Montag, 21. Februar 2011

Von Billig- und Premium-Inhalten

Zwei Beiträge, die mir noch einmal deutlich gemacht haben, wie das Internet etablierte Geschäftsmodelle pulverisiert, neue entstehen und genauso schnell wieder verschwinden lassen kann. Klar, dass ich immer dann, wenn es um das Thema "Inhalte" geht, genauer hinschaue. Denn schließlich produziert MWonline ja auch "Inhalte".

Das eine Stichwort lautet "Open Access". Gemeint sind hier wissenschaftliche Texte, die bisher nach der Begutachtung von Experten in speziellen Fachzeitschriften veröffentlicht und dann für sehr viel Geld an Forschungsinstitute und Universitätsbibliotheken verkauft wurden. Denen aber ist dieses Wissen zu teuer geworden und sie sehen auch nicht mehr ein, dass sie die Forschungsergebnisse, die mit Hilfe öffentlicher Mittel zustande kommen, anschließend noch einmal bezahlen müssen. Wozu auch, wenn es nun die wertvollen Informationen kostenlos im Netz gibt.

Die Autoren sehen das mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es für sie stets ein Erfolg, wenn ein angesehenes Magazin ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht, das steigert das Ansehen in der Gemeinschaft der Wissenschaftler. Andererseits blieben die Werke dadurch auch nur wenigen Auserwählten zugänglich. Nun müssen sich die Verlage etwas Neues ausdenken, und das sieht so aus: Man lässt sich die Begutachtung der Texte von den Autoren bezahlen. Oder vielmehr von den Einrichtungen, an denen sie erzeugt wurden - und somit doch wieder mit öffentlichen Mitteln. Spannend, welche Nebenwirkungen es wohl hat, wenn Autoren die Gutachter bezahlen und nicht mehr die Verlage.

Eine ganz andere Auswirkung des Internets zeigt sich bei einem Geschäftsmodell, das mehr als merkwürdig ist. Ein US-Unternehmer lässt Billig-Inhalte produzieren. Die Idee ist an sich nicht schlecht: Wäre doch schön, wenn wir für jedes erdenkliche Alltagsproblem mit einem Klick die Lösung präsentiert bekämen. Der Abfluss verstopft? Läuse auf den Rosen? Pickel im Gesicht? Probleme mit der Autobatterie? Die Kinder quengeln wieder unerträglich?
Die Antworten stecken zwar ohnehin jetzt schon irgendwo im Netz, aber auf Ehow.com findet man alle diese Weisheiten in konzentrierter Form. 20.000 Artikel und Videos lässt demand media hierfür produzieren, für jeweils ein paar Dollar. Vom Untergang des Journalismus ist schon die Rede, von "Trash Content" sprechen andere. In der Tat: Da mag ja so manch guter Tipp zu finden sein, aber würden Sie den Ratschlägen trauen, die die Hobbygärtner und Erziehungsexperten dort verbreiten?

Aber welches Geschäftsmodell steckt dahinter? Selbst bei wenigen Dollar pro Beitrag kommen da erhebliche Kosten zusammen. Die Antwort: Demand Media füttert mit diesen Inhalten große Portale, produziert inzwischen die meisten Videos für YouTube. Je mehr Billigware man produziert, umso häufiger ist diese im Internet zu finden, damit steigen die Werbeeinnahmen z.B. über die Google-Suche. Womit nun wiederum Google ein Problem bekommt. Denn damit passiert etwas, was viele schon lange beklagen: Das Internet wird schlichtweg verstopft mit Müll. Irgendwann ist der Sucher so entnervt von den Suchergebnissen, die ihn zu Ehow-Beiträgen führen, dass er sich von Google abwendet. Und genauso von YouTube. Dann könnte sich Google überlegen, den Suchalgorithmus zu ändern und bestimmte Suchresultate nach hinten verbannen. Und schwups, geht ein Geschäftsmodell den Bach runter, das ohne Internet nicht denkbar wäre. Schon verrückt, oder?

Rezensionen zum Thema:
World Wide Wissenschaft, Financial Times Deutschland, 10.2.2011
Mit Internet-Trash an die Wall Street, Financial Times Deutschland, 10.2.2011

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