Mittwoch, 27. Februar 2013

Potenzialanalyse für Achtklässler?

Wenn man sich ärgert, sollte man erst einmal eine Nacht drüber schlafen. Wenn man sich besonders stark ärgert, vielleicht auch zwei oder drei Nächte. Und was, wenn der Ärger anhält? Einen Blog-Beitrag schreiben.

Vielleicht erst einmal zum Hintergrund. Ich habe viele Jahre Assessment Center entwickelt und noch mehr moderiert. Ich bilde mir ein, eine ziemlich genaue Vorstellung davon zu haben, was dieses Instrument kann und was nicht. Weshalb ich heute keine ACs mehr betreue.
Und ich weiß, dass es bestimmte Merkmale gibt, die unabdingbar für dieses Instrument gelten (auch wenn die Praxis nicht selten weit davon abweicht.) Als da wären:

Das Mehraugenprinzip: Ein Kandidat wird bei der Durchführung der Übungen von mehreren Beobachtern, die speziell geschult sind, beobachtet.
Das Anforderungsprofil: Damit die "richtigen" Kompetenzen beurteilt werden können, wird im Vorfeld ein Anforderungsprofil erstellt, zu dem dann die passenden Übungen erstellt werden. Irgendwie sinnvoll, oder? Wenn ich die konkreten Anforderungen einer späteren Aufgabe oder Stelle nicht kenne - was soll ich dann messen?

Nun zum "Stein des Anstoßes". Auch hier erst einmal zum Hintergrund. Die Schule soll auf das Leben vorbereiten, allerdings, so haben die Experten festgestellt, hilft sie jungen Menschen nur wenig, wenn es um die bedeutende Frage geht: Was mache ich nach der Schule? Da die Schulabgänger immer jünger werden, stellt sich für viele diese Frage nun noch früher.  Also haben sich verantwortungsbewusste Menschen überlegt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Herausgekommen ist unter anderem eine Potentialanalyse für alle Schüler/innen der Jahrgangsstufe 8 - wir reden hier von 14jährigen! 

Was darunter zu verstehen ist? Ein Verfahren, bei dem Arbeitsproben im Rahmen einer "eintägigen Durchführung im Umfang von mind. sechs Stunden an einem außerschulischen Lernort mit Bezug zu mindestens zehn verschiedenen Berufsfeldern" den Schwerpunkt bilden. "Die Schüler/innen erhalten Aufgaben, die sie einzeln oder in Kleingruppen bearbeiten, wobei Elemente aus Assessment-Verfahren exemplarisch zum Einsatz kommen können. Sie werden dabei von eigens geschultem Personal beobachtet und eingeschätzt (i.d. Regel ein/e Beobachter/in für je vier Jugendliche)."

Kein Witz. Wo andere versuchen, spezifische Anforderungen eines Berufes mit möglichst realitätsnahen Arbeitsproben abzubilden (z.B. für eine Ausbildung zum Schreiner mit dem  Zusammensetzen eines Bausatzes), sollen hier in sechs (!) Stunden zehn Berufsfelder abgedeckt werden. Wie das wohl aussehen soll: Ein Rezept nachkochen für den Koch, eine elektrische Schaltung montieren für den Elektriker, einen Dreijährigen beruhigen für den Erzieher, einen unverständlichen Text verfassen für den Juristen, einen Frosch zerlegen für den Chirurgen....??

Die zu erfassenden Kompetenzen werden gleich mitgeliefert:

Grobmotorik, feinmotorische Handgeschicklichkeit, Textverständnis, Fähigkeit, Handlungsanweisungen umzusetzen und fachbezogenes Wissen praktisch anzuwenden, Sprachbeherrschung, rechnerisches Denken und räumliches Vorstellungsvermögen, Fähigkeit, strukturiert vorzugehen, Orientierung im Raum, Fähigkeit zur Sachanalyse, kreative Lösungsansätze,
Konzentrationsfähigkeit, Sorgfalt, Bearbeitungsgeschwindigkeit, Ausdauer, Auffassungsvermögen, kommunikativer Anteil an Lösungsschritten bei Gruppenaufgaben, Fähigkeit zu vermitteln und zu kooperieren, Motivation, Leistungsbereitschaft, Geduld. 

