Mittwoch, 24. April 2013

Was ist Vertrauen?

Vertrauen scheint das neue Zauberwort in der Managementlehre zu sein. Naja, nicht ganz so neu. Aber irgendwie scheint klar zu sein, dass sich in einer Umgebung, die von Vertrauen geprägt ist, besser arbeiten lässt. Dass sowohl das Klima, die Motivation als auch die Leistung positiv beeinflusst werden, wenn Menschen das Gefühl haben, ihnen wird vertraut.
Doch mit der genauen Beschreibung des Phänomens "Vertrauen" tut man sich schwer. Und damit natürlich auch mit einfachen Rezepten, nach denen wir alle suchen. Wie ist das denn nun mit dem Vertrauen?

Mal ganz einfach: Man trifft eine Vereinbarung mit jemandem - mit einem Geschäftspartner, einem Mitarbeiter, einem Kollegen, einem Vorgesetzten usw. Diese Vereinbarung muss nicht unbedingt schriftlich niedergelegt sein. Sie muss nicht einmal ausgesprochen werden. Wenn ich einem Mitarbeiter den Schlüssel für die Kasse gebe, dann ist damit klar, dass ich davon ausgehe, dass er sich nicht aus ihr bedient.

Vertrauen bedeutet doch nun ganz simpel die Erwartung, dass sich der andere an die Vereinbarungen hält, ohne dass ich dies kontrolliere. Anders ausgedrückt: Je weniger Kontrolle ich ausübe, desto größer das Vertrauen. Zu einfach?

Eigentlich nicht. Wenn ich auf Kontrolle verzichte, signalisiere ich dem anderen, dass ich ihm voll und ganz vertraue, mir sicher bin, dass er sich so verhält, wie dies vereinbart wurde. Wenn Sie sich in Ihrem Unternehmen umschauen, können sie relativ schnell feststellen, wie es dort um das Vertrauen bestellt ist. Schauen Sie sich einfach an, wie viel kontrolliert wird, was kontrolliert und wie oft kontrolliert wird. Viel Kontrolle ist ein Zeichen dafür, dass den Mitarbeitern eher wenig vertraut wird.

Wie verhalten sich Menschen, denen man nicht vertraut? Relativ intelligent nach dem Motto: "Wer anderen nicht vertraut, der würde im Zweifelsfall selbst Vertrauen missbrauchen. Weil er selbst es mit der Arbeitszeit nicht so genau nimmt, glaubt er das von mir auch. Dann hat er es nicht besser verdient, wenn er übers Ohr gehauen wird." Misstrauen erzeugt in der Regel genau das Verhalten, dass man vermeiden möchte.

Also ist die absolute Abwesenheit von Kontrolle das Zeichen für das perfekte Unternehmen? Theoretisch ja, praktisch nein. Weil Menschen nicht perfekt sind. Menschen machen Fehler. Weil Mitarbeiter nun mal Menschen sind, werden sie sich hin und wieder nicht an Vereinbarungen halten. Oft genug ohne jegliche Absicht.

Wenn Mitarbeiter ihre Stunden selbst aufschreiben und diese Liste am Ende eines Monats Basis für das Zeitkonto ist, dann kann man den Ergebnisses trauen oder nachrechnen. Rechnet man nach, wird man feststellen, dass einige sich verrechnet haben. Zu ihren Gunsten oder zu Gunsten des Arbeitgebers.

Als Arbeitgeber habe ich nun die Wahl: Vertraue ich auch in diesem Fall, wohlwissend, dass es Fehler geben wird, die sich aber irgendwie ausgleichen? Und erspare mir das mühsame Nachrechnen? Das Beispiel ist nicht erfunden, sondern genau so aktuell passiert. Und in diesem Fall hatte sich ein Mitarbeiter tatsächlich zugunsten des Unternehmens, ein anderer zu seinen eigenen Gunsten vertan.

Wenn ich das Risiko nicht eingehen will, kontrolliere ich. Und erkläre, warum ich kontrolliere. Eben weil ich davon ausgehe, dass Fehler menschlich sind und (darauf kommt es an) es Situationen gibt, in denen ich Fehler nicht tolerieren kann oder darf. Hier geht es letztlich um eine Abwägung - wie immer. Ich muss abwägen, ob ich den Schaden, der mir bzw. dem Unternehmen entsteht, wenn ich gar nicht kontrolliere, tolerieren kann und will.

