Montag, 11. Februar 2013

Hört auf zu motivieren 2

Nachdem eine kleine Diskussion in Gang gekommen ist, hier einige weitere Überlegungen zu dem Thema, angeregt durch Kommentare und Fragen zu meinem Beitrag "Hört auf zu motivieren".

Wie wir nicht erst seit F.Schulz von Thun (Miteinander reden) wissen, besteht jede Botschaft auch aus einem Appell, oder anders ausgedrückt: Wann immer wir kommunizieren, wollen wir eine Reaktion beim anderen erzeugen. Und sei es "nur", dass er uns zuhört. Damit ist jegliche Form der Kommunikation gleichzeitig auch ein Versuch zu motivieren. Aber meinen wir das, wenn wir im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" reden?

Eher nicht. Das wäre ja auch zu einfach. Wir bitten jemanden, etwas zu tun. Oder wir fordern ihn auf. Wie auch immer: Dann kann er entscheiden, ob er unserer Bitte, unserer Aufforderung folgt oder nicht. Wir könnten Führungskräfte darin schulen, ihre Appelle klar und deutlich zu formulieren, alles wäre Kommunikation, nicht Motivation.

Was aber, wenn der andere sich entscheidet, unserer Aufforderung nicht nachzukommen, aus welchen Gründen auch immer. Müssen wir dann "motivieren"? Oder verhandeln wir dann nicht eher? Wir bieten ihm eine Gegenleistung. Eine Prämie z.B. Das meinte ich mit "Bezahlen". Wann immer ich mit einem anderen einen Preis aushandle, schließe ich einen Vertrag. Nicht unbedingt einen schriftlichen, aber immer einen Vertrag. Er kennt den Preis und weiß, was er dafür zu leisten zugesagt hat. Das ist transparent und nachvollziehbar. Er kann sich auf den Vertrag einlassen oder nicht.
Ist das Motivation?

Oder geht es nicht um noch etwas anderes? Ich möchte, dass der andere sich so verhält, wie ich es gerne hätte, aber ohne klaren Vertrag. Ich stelle etwas in Aussicht, das ich bereit bin zu zahlen, wenn es mir passt und angemessen erscheint. Viele Firmen stellen Budgets für Einmalzahlungen zur Verfügung. Damit können die Führungskräfte besondere Leistungen honorieren. Ohne vorherigen Vertrag. Sie ziehen die Belohnung aus der Tasche, wenn sie es für angemessen halten.

Ist das Motivation? Ich würde es operantes Konditionieren nennen. Oder Dressur. Mal kommt die Futterpille, dann ein paar Mal nicht, dann kommt sie wieder. Und der andere strengt sich an in der Hoffnung, dass sie irgendwann wieder verabreicht wird. Wollen wir Führungskräften helfen, Mitarbeiter zu konditionieren?

Also gar kein Geld für Leistung ausschütten? Natürlich. Ich bin ein großer Befürworter von erfolgsabhängiger Entlohnung. Wenn Unternehmen Gewinne machen und vorher klar kommunizieren, wie viel hiervon auf die Mitarbeiter nach welchem Muster verteilt wird, dann weiß jeder, was ihn bei welchem Ergebnis erwartet. Ist das Motivation? Ich würde es eine klare Absprache nennen: Leistung und Gegenleistung. Transparent und nachvollziehbar.

Loben heißt Erziehen wollen

Was ist mit Lob, über das sich doch jeder freut? Ich zähle es zur Kategorie der Einmalzahlungen. Der Vorgesetzte lobt, wenn er das für angemessen hält. Und hält es zurück, wenn es ihm "zu viel" wird. Wie die Futterpille.

Aber halt, es geht doch um "ernst gemeinte Wertschätzung". Allein das ist doch ein interessanter Ausdruck. Was soll denn das sein? Etwas anderes als echte Freude über ein Verhalten, ein Ergebnis? Freude, weil dem Mitarbeiter etwas Besonderes gelungen ist. Weil man gemeinsam ein Ziel erreicht hat. Weil ein unerwartetes Problem schnell und unbürokratisch gelöst wurde.
Wenn das gemeint ist, dann bin ich sehr für Loben.