Halbes Augen-Prinzip

Statt eines Mehr-Augen-Prinzips gilt hier das Prinzip "Halbes Auge" - vier Schüler pro Beobachter. Nachvollziehbar, wenn man sich überlegt, dass das AC das aufwendigste und kostspieligste Verfahren in der Eignungsdiagnostik darstellt. Hier sollen die Kosten 100 Euro (!) pro Schüler betragen. Inklusive Auswertungsgespräch, bei Bedarf auch noch mit den Eltern. Auf die Qualifikation der Fachleute, die hier zu Werke gehen, bin ich gespannt.

Woher ich das habe? Es geht um "Das neue Übergangsystem Schule - Beruf in NRW", die Empfehlungen für die Potenzialanalyse können auch heruntergeladen werden.

Ich schenke mir weitere Anmerkungen und bin gespannt auf kompetente Kommentare.

Aber zurück zum Ärger: Als ich 17 war, habe ich aus Interesse an einem Berufseignungs- und Neigungstest teilgenommen. Der Psychologe empfahl mir, es mit Förster zu versuchen. Worauf ich mich entschloss, Psychologie zu studieren. Hätte ich mal auf ihn gehört, wäre mir zumindest dieser Ärger erspart geblieben.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Vertrauen managen?

Welche Art von Unternehmenskultur hätten Sie denn gerne? Eine, in der Mitarbeiter Anerkennung und Wertschätzung genießen? In der es fair zugeht, Führungskräfte den Mitarbeitern vertrauen und umgekehrt? In der Ideen und Innovationen gedeihen? In der keine Angst vor Fehlern herrscht? In der die Menschen gerne arbeiten und sich wohl fühlen?

Sicher, eine Utopie. Aber man darf ja träumen. Und versuchen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine solche Kultur wahrscheinlicher wird. Indem man sich zum Beispiel um mehr Vertrauen bemüht. Ein schwieriges Unterfangen. Wie so oft, wenn es um Fragen der Kultur geht. Woran liegt das?

Vielleicht daran, dass man so etwas wie Vertrauen gar nicht managen kann? Ein Projekt kann man managen, soll heißen: Man setzt sich ein Ziel, plant Maßnahmen, stellt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, kontrolliert die Umsetzung bzw. die Ergebnisse und justiert nach, wenn es notwendig ist. (Naja, Projektmanager werden vielleicht widersprechen und halten auch Projekte für nicht "managebar".)

Aber wie managt man Vertrauen? Da beginnt das Problem schon bei der Zielformulierung. Woran erkennt man, ob Führungskräfte ihren Mitarbeitern vertrauen? Daran, dass sie wenig Kontrolle ausüben. Aber welche Maßnahmen beschließt man? Untersagt man den Managern, zu kontrollieren? Wohl kaum. Was dann?

Man appelliert an sie: "Vertraut euren Mitarbeitern!" Das funktioniert aber ebenso wenig wie der Appell: "Erkennt und wertschätzt die Leistung der Mitarbeiter." Warum nicht?

Vielleicht ist das am anschaulichsten mit einer anderen bekannten Forderung zu demonstrieren. Führung funktioniert, wenn man seine Mitarbeiter mag. (Eine gute Frage an Manager: "Mögen Sie Ihre Mitarbeiter?" Wenn Sie hierauf die Antwort erhalten: "Ich muss sie führen, nicht mögen", dann wissen Sie, dass es ein Problem mit Wertschätzung und Vertrauen gibt - garantiert!)

Nun fordern Sie mal Menschen auf, ihre Mitmenschen zu mögen. Ist "jemanden mögen" etwas, das wir aktiv TUN können? Wohl kaum. Müssen wir uns also damit begnügen, dass die eigenen Manager ihre Mitarbeiter zufällig mögen oder nicht? Ihnen vertrauen oder nicht? Ihre Leistung wertschätzen oder eben nicht?