Genau die Überlegung stellen offenbar viele Unternehmer und Führungskräfte gar nicht an. Wenn ich hochkomplexe und teure Zeiterfassungssysteme installiere, weil ich fürchte, dass einige Mitarbeiter das Vertrauen missbrauchen könnten, berücksichtigen sie nicht die Wirkung des Misstrauens, das ich allen, auch den loyalen Mitarbeitern, entgegenbringe. Würden sie dies tun, würden sie vielleicht das Risiko, von wenigen Mitarbeitern "betrogen" zu werden, in Kauf nehmen.

Wenn ich hingegen Sicherheitskontrollen einführe, weil der Verrat eines Betriebsgeheimnisse durch einen einzigen Mitarbeiter die Existenz bedrohen könnte, dann dürften diese Maßnahmen auch so zu erklären sein, dass alle "ehrlichen" Zeitgenossen dies nachvollziehen können.

Also eigentlich doch ganz einfach, das mit dem Vertrauen...

Rezensionen zum Thema:
Selbstkontrolle von Mitarbeitern fördern
Vertrauen in der Krise
Vertrauen ist sowohl Substantiv als auch Verb
Vertrauen schafft Kreativität, Zeitschrift Führung + Organisation 2/2013

Sonntag, 21. April 2013

Reichtum

Nahezu ein ganzes Heft hat die "Wirtschaftswoche" dem Thema "Reichtum" gewidmet. Einige Wochen bevor Bayern-Präsident Uli Hoeneß sich mit peinlichen Enthüllungen über Schwarz-Geld-Millionen in der Schweiz beschäftigen muss.

Der interessanteste Satz in den vielen Beiträgen lautet: "Geld verdirbt zwar nicht den Charakter, aber es macht ihn sichtbar." Ich bin mir da nicht so sicher. Was ist davon zu halten, wenn Menschen große Reichtümer anhäufen zulasten anderer oder wie hier zitiert wird: "Großen Reichtum anzuhäufen funktioniert, indem man sich einen Teil des Eigentums oder der Produktion anderer Menschen sichert." (aus: Cynthia Crossen: "The Rich and How They Got That Way"), und dann, wenn sie reicher sind, als man es sich vorstellen kann, ihre philanthropische Ader entdecken? Heißt das, ihr Reichtum bringt erst ihren wahren Charakter, nämlich den eines Menschenfreundes, ans Licht?

Ich weiß, so ist das nicht gemeint. Und dass eine Zeitschrift wie die Wirtschaftswoche uns erklärt, dass ohne wohlhabende Zeitgenossen die Welt ärmer wäre, wundert uns auch nicht. So lernen wir, dass einer Stadt (wie Stendal) ohne Reiche die Dynamik fehlt; dass Schwarz-Gelb die Wohlhabenden hätschelt und pflegt, damit sie im Lande bleiben und Rot-Grün sie am liebsten kräftig melken würde.

Wir erfahren - und das ist wiederum eine Diskussion wert -, dass man zwischen "gutem und schlechtem Reichtum" unterscheiden sollte. Wer per Steuerhinterziehung oder Lohndumping zu seinen Millionen gekommen ist, gehört zu den "schlechten" Reichen. Wohlhabende "Muster-Mittelständler" oder Stars aus Sport und Musik hingegen zu den Guten. Und spendable Stifter natürlich auch. Was die Frage aufwirft: Wozu gehören Adelsgeschlechter, die Millionen schwer sind, weil ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren als Raubritter kräftig Beute gemacht haben? Schwierig...

Bleibt noch die Kolumne von jemandem, der es wissen muss. Abtprimus Notker Wolf von den Benediktinern stellt die interessante Frage, was Reichtum überhaupt ist. Die Frage wird in dem Heft zwar an anderer Stelle schon beantwortet - nämlich über so viel Geld und Besitz zu verfügen, dass der eigene Lebensunterhalt nicht mehr durch Arbeit bestritten werden muss - aber der Pater hat noch mehr zu bieten: "Reichtum ist die Fülle materieller oder geistiger Güter, derer wir uns erfreuen..." Das ist irgendwie typisch, oder? Tröste sich, wem der materielle Reichtum versagt bleibt, man kann auch über geistigen Wohlstand verfügen.

