Mittwoch, 5. Juni 2013

Im Einklang mit eigenen Werten

Viele Menschen klagen darüber, dass sie ausgelaugt und müde sind, aus dem Hamsterrad nicht herauskommen. Sie haben Erfolg, aber sind an ihre Grenzen geraten. In einem Interview zum Thema "Achtsamkeit" sagt Kai Rohmhardt, der sich intensiv mit dem Buddhismus beschäftigt hat, dass nach seiner Erfahrung viele Manager drohen, den "Kontakt zu sich selbst und zu ihrer Familie zu verlieren." Sie würden sich nach "Lebendigkeit, unstrukturierter Zeit, Muße und vor allem nach Gemeinschaft sehnen".

Eine Sicht auf dieses Phänomen kennen wir gut: Es liegt am zunehmenden Wettbewerb, die Globalisierung macht Druck, wer nicht mit rennt, der bleibt zurück und geht unter. Bei dem Tempo kommt man gar nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, welchen Sinn das eigentlich hat, was wir da so treiben. Und ob dieser Sinn (irgendeinen wird es schon haben) mit unseren Werten im Einklang ist.

Aber wann immer wir etwas tun (oder glauben es tun zu müssen), hinter dem wir nicht wirklich stehen, das nicht mit unseren Werten übereinstimmt, geht es uns nicht wirklich gut. Ich erkenne solche Momente, wenn sich plötzlich in meinem Kopf die Frage einblendet: "Was mache ich hier eigentlich?"

Und wehe, wir denken einmal ernsthaft darüber nach und hinterfragen uns und unser Tun. Kürzlich habe ich einen Fernsehbericht über Rüstungsunternehmen gesehen, in dem sich ein Top-Manager den Fragen der Journalisten stellte. Mutig, wie ich fand, und gruselig. Er kämpfte mit jedem Satz und behauptete, nach wie vor gut schlafen zu können. Menschen, die Freude an dem haben, was sie tun, sehen anders aus.

Auf einem Coaching-Kongress berichtete ein Coach von Klienten aus dem oberen Management, die sich selbst geißelten, regelrecht körperlich selbst quälten, weil sie mit dem Konflikt zwischen ihrem Handeln und den eigenen Werten nicht anders umzugehen vermochten. 

 Ein Kollege erzählte mir von einem Vorstandsmitglied eines Konzern, das am Tag vor dem Abschied in den Ruhestand Tränen vergoss und feststellte, dass er in all den Jahren nicht er selbst gewesen sei.

In dem Interview erzählt Kai Rohmhardt von einem Unternehmen, das den Stress-Level in seinen Call-Centern senken wollte. Dazu buchte man ein Achtsamkeitstraining für die Mitarbeiter. Mit dem Ergebnis, dass die Hälfte der trainierten Mitarbeiter anschließend kündigte. Ähnliches habe ich auch schon erlebt. Seminarteilnehmer, die sich intensiv mit ihren eigenen Werten auseinander setzten und diese dann mit ihrer aktuellen Tätigkeit verglichen, nahmen eine Auszeit oder wechselten den Arbeitgeber. 

Wie viel anders fühlt es sich an, wenn wir Dinge tun, die wir sinnvoll finden, die uns erfüllen. Aber weil das offenbar nicht so häufig ist (oder vielleicht sogar tatsächlich schwieriger wird), haben Coachs und Trainer (und Therapeuten) mächtig viel zu tun. Ich frage mich grade, wie diese wohl damit umgehen, wenn sie für Auftraggeber tätig sind, deren Produkte oder Dienstleistungen mit ihren Werten in Konflikt stehen. Wäre mal in interessantes Forschungsthema...

Rezension zum Thema:
Müheloseres Management durch Achtsamkeit, Organisationsentwicklung 2/2013

2 Kommentare:

Willi Dukart hat gesagt…

Wenn jemand mit seinen Werten in Konflikt steht, dann versteht er zumindest, dass ein Konflikt zustande kam. Es ist erste Zeichen von der Hoffnung auf zukünftige Verbesserung.

Viel schlimmer ist es, wenn ein Wertesystem von anderen Menschen im Konflikt mit unseren Wertesystem stehen.

Wenn ich zum Beispiel das Wertesystem von Frau Merkel mir genauer anschaue und anhand von Ihrer Handlungen beurteile, dann sehe ich, dass ein Konflikt zwischen unseren Wertesystemen gibt.

Wenn ich für meine Selbstverbesserung etwas unternehmen kann, dann bleibt mir im Hinsicht auf manche andere Menschen nichts anderes übrig, als nur sich fragen: "Wie können andere nur so falsche Wertesysteme haben?"
willidukart.com

Gerrit Hamann hat gesagt…

Sehr schöner Beitrag. Danke.

Ich persönliche stelle fest, dass immer mehr Menschen Ihre Werte hinterfragen, bzw. das erste Mal danach fragen, weil sie vorher gar nicht wussten, was das eigentlich ist. Ich erkenne darin einen positiven Wandeln, dem sich "das System" bald nicht mehr widersetzen kann, ohne sich selbst zu verändern.

Der entscheidende Punkt, so finde ich, sind aber weniger die Werte an sich.

Die erste große Aufgabe besteht vielmehr darin, sich selbst zu erkennen ... zu erkennen, dass man ein Lügner ist. Es ist ein Prozess zu erkennen und zu akzeptieren, dass man sich selbst belügt - die ganze Zeit.

Die zweite große Aufgabe besteht darin, loszulassen. Das Loslassen ist eines einfachsten Dinge überhaupt, weil man eigentlich nichts tun muss, sondern etwas nicht mehr tun muss - nämlich das Festhaltung von etwas. Unser ganzes Leben werden wir darauf getrimmt, etwas zu erreichen und es dann festzuhalten. Hier gilt aber Loslassen (die Lüge)! Und gerade WEIL es so einfach ist, ist es auch gleichzeitig so schwer. Und so sehe ich die Herausforderung gar nicht in den Werten an sich, sondern in diesem Prozess. Dabei kann ein Coach wirklich sehr hilfreich sein. Denn es ist schwierig zu ertragen, dass erst einmal (wenn auch nur für kurze Zeit) NICHTS da ist. Doch das muss sein, damit etwas Neues kommen kann.