Vielleicht kann man all das nicht managen wie oben beschrieben. Aber wir können Manager anhalten, darüber nachzudenken. Sich selbst zu fragen, wie es denn mit der Zuneigung (hoppla, was für ein Begriff im Zusammenhang mit Management), dem Vertrauen und der Wertschätzung bestellt ist. Wäre mal eine spannende Geschichte: Der Vorstand trifft sich und reflektiert über das Ausmaß der Zuneigung, der Wertschätzung und des Vertrauens gegenüber der nächsten Ebene. Da würde ich gerne mal dabei sein. :-)

Aber wenn das eventuell arg viel verlangt ist, dann könnte man auch einmal die Systeme im Unternehmen bezüglich der genannten Merkmale betrachten. Zumindest bezüglich der Merkmale Vertrauen und Wertschätzung. Welche Kontrollmechanismen gibt es? Welche Daten werden erhoben und was signalisiert das? Eher Vertrauen oder eher Misstrauen? Und was ist mit Sanktionsmechanismen? Was wird belohnt, was eher bestraft? Welche Signale werden hier bezüglich Wertschätzung und Anerkennung ausgesendet?

Statt alljährlich die Mitarbeiter zu befragen, wie sie sich fühlen, das Geld lieber in solche Analysen stecken. Und vielleicht doch mal ganz oben mit der Frage beginnen: "Mögen Sie Ihre Mitarbeiter?"

Rezension zum Thema:
Risiken und Chancen einer widerspenstigen immateriellen Ressource, Personalführung 2/2013

Montag, 11. Februar 2013

Hört auf zu motivieren 2

Nachdem eine kleine Diskussion in Gang gekommen ist, hier einige weitere Überlegungen zu dem Thema, angeregt durch Kommentare und Fragen zu meinem Beitrag "Hört auf zu motivieren".

Wie wir nicht erst seit F.Schulz von Thun (Miteinander reden) wissen, besteht jede Botschaft auch aus einem Appell, oder anders ausgedrückt: Wann immer wir kommunizieren, wollen wir eine Reaktion beim anderen erzeugen. Und sei es "nur", dass er uns zuhört. Damit ist jegliche Form der Kommunikation gleichzeitig auch ein Versuch zu motivieren. Aber meinen wir das, wenn wir im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" reden?

Eher nicht. Das wäre ja auch zu einfach. Wir bitten jemanden, etwas zu tun. Oder wir fordern ihn auf. Wie auch immer: Dann kann er entscheiden, ob er unserer Bitte, unserer Aufforderung folgt oder nicht. Wir könnten Führungskräfte darin schulen, ihre Appelle klar und deutlich zu formulieren, alles wäre Kommunikation, nicht Motivation.

Was aber, wenn der andere sich entscheidet, unserer Aufforderung nicht nachzukommen, aus welchen Gründen auch immer. Müssen wir dann "motivieren"? Oder verhandeln wir dann nicht eher? Wir bieten ihm eine Gegenleistung. Eine Prämie z.B. Das meinte ich mit "Bezahlen". Wann immer ich mit einem anderen einen Preis aushandle, schließe ich einen Vertrag. Nicht unbedingt einen schriftlichen, aber immer einen Vertrag. Er kennt den Preis und weiß, was er dafür zu leisten zugesagt hat. Das ist transparent und nachvollziehbar. Er kann sich auf den Vertrag einlassen oder nicht.
Ist das Motivation?

Oder geht es nicht um noch etwas anderes? Ich möchte, dass der andere sich so verhält, wie ich es gerne hätte, aber ohne klaren Vertrag. Ich stelle etwas in Aussicht, das ich bereit bin zu zahlen, wenn es mir passt und angemessen erscheint. Viele Firmen stellen Budgets für Einmalzahlungen zur Verfügung. Damit können die Führungskräfte besondere Leistungen honorieren. Ohne vorherigen Vertrag. Sie ziehen die Belohnung aus der Tasche, wenn sie es für angemessen halten.

Ist das Motivation? Ich würde es operantes Konditionieren nennen. Oder Dressur. Mal kommt die Futterpille, dann ein paar Mal nicht, dann kommt sie wieder. Und der andere strengt sich an in der Hoffnung, dass sie irgendwann wieder verabreicht wird. Wollen wir Führungskräften helfen, Mitarbeiter zu konditionieren?

Also gar kein Geld für Leistung ausschütten? Natürlich. Ich bin ein großer Befürworter von erfolgsabhängiger Entlohnung. Wenn Unternehmen Gewinne machen und vorher klar kommunizieren, wie viel hiervon auf die Mitarbeiter nach welchem Muster verteilt wird, dann weiß jeder, was ihn bei welchem Ergebnis erwartet. Ist das Motivation? Ich würde es eine klare Absprache nennen: Leistung und Gegenleistung. Transparent und nachvollziehbar.