Es kommt noch besser. Jesus antwortet in der Bibel auf die Frage, ob Reichen der Himmel verschlossen bleibe, mit dem Vergleich vom Kamel, dass eher durch ein Nadelöhr geht. Bitter für die Reichen, aber es gibt einen Ausweg. Es folgt der tröstliche Satz: "Menschlich ist das nicht möglich, aber bei Gott ist alles möglich." Aufatmen bei den Reichen. Geht also doch, das mit dem Kamel und dem Nadelöhr.

Und das Beste: Er zitiert das Gleichnis vom Gutsherren, der seinen Dienern etliche Talente (Gold) hinterlässt und auf Reisen geht. Als er zurückkommt, lobt er diejenigen, die sein Vermögen vermehrt haben. Denjenigen, der sein Geld vergraben hat, macht er zur Schnecke mit den Worten: "Hättest du das Geld wenigstens zur Bank gebracht!" (nicht mal das würde er heute vermutlich sagen).

Bisher hatte ich das immer so verstanden, dass es hier darum geht, etwas aus seinem "Talent" zu machen und sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Aber stimmt gar nicht. Pater Wolf sieht die Sache viel materieller: "Jesus sagt uns damit, dass Geld vermehren a priori keineswegs etwas Schlechtes, sondern nützlich und erforderlich ist..."
Und wer über kein reich gefülltes Bankkonto verfügt, darf sicher den Begriff "Talent" wörtlich nehmen...

Passende Artikel zum Thema:
Kamel durchs Nadelöhr, Wirtschaftswoche 13/2013
Eine verhängnisvolle Affäre, Wirtschaftswoche 13/2013
Vermögenswirksame Leistungen, Wirtschaftswoche 13/2013
Die Abzocker, Handelsblatt 25.2.2013



Sonntag, 14. April 2013

Inhalt vor Verpackung

Das ist witzig. Kürzlich las ich wieder mal, dass die Stimme angeblich über ein Drittel zur Überzeugung beiträgt, während der Inhalt des Gesprochenen nur 7% ausmacht. Jedes Mal, wenn ich davon hörte, dachte ich: Was für ein Blödsinn - dann könnte ich ja sinnloses Zeugs brabbeln und würde allein durch meine Stimme und die Körpersprache (die angeblich 55% Anteil am Erfolg einer Botschaft hat) meinen Gegenüber gewinnen. Jedes Mal habe ich mir vorgenommen, doch einmal dieser merkwürdigen Behauptung, mit der alle Präsentations- und Rethorik-Trainer durch die Lande ziehen, auf den Grund zu gehen. Und habe es dann doch wieder vergessen.

Bei der Durchsicht der managerSeminare 3/2013 nun fand ich in "Wieners Wortblase" mit der Überschrift ("Von wegen Körpersprache", S.45) nun die Erklärung. Der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian führte in den Sechziger Jahren Experimente durch, bei denen Probanden einzelne Worte mit unterschiedlicher Mimik und Betonung vortragen mussten.

EINZELNE Worte! Da ahnen wir, dass der Inhalt keine allzu große Rolle spielt, oder? Es lief wohl so ab: Menschen haben positive, negative oder neutrale Begriffe mal mit positiver, mal mit neutraler und mal mit negativer Betonung vorgetragen, und die Probanden sollten dann beantworten, was sie verstanden haben. Dabei spielten dann Mimik und Stimme eine größere Rolle als die Bedeutung des Wortes. Eben im Verhältnis 7 (Inhalt) zu 38 (Stimme) zu 55% (Mimik). Nicht besonders überraschend, oder? Was ist ein einzelnes Wort im Vergleich zur Komplexität der Mimik und der Stimme. Das dürfte sich nur dramatisch ändern, wenn man einen ganzen Satz spricht oder gar einen ganzen Vortrag hält...

Und seitdem werden in Trainings den Menschen diese Zahlen als Fakt unter die Nase gerieben, damit sie fleißig an Stimme und Körpersprache feilen. Man sollte in der Tat sogenanntes Expertenwissen hin und wieder mal hinterfragen. Und weiterhin getrost sein Hauptaugenmerk auf den Inhalt der eigenen Aussagen legen. Ein Dankeschön an Herrn Wiener und die managerSeminare.

