sie auf - das wäre eine gute Aufgabe für Personaler.
Rezension zum Thema:
Interne Mediation, Wirtschaftspsychologie-aktuell 3/2010
Montag, 7. März 2011
Personaler als Mediatoren?
Eingestellt von Johannes um 13:22:00
Labels: Personalmanagement, Unternehmensberatung
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1 Kommentar:
Ein sehr interessanter und ausgewogener, sich an der Praxis orientierender Artikel, der sich mit meinen HR-Erfahrungen und meiner Sicht der Dinge voll und ganz deckt und dessen Aussagen ich in jeder Beziehung unterstreichen kann. Schade, dass dies in der HR-Berichterstattung nicht häufiger thematisiert wird und in der Agenda von HR-Leuten nicht weiter oben steht.
Redaktor HR Blog
http://neuesausdempersonalwesen.blogspot.com
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