Loben heißt Erziehen wollen

Was ist mit Lob, über das sich doch jeder freut? Ich zähle es zur Kategorie der Einmalzahlungen. Der Vorgesetzte lobt, wenn er das für angemessen hält. Und hält es zurück, wenn es ihm "zu viel" wird. Wie die Futterpille.

Aber halt, es geht doch um "ernst gemeinte Wertschätzung". Allein das ist doch ein interessanter Ausdruck. Was soll denn das sein? Etwas anderes als echte Freude über ein Verhalten, ein Ergebnis? Freude, weil dem Mitarbeiter etwas Besonderes gelungen ist. Weil man gemeinsam ein Ziel erreicht hat. Weil ein unerwartetes Problem schnell und unbürokratisch gelöst wurde.
Wenn das gemeint ist, dann bin ich sehr für Loben.

Aber Freude ist kein Lob, Freude ist, nach Schulz von Thun, zuerst einmal Selbstmitteilung. Wie würden wir uns fühlen, wenn jemand, dem wir mit einem Geschenk eine Freude machen, uns für unsere Anstrengungen lobt - mit der Absicht, uns zu motivieren, damit wir uns bei der nächsten Gelegenheit wieder viel Mühe zu geben?

Ein Lob enthält immer eine "Beurteilung". Eine positive zwar, aber es bleibt eine Beurteilung. Eine Beurteilung erfolgt von oben nach unten (nachzulesen bei Marshall Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation"), vom Erwachsenen-Ich zum Kindheits-Ich. Es hat den Anspruch der Erziehung.
Daher hüte ich mich, Führungskräfte zu erklären, wie man "ernst gemeint lobt".

Was bleibt dann noch übrig? Nachdem also nichts von all dem "Motivation" sein soll? Eben das, was wir aber auch schon lange wissen. Dass Menschen von sich aus motiviert sind, etwas zu tun. Wenn sie einen Sinn darin sehen, was sie tun. Wenn sie, in der Rolle eines Mitarbeiters, nicht das leisten, zu was sie sich vertraglich verpflichtet haben, eben nicht "motiviert" werden müssen, sondern man gemeinsam herausfinden muss, was sie davon abhält, sich an den Vertrag zu halten. Und diese Hürden beseitigt. Eine so anspruchsvolle Aufgabe, dass Führungskräfte darüber kaum Zeit bleiben wird, noch zusätzlich zu "motivieren"...

Bleibt noch eine Frage: Wenn es mir gelingt, mit diesem Beitrag Leser zu "motivieren", hierauf zu antworten - was ist das dann? Widerspreche ich mir damit nicht völlig?

Keineswegs. Natürlich möchte ich damit eine Reaktion auslösen, das ist eben Kommunikation (siehe oben). Das tue ich, indem ich ein Problem schaffe. Wir lieben Probleme und Herausforderungen: Ob Kreuzworträtsel, ungelöste wissenschaftliche Fragen, scheinbar unbezwingbare Berge oder Wüstenregionen - Menschen sind motiviert, Probleme zu lösen.

Ob jemand auf mein erzeugtes Problem reagiert und wer reagiert, kann ich nicht beeinflussen. Die Leser, die von sich aus motiviert sind, werden reagieren. Andere müsste ich dafür bezahlen.

Samstag, 9. Februar 2013

Erfolge der Stars?

Mal angenommen, man könnte tatsächlich herausfinden, was erfolgreiche CEOs von weniger erfolgreichen unterscheidet - was dann? Im Harvard Business Manager 01/2013 werden uns die weltweiten Top 50 präsentiert. Ihr Erfolg über viele Jahre wird dabei gemessen an der länderbereinigten Rendite, der branchenbereinigten Rendite und der Entwicklung der Marktkapitalisierung. Mit anderen Worten: Am finanziellen Erfolg. Überschrieben ist der Beitrag mit "Die 50 besten Manager der Welt". Ganz oben thront Steve Jobs (Apple), gefolgt von Jeff Bezos (Amazon) und Yun Jong-Yong (Samsung).
Und dann versuchen die Autoren, Zusammenhänge herzustellen. Z.B. zwischen Erfolg und Region. Da schneiden Inder, Brasilianer und Mexikaner besonders gut, Japaner und Chinesen eher schlecht ab. Amerikaner und (Kontintal-)Europäer liegen im Mittelfeld.