Aber Freude ist kein Lob, Freude ist, nach Schulz von Thun, zuerst einmal Selbstmitteilung. Wie würden wir uns fühlen, wenn jemand, dem wir mit einem Geschenk eine Freude machen, uns für unsere Anstrengungen lobt - mit der Absicht, uns zu motivieren, damit wir uns bei der nächsten Gelegenheit wieder viel Mühe zu geben?

Ein Lob enthält immer eine "Beurteilung". Eine positive zwar, aber es bleibt eine Beurteilung. Eine Beurteilung erfolgt von oben nach unten (nachzulesen bei Marshall Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation"), vom Erwachsenen-Ich zum Kindheits-Ich. Es hat den Anspruch der Erziehung.
Daher hüte ich mich, Führungskräfte zu erklären, wie man "ernst gemeint lobt".

Was bleibt dann noch übrig? Nachdem also nichts von all dem "Motivation" sein soll? Eben das, was wir aber auch schon lange wissen. Dass Menschen von sich aus motiviert sind, etwas zu tun. Wenn sie einen Sinn darin sehen, was sie tun. Wenn sie, in der Rolle eines Mitarbeiters, nicht das leisten, zu was sie sich vertraglich verpflichtet haben, eben nicht "motiviert" werden müssen, sondern man gemeinsam herausfinden muss, was sie davon abhält, sich an den Vertrag zu halten. Und diese Hürden beseitigt. Eine so anspruchsvolle Aufgabe, dass Führungskräfte darüber kaum Zeit bleiben wird, noch zusätzlich zu "motivieren"...

Bleibt noch eine Frage: Wenn es mir gelingt, mit diesem Beitrag Leser zu "motivieren", hierauf zu antworten - was ist das dann? Widerspreche ich mir damit nicht völlig?

Keineswegs. Natürlich möchte ich damit eine Reaktion auslösen, das ist eben Kommunikation (siehe oben). Das tue ich, indem ich ein Problem schaffe. Wir lieben Probleme und Herausforderungen: Ob Kreuzworträtsel, ungelöste wissenschaftliche Fragen, scheinbar unbezwingbare Berge oder Wüstenregionen - Menschen sind motiviert, Probleme zu lösen.

Ob jemand auf mein erzeugtes Problem reagiert und wer reagiert, kann ich nicht beeinflussen. Die Leser, die von sich aus motiviert sind, werden reagieren. Andere müsste ich dafür bezahlen.