Rezension zum Thema:
Arno Fischbacher: Geheimer Verführer Stimme

Samstag, 6. April 2013

Strategiewechsel

Strategiewechsel sind mittlerweile alltäglich. Wer länger in einem Unternehmen beschäftigt ist, wird vermutlich eine Menge solche Richtungswechsel erlebt haben. Aber verstehen sie die jeweilige Strategie auch? Stehen sie hinter ihr? Eine Studie hat 60.000 vertrauliche Antworten ausgewertet und festgestellt, dass das Verständnis von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst ist: Von den Arbeitsbedingungen z.B., speziell von Weiterbildungsangeboten und klaren Karrierewegen. Und vom Vertrauen ins Topmanagement. Hier war der Zusammenhang am größten.

Logisch, mag man sagen. Das Topmanagement entscheidet über die neue Strategie, also muss es sie auch verständlich rüberbringen. Die Autoren der Studien bezweifeln, ob das mit Hilfe der überall vertretenen Kaskadenmethode funktioniert. Und sie haben gute Gründe für diese Zweifel: Die Studie zeigte, dass das Verhalten der direkten Vorgesetzten keinen bedeutenden Einfluss auf das Strategieverständnis hat. Soll heißen: Selbst wenn die direkten Führungskräfte hinter der Strategie stehen und diese vertreten, heißt das noch lange nicht, dass die Mitarbeiter ihnen das abnehmen.

Wenn aber das Topmanagement sich vor die Mannschaft stellt, hat dies eine ganz andere Wirkung. Es kann sich dabei nicht durch andere vertreten lassen. Empfehlung der Autoren: "Vorstände müssen neue Wege finden, um die Distanz zwischen Topmanagement und Belegschaft zu verringern." Kaskadenförmig über die Organisation ausgebreitete Info-Veranstaltungen verfehlen möglicherweise den angestrebten Effekt.

Quelle: Charles Galunic / Immanuel Hermreck: Alles hängt am Vorstand, Harvard Business Manager 2/2013 S. 14/15

Donnerstag, 4. April 2013

Jammern

75 Prozent der Arbeitszeit verbringen Manager in Unternehmen mit der Vorbereitung, dem Besuch und der Leitung von Besprechungen. Das ist an sich ja kein Problem, denn Führung ist nun mal vor allem Kommunikation. Dumm nur, dass ein Großteil dieser Zeit alles andere als sinnvoll genutzt wird. Laut einer Studie, bei der über 400 Gruppen bei mehr als fünf Sitzungen begleitet und die Besprechungen aufgezeichnet wurden, wird dabei vor allem eins getan: Gejammert. Und zwar 16mal häufiger als dass über Lösungen bzw. die Umsetzung von Lösungen gesprochen wird.

Die Forscher stellten fest, dass Jammern ansteckend ist. Wenn ein Teilnehmer damit beginnt, schließen sich die anderen früher oder später an. Und es gibt einen mittleren Zusammenhang zum Unternehmenserfolg: Je mehr gejammert wird, desto schlechter die Innovationstätigkeit und der wirtschaftliche Erfolg (oder umgekehrt, das ist wie immer bei Statistik). Es gibt allerdings keinen Zusammenhang zur Persönlichkeitsstruktur der Beteiligten.

Was tun? Die Forscher empfehlen, von Standardbesprechungen Abstand zu nehmen, sondern nur dann Meetings einzuberufen, wenn konkrete Dinge zu besprechen sind. Außerdem sollte man hellhörig werden, wenn Sätze wie "Das geht nicht!" - "Das haben wir schon immer so gemacht!" oder "Das kostet zu viel!" fallen - solche Killersätze sollte man vermeiden.

Mmh, ein weiser Rat. Ob das funktioniert? Klingt so, als empfehle man Menschen, die erkältet sind und husten müssen, das Husten zu unterlassen. Okay, vielleicht etwas arg weit hergeholt. Aber ist nicht auch das Jammern ein Symptom? Eines, das offenbar sehr ansteckend ist? Wäre es dann nicht weiser, sich der Erkältung zu widmen?