Oder zwischen MBA-Titel und Erfolg (MBA-Absolventen sind häufiger weiter vorne platziert). Ganz großartig: Wie schneiden CEOs ab, die einem nicht erfolgreichen CEO folgen? Ergebnis: Besser. Zumindest in den USA, China, Indien oder Großbritannien. Nicht in Europa, Japan und Lateinamerika. Genialer Tipp: Wenn Sie viel Shareholder-Value schaffen wollen, sollten sie bei einem schlechten Unternehmen in den oben genannten Ländern anheuern. Ist vermutlich nicht mal ironisch gemeint...

Was sind solche sogenannten Studien eigentlich wert? Außer dass sie dem Ego der oben platzierten Menschen (zumeist Männer - was ist wohl hieraus abzuleiten?) dienen, helfen sie niemandem, finde ich. Ich bezweifle, dass es einen Zusammenhang zwischen der Person auf dem Chefsessel und finanziellem Erfolg gibt. Wieso wird das hier einfach vorausgesetzt?

Was würde wohl herauskommen, wenn man sich die Leitungsteams anschauen würde? Oder die Finanzchefs? Oder die Chefs der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen? Wären möglicherweise die gleichen Unternehmen ganz vorne? Und dann?

Und was ist überhaupt Erfolg? Ist ein Fußballtrainer, der mit Real Madrid die Champions League gewinnt, besser als einer,  der es mit Bayern München schafft? Und was ist, wenn Madrid wirtschaftlich nahezu pleite, aber Champions League Sieger ist?

Ein Ergebnis der "Studie" finde ich allerdings höchst erfreulich. Die Autoren haben auch den Zusammenhang zwischen (wirtschaftlichem) Erfolg und verantwortungsvollem Wirtschaften untersucht - und keinen gefunden. Anders ausgedrückt: "Gutes tun" führt nicht automatisch zu mehr Gewinn oder Wert. ALLERDINGS: Es verhindert es offenbar auch nicht. Es gibt Unternehmen, die soziale Verantwortung zeigen und trotzdem zur "Elite" zählen.

Man kann also getrost aufhören, Manager damit zu ködern, dass sie aus Rendite-Gründen sozial verantwortlich handeln müssen (ist ja ohnehin unglaubwürdig, wenn man bedenkt, wie ungemein erfolgreich das organisierte Verbrechen ist). Sie können sich aber auch nicht damit herausreden, dass Geschäft und Verantwortung für Mensch, Umwelt und Gesellschaft einander ausschließen. Ist doch zumindest ein Trost...

Rezension zum Thema:
Die 50 besten Manager der Welt, Harvard Business Manager 1/2013

Sonntag, 3. Februar 2013

Führungserfahrung

Ist Führungserfahrung wichtig, um als Führungskraft erfolgreich zu sein? Oder anders herum: Steigt die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Führung mit der Anzahl der Jahre mit Erfahrung?

Zumindest würden wir vermuten, dass jemand, der schon mal Menschen geführt hat, in kritischen Situationen auf seine Erfahrungen zurückgreifen kann, wenn er denn aus ihnen gelernt hat. Und haben wir die Wahl zwischen zwei Kandidaten - einen mit und einen ohne jegliche Erfahrung - würden wir erst einmal dem erfahreneren mehr zutrauen.

Ein großer Fehler, wie wir jetzt von der Wissenschaft gezeigt bekommen. Man hat die Leistung von Kandidaten in einem Assessment Center verglichen und dabei als Kriterien für Erfahrung die Anzahl der Jahre mit Führungsverantwortung, die Anzahl der geführten Mitarbeiter und das Lebensalter herangezogen.

Und siehe da: Keines der drei Merkmale korreliert mit einer der im AC erfassten Kompetenzen. Wenn überhaupt, dann negativ. Menschen mit Führungserfahrung schnitten bei der Kompetenz "Führungsfähigkeit" (was soll das denn sein?) tendenziell schlechter ab, ebenso die älteren. Und wo man schon mal dabei war, schaute man auch gleich nach, wie das denn mit dem Geschlecht aussah. Und siehe da: Weibliche Teilnehmer waren im AC geringfügig besser als ihre männlichen Konkurrenten.

Was sagt uns das? Drei ziemlich nahe liegende Hypothesen:

1. Führungserfahrung hat nichts mit Führungserfolg zu tun, oder anders ausgedrückt: Führungskraft sein bedeutet noch lange nicht, Führungskraft können.

2. Assessment Center erfassen alles andere als Führungsfähigkeit.

3. Ältere Menschen haben im AC schlechtere Karten.

Die Autoren der Studie tendieren zur ersten Hypothese und raten daher, lieber auf das AC zu setzen als auf ein Merkmal wie Führungserfahrung. Sehr gewagt.

Und wo sie schon mal dabei waren, schauten sie auch gleich nach, wie ob es einen Zusammen zwischen Geschlecht und AC-Ergebnis aussah. Und siehe da: Weibliche Teilnehmer waren im AC geringfügig besser als ihre männlichen Konkurrenten. Wenn es im AC zugeht wie in der Schule, dann wundert es mich nicht wirklich.

Wieder mal ein Beitrag, der der Wissenschaft alle Ehre macht...

Rezension zum Thema:
Führungserfahrung: Wie nützlich ist sie wirklich? Personalführung 1/2013 


Hört auf zu motivieren

Immer wieder beschäftigen sich ernsthafte Menschen mit der Frage: Kann man Menschen mit Geld motivieren? Oder: Funktionieren monetäre Anreize besser als nicht-monetäre? Oder: Wie muss ein Anreizsystem aufgebaut sein, um eine Leistungssteigerung zu bewirken?

Es ist frustrierend. Wieso setzt sich die Erkenntnis nicht durch, dass man Menschen gar nicht motivieren kann? Vielleicht hängt es einfach am Gebrauch der Sprache. Was meinen wir mit "motivieren"? Vielleicht: Andere zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen? Wenn das so gemeint ist, dann funktioniert das mit Geld natürlich ganz ausgezeichnet. Wenn der Preis stimmt, kann man Menschen zu vielen Dingen "motivieren", wenn auch nicht zu allem. Aber ist es das, was man meint, wenn man im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" spricht?

Ich schlage vor, immer dann, wenn ich anderen Menschen für ihre Leistung/ihr Verhalten eine Gegenleistung wie z.B. Geld/eine Prämie/ein Honorar biete, nicht von Motivation zu sprechen, sondern von Bezahlung. Wir schließen mit anderen Menschen Verträge, in denen wir festhalten, was sie leisten und welches Honorar sie hierfür bekommen. Das ist doch eigentlich so einfach, dass ich die ganze Diskussion um die Wirkung von Anreizen nicht mehr nachvollziehen kann.

Aber schauen wir genauer hin. Habe ich einen Mitarbeiter mit einem Vertrag und stelle fest, dass er die versprochene Leistung nicht mehr bringt, dann fange ich doch nicht an, mit zusätzlichen "Honoraren" zu locken, sondern kläre das Problem. Was anderes ist es, wenn ich neue Ziele formulieren und vom Mitarbeiter eine andere Leistung als die vereinbarte erwarte. Auch dann setze ich keine Prämie aus, nach der er sich hoffentlich strecken wird, sondern ändere den Vertrag.

Aber ach, dazu müsste ich ja in beiden Fällen mit ihm REDEN. Ich fürchte, hier liegt der Grund dafür, dass sich Unternehmen "Anreizsysteme" ausdenken und hoffen, dass diese den Führungskräften das Gespräch bzw. die Verhandlung ersparen.

Nicht-monetäre "Anreize"

Dann gibt es noch die Vertreter der "nicht-monetären" Anreize, die uns erklären, dass es doch viel effektiver (und kostengünstiger) ist, wenn man Menschen mit - ehrlich gemeinter - Anerkennung motiviert. Diesen Denkfehler halte ich für noch viel gravierender. Ich würde auch hier nicht von Motivation sprechen, sondern ebenfalls von Bezahlung. Die Währung ist eine andere, aber es ist ein Preis, den ich dafür bezahle, dass der andere das tut, für das ich ihn engagiert habe. Nur dass es kaum in einem schriftlichen Vertrag festgehalten wird.

Das macht die Sache mit dem Lob bzw. der Anerkennung so verlockend. Ähnlich dem Versuch, mit einem unerwarteten Bonus Anerkennung zu vermitteln. Beide Versuche zu "motivieren", gehen von einem ungleichen Verhältnis aus, nämlich dass der eine Vertragspartner einige zusätzliche Reserven in der Hinterhand hat, die er zurückhält und dann "ausschüttet", wenn der andere die versprochene Leistung erbringt. Da macht es keinen Unterschied, ob das monetär oder nicht monetär ist.

Aber all das ist nicht neu, längst bekannt seit Sprengers "Mythos Motivation". Trotzdem erklärt man immer noch Führungskräften, dass sie loben, Anerkennung aussprechen sollen und stellt ihnen ein Budget zur Verfügung, mit dem sie "überraschende" Einmalzahlungen verteilen können.

Soll das heißen, dass Mitarbeiter keine Anerkennung brauchen? Quatsch, wir alle brauchen Anerkennung. Wir freuen uns sehr, wenn wir eine Leistung erbracht haben und sehen, dass der andere zufrieden ist. Oder mehr noch: Geradezu begeistert ist. Aber unsere Freude bricht in sich zusammen, wenn wir erkennen, dass der andere die Anerkennung ausspricht, weil er uns damit für die Zukunft motivieren will. Wir fühlen uns geradezu hintergangen und betrogen, zumindest manipuliert.

Mit anderen Worten: Trainer, hört auf, Führungskräften beizubringen, wie man lobt. Der Zusatz "ehrliche Anerkennung" hilft auch nicht viel weiter. Ebenso wenig wie die Empfehlung, sich mehr für das, was die Mitarbeiter treiben, zu interessieren. Wer Interesse zeigt mit der Intention zu motivieren, verhält sich ebenso wie derjenige, der unerwartete Prämien verteilt. Er schüttet eben Interesse aus.

Wenn überhaupt, dann bringt ihnen bei, auf ihre eigene Gefühle zu achten und bei empfundener Freude diese zum Ausdruck zu bringen. Mag sein, dass es Führungskräfte gibt, die das verlernt haben. Wobei ich fürchte, dass ein Führungstraining damit eigentlich überfordert ist.

Was bleibt dann überhaupt noch, wenn Führungskräfte fragen: "Was kann ich tun, um meine Mitarbeiter zu motivieren?" Auch das ist extrem banal. Die Antwort lautet: "Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, was sie davon abhält, ihren Vertrag zu erfüllen?" Und dann kümmern Sie sich darum, das, was "de-motiviert", zu beseitigen.
Und fragen Sie sich und die Mitarbeiter: "Was tragen Sie als Führungskraft dazu bei, dass sich die Mitarbeiter so verhalten, wie sie sich verhalten?"
Aber auch das ist längst bekannt. Wie gesagt: Frustrierend...

Rezension zum Thema:
Motivation von innen statt Karotte von außen, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2012

Samstag, 2. Februar 2013

Discounter Teil 2

Ein wahres Lehrstück in Sachen Unternehmenskultur. Zum Schmunzeln einerseits, ernüchternd andererseits. Ich hatte von dem Schild beim Discounter Netto erzählt, in dem die Kunden aufgefordert wurden, sich zu melden, wenn die Schlange an der Kasse zu lang wird. Was sie auch taten, wie ich beobachten konnte.

Und ich hatte über die spürbare Begeisterung der Belegschaft berichtet, mit der sie schließlich der Aufforderung nachkam, eine weitere Kasse für die wartenden Kunden zu öffnen. Nun nehmen wir einmal an, so etwas kommt häufiger vor - welche Reaktionsmöglichkeiten hat der Betreiber eines solchen Ladens?

Er könnte in Stoßzeiten von sich aus zwei Kassen öffnen. Er könnte eine Schelle anbringen, mit er ein Kollege gerufen wird, wenn es zu voll wird. Er könnte seine Mitarbeiter schulen, schneller zu reagieren. Er könnte... das Schild entfernen. Hat er gemacht. Unglaublich? Tatsache!