17 Kommentare:

Jörg Middendorf hat gesagt…

Hallo Johannes!
Ich glaube, dass wir der Sache nicht näher kommen, da wir immer noch nicht wissen, worüber wir sprechen. Du sagst: Was bleibt dann noch übrig? Nachdem also nichts von all dem "Motivation" sein soll? Eben das, was wir aber auch schon lange wissen. Dass Menschen von sich aus motiviert sind, etwas zu tun. Und was hilft uns das? Wir haben immer noch keine Definition von dem was Motivation sein soll und ob es einen Unterschied dazu gibt, wenn wir von „motivieren“ sprechen. Meine Definition habe ich im ersten Beitrag ja schon erwähnt und muss sie hier nicht wiederholen.
Menschen sind also von sich aus motiviert etwas zu tun… Das hilft in einer komplexen Organisation aber nur bedingt weiter, da wir ja wollen, dass viele viele Menschen etwas ganz bestimmtes und zu einer bestimmten Zeit oder über einen längeren Zeitraum tun sollen. Und wo kommen die Motive her? Sind es angeborene? Haben wir alle die gleichen? Oder ähnliche in unterschiedlichen Ausprägungen? Was bedeutet das für das Aufeinandertreffen von Motiven des Einzelnen und den Zielen der Organisation? Kann es sinnvoll sein gegen seine grundlegenden Motive zu handeln? Gibt es vielleicht neben der Motivation noch andere Bereiche die für das Führen von Menschen wichtig sind, wie Wille (implizite Motive vs. explizite Ziel á la Kehr), Werte, Normen, Rolle etc.? Selbst wenn man von angeborenen Grundmotiven ausgeht, wie zum Beispiel dem Streben nach Macht, Leistung und Zugehörigkeit (à la Mcclelland), bleibt immer noch die Frage, wie ich die Grundmotive einer konkreten Person in einer konkreten Situation so anspreche, dass das Verhalten in die gewünschte Richtung geht. Oder anders ausgedrückt, wie kann ich jemanden zu bestimmten Verhaltensweisen motivieren = bewegen kann (s. Teil 1 des MotivationsBlogs). Eine Frage, die sich durch den Hinweis darauf, dass Menschen an sich motiviert sind, nicht auflöst oder erledigt.
Die Diskussion ob man Mitarbeiter oder Menschen überhaupt motivieren kann erscheint mir insgesamt eher überflüssig, da dies jeden Tag in mannigfaltiger Form praktiziert wird. Sei es durch kommunikative Mittel, materielle Belohnungen, soziale Belohnungen oder einfach durch das Schaffen von günstigen Rahmenbedingungen (Freiraum, Arbeitsmittel, Herausforderungen, etc.) zum Ausleben von Grundmotiven. Daher ist für mich eher die Frage worum es bei den beiden Blog-Beiträgen von dir, Johannes wirklich geht? Ein gewünschtes Menschenbild? Ein gewünschtes Führungsverständnis?
Die spannende Frage für mich ist, wie gehe ich als Führungskraft mit der Vielfalt an Einflussfaktoren auf die Motivation meiner Mitarbeiter um? Und wie kann ich dies für die Ziele der Organisation in ethischer Weise nutzen? Und weil diese Fragen so spannend sind und die Antworten sich je nach Umständen verändern können, macht es auch weiterhin Sinn darüber in Führungskräften-Seminaren zu diskutieren und vorläufige Antworten zu finden. Oder vielleicht ist alles doch viel einfacher? Das könnte man annehmen, wenn wir die moderne Neurowissenschaften befragen:
: Die Motivation ist [beim Bildungserfolg] eine entscheidende Größe. Und sie beruht auf einem psychologischen Grundprinzip: Ein Mensch bemüht sich nur dann, wenn er eine Belohnung erwartet – sei es etwas Materielles wie zum Beispiel Schokolade oder ein sozialer, psychischer Bonus wie etwa Lob. Prof. Dr. Gerhard Rot, GEOkompakt Nr. 28 „Intelligenz, Begabung, Kreativität“, 2011
Lang Lebe Dopamin und alles Führungsverhalten, dass dessen Ausschüttung fördert ;-)
Jörg Middendorf

Johannes hat gesagt…

Tja, da ist doch die Kernfrage aufgeworfen: Was ist der Job einer Führungskraft? Die Grundmotive von Mitarbeitern in einer konkreten Situation so anzusprechen, dass das Verhalten in die gewünschte Richtung geht? Und, wenn es ihr nicht gelingt, den Mitarbeiter zum Coach zu schicken? Oder selbst ein Motivationstraining zu besuchen?

Womit wir in der Tat beim Führungsverständnis sind. Mir würde eine Führungskraft, die den Rahmen absteckt, die Ziele kommuniziert, die Ressourcen zur Verfügung stellt und - bei Bedarf - Hindernisse aus dem Weg räumt, wozu mir eventuell die Mittel fehlen, ausreichen. Mich zu Dingen zu bewegen, die ohnehin mein Job sind oder aber zu Dingen, die darüber hinausgehen - eher nicht.
Wäre ein weiteres spannendes Thema... mit vermutlich ähnlich bekannten Positionen :-)

Gunther Mathy hat gesagt…

Jetzt bin ich also dem Appell gefolgt, zu reagieren.
Ich beobachte eine weitere begriffliche Verschärfung bzw. Einschränkung: Wir sollen nicht nur aufhören zu motivieren, sondern auch aufhören zu loben, weil Lob = Beurteilung = Erziehung ist. Wenn Lob des Anteils einer positiven Rückmeldung beraubt und auf Beurteilung eingegrenzt wird und dann Beurteilung des Anteils der Standard-Führungsaufgabe beraubt und auf Erziehung reduziert wird, dann wird es eng.
Die Beziehung zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn ist nicht nur eine Vertragsbeziehung über eine zu liefernde Leistung mit vereinbarter Bezahlung, aber das öffnet ein zu weites Feld...
Zum Schluss möchte ich aber anregen, womit wir jetzt beginnen sollten: Das Thema Motivation auf eine höhere Ebene bringen, indem wir nicht mit Lob und Geld jemanden zu etwas b e w e g e n wollen (was er eigentlich nicht will), sondern indem wir B e w e g u n g s s p i e l r a u m schaffen und auf Augenhöhe Rückmeldungen geben.
Dass man damit nicht das mit einer Führungsaufgabe verbundene immanente Oben-und-Unten (man kann es auch Verantwortung nennen) aus der Welt schaffen kann, gehört zu den Dilemmata einer Führungsaufgabe.
Ich bin ziemlich sicher: Die Diskussion wird weiter gehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gunther Mathy

Gerhard Etzel hat gesagt…

Hallo Herr Thönneßen,
obwohl wir in einigen Punkten gar nicht so weit auseinanderliegen, ob, wann und wie man als Führungskraft (oder überhaupt) „motivieren“ kann und darf, stört mich einiges an Ihren Beiträgen:
Sie erwecken bei mir den Eindruck, als würden Sie ihre Definition von Motivation für die einzig richtige halten. Ein Beispiel:
„Aber meinen wir das, wenn wir im Zusammenhang mit Führung von ‚Motivation‘ reden? Eher nicht.“ Wer ist mit „wir“ gemeint: Sie selbst, die Mehrheit, alle? Für mich gilt: Wenn ich bei einem anderen eine bestimmte Reaktion erzeugen will, dann ist das für mich der Versuch, den anderen zu dieser Reaktion zu motivieren. Sie nennen das „Kommunikation“ oder „Bezahlen“ oder „Verhandeln“. Meinetwegen, das ist möglicherweise nur Wortklauberei. Aber für mich bleibt es doch „Motivation“ im ursprünglichen Wortsinn.
Sie erwecken bei mir den Eindruck, als würden Sie Führungskräfte unter den Generalverdacht stellen, sie würden Machtspielchen treiben und versuchen zu manipulieren, wenn sie motivieren wollen. Beispiele:
„Ich möchte, dass der andere sich so verhält, wie ich es gerne hätte, aber ohne klaren Vertrag.“ Oder „Der Vorgesetzte lobt, wenn er das für angemessen hält. Und hält es zurück, wenn es ihm ‚zu viel‘ wird. Wie die Futterpille.“ Ich bestreite nicht, dass es Menschen mit dieser Einstellung gibt, aber es sind nach meiner Erfahrung nur einige wenige.
Zu Ihrer Einschätzung im Sinne von Rosenberg, dass Lob „erfolgt von oben nach unten“ erfolgt. Wenn ich mich über das Verhalten anderer freue und das dann kommuniziere, dann deshalb, weil es nach meinem Wertesystem positiv ist. Kann man sich auch über etwas anderes freuen? Natürlich ist damit auch immer der Appell, die Wertung enthalten: schau her, so ist es meiner Meinung nach richtig und gut. Ist damit jeder Appell automatisch von „oben nach unten“? Darf ich das dann nicht mehr, weil es doch nach Ihrer Meinung einen Anspruch der Erziehung beinhaltet?
Sie erwecken bei mir auch den Eindruck, als sei der Begriff „Motivation“ nur für das zulässig, was „wir schon lange wissen: Dass Menschen von sich aus motiviert sind, etwas zu tun. Wenn sie einen Sinn darin sehen, was sie tun.“ Bitte entschuldigen Sie die harte Formulierung, aber für mich ist das ein banaler Allgemeinplatz. Damit wird nicht erklärt, warum sich ein Mensch mit im Grunde gleichwertigen Verhaltensoptionen sich für die eine und gegen die anderen entscheidet. Und wenn ich als irgendwie Beteiligter (z.B. als Führungskraft) diesen Menschen zu einer der Verhaltensoptionen in meinem Sinn bewegen will, dann werde ich versuchen, ihn zu dieser Option zu motivieren, wodurch auch immer: Kommunikation, Bezahlung, Anerkennung ….
Mein Fazit: all das ist Motivation.
Zum Schluß:
Ich habe diesen Beitrag geschrieben, weil ich dazu motiviert war. Warum war ich motiviert: nicht weil ich so ganz allgemein motiviert bin, Probleme zu lösen. Wenn es nur das wäre, könnte ich auch Schach oder Sudoku spielen, oder …

Johannes hat gesagt…

Super, eine Diskussion geht weiter. Freue mich über den Beitrag von Herrn Mathy - wobei ich gerne das Thema "oben-unten als der Führungsaufgabe immanent" mal weiter beleuchten würde. Mal schauen, vielleicht was für einen weiteren Blog-Beitrag.

Der Beitrag von Herrn Etzel macht mit etwas ratlos. Mir geht es natürlich speziell um das Thema "Führung und Motivation". Wenn alles, was man tut, um andere Menschen zu etwas zu bewegen, Motivation ist (also ich auch einen Handwerker motiviere, wenn ich ihm ein vertraglich vereinbartes Honorar in Aussicht zusage), dann sind wir uns wieder einig. Alles ist Motivation.
In diesem Sinne weiterhin fröhlich motiviertes Probleme lösen :-)

Margot Abstiens hat gesagt…

Tja worum geht es? Um Grundsätzliches, scheint mir. Um die Grundeinstellung von Menschen in Unternehmen zueinander. Um Menschenbilder, um Führungsleitbilder. Und das halte ich für extrem relevant.
Wo wir also bei "Erziehung" sind (noch immer scheinen wir ja "Familienbeziehungen" in Organisationen zu reinszenieren): es erinnert mich an die Diskussion über "Antipädagogik" der 80er-Jahre (nicht zu verwechseln mit der "antiautoritären" Bewegung 20 Jahre früher). Dabei ging es darum, dass Erwachsene die Ziele, den Willen, die Kosten-Nutzen-Rechnung von Kindern akzeptieren, respektieren, wertschätzen, stehenlassen. Und trotzdem manchmal gegenläufig handeln, wenn ihre eigenen Ziele andere sind.
Ein Führungshandeln auf Augenhöhe also bei gleichzeitig gelassener Akzeptanz unterschiedlicher Interessen und der inneren Freiheit der anderen Person. Darum geht es auch in Organisationen. Eine klare Trennung von mein und dein. Transparenz in Bezug auf die eigenen Ziele, kein Versuch, den Willen der anderen Person zu manipulieren oder ihr subkutan was unterzuschieben: die Wahrung der inneren Integrität.

Natürlich kann sich niemand "nicht verhalten", und jedes Verhalten erzeugt beim Gegenüber eine Resonanz. Aber wie immer bestimmt der Beziehungs- den Inhaltsaspekt. Grundeinstellungen sind spürbar und Anerkennung kommt anders an als "Lob".

Schönen Gruß und danke für die interessante Diskussion!
Margot Abstiens

Gerhard Etzel hat gesagt…

Hallo Herr Thönneßen,
es tut mir leid, wenn mein Beitrag Sie ratlos macht, das liegt wohl an meinem