Ich fürchte, so wie sich manche Krankheiten nicht ohne fremde Hilfe kurieren lassen, dürfte auch das Problem des Jammerns nur schwer aus eigener Kraft zu beseitigen sein. In diesem Fall würde ich eher empfehlen, jemanden hinzuzuziehen, der das Problem direkt anspricht und dem Team hilft, den Virus zu benennen und zu beseitigen. Was vermutlich umso schwieriger wird, je weiter er im Unternehmen verbreitet ist.
Quelle: Raus aus dem Jammertal, Harvard Business Manager 2/2013 S. 12-14

Mittwoch, 3. April 2013

Big Data

Beeindruckend, bemerkenswert, erstaunlich und - gruselig. Auf keinen Fall offenbar Science-Fiction. Die Rede ist von Big Data. Was das ist? Stellen Sie sich vor, jeder Einkauf mit einer Kreditkarte erzeugt eine bestimmte Datenmenge. Zum Beispiel wird dabei erhoben, was jeder Kunde genau gekauft hat. Wie viele Daten dabei weltweit pro Minute zusammenkommen, mag man nur ahnen. Und nun?

All diese Daten lassen sich auswerten. Bisher war das offenbar langwierig, einfach wegen der begrenzten Kapazität von Rechnern. Die Daten mussten erst auf Festplatten gespeichert und von dort wieder zur Analyse geladen werden. Das aber ist nun dank superschneller und dabei immer günstigerer Chip-Technologie gar nicht mehr nötig. Unfassbar leistungsstarke Arbeitsspeicher ermöglichen, dass die Daten sofort bearbeitet werden können. Und für erstaunliche Erkenntnisse sorgen.

Etwa diese: Die Einzelhandelskette Coop erkennt anhand der Daten in Kombination mit Wetterdaten den Bedarf an Grillfleisch und sorgt dafür, dass die Kühltruhen zum richtigen Moment gefüllt sind.

Praktisch, aber nicht sonderlich aufregend? Wie wäre es dann damit: Bei der US-Kette Target hat man die Zusammensetzung der Einkäufe ausgewertet und festgestellt, dass werdende Mütter bestimmte Produktkombinationen erwerben, die sich von den Einkäufen Nicht-Schwangerer unterscheiden. Die Trefferquote ist so hoch, dass man den Kundinnen passende Angebote nach Hause schickt.

Bei dem Bespiel ist mir nicht klar, ob man sogar die Schwangerschaft an der Zusammensetzung der Produkte erkennen kann, BEVOR die Mutter selbst etwas ahnt. Aber zumindest bevor der Vater einer  minderjährigen Schwangeren etwas von seinem Glück erfuhr. Man kann sich die Freude vorstellen.

Weitere Anwendungen, die nur grob erahnen lassen, was auf uns zukommt: Eine Immobilienfirma wertet aus, wie oft die Aufzüge in einem Bürogebäude in bestimmten Stockwerken anhalten. Sinken die Werte, weiß man lange im Voraus, dass ein Mieter vermutlich Pleite geht und kündigen wird. Dann kann man schon mal mit der Suche nach Nachmietern beginnen und Leerstände vermeiden.

Oder: Eine Krankenkasse stellt fest, dass ein seltenes Medikament plötzlich ungewöhnlich oft verschrieben wird und kommt einem Pferdedoping-Skandal auf die Spur.

Oder: Sensoren im Auto erfassen, wo sich der Besitzer rumtreibt und wie es um sein Fahrverhalten steht. Die Versicherung bietet im je nach Ergebnis der Auswertung einen Nachlass der Versicherungsprämie an.

Gerade das letzte Beispiel ließe sich prima fortspinnen. Wenn Sensoren in unseren Schuhen erfassen würden, wie viel wir uns bewegen, könnte doch unsere Krankenkasse Rabatt gewähren? Oder Sensoren in Zahnbürsten ermitteln die Häufigkeit der Anwendung. Vorausgesetzt, wir lassen nicht andere für uns laufen oder bürsten...
Und überhaupt wozu Sensoren? Kann unser Handy nicht unfassbar viele Daten liefern? Die Anwendung von Big Data auf diesem Gebiet wird uns noch mächtig beschäftigen, denke ich.

Bleibt ein kleines Problem: Werden wir gefragt, ob wir das wollen? Im Fall der Sensoren im Auto erfolgt die Anwendung mit Zustimmung der Autofahrer. Ob das die Regel oder die Ausnahme bleibt, wird sich zeigen. Ich vermute mal, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Zukunft immer komplizierter und für niemanden mehr zu durchschauen sein werden. Auf jeden Fall ein ganz großes Geschäft und viele spannende Fragen...

Rezension zum Thema:
Immer auf die Sekunde, Wirtschaftswoche 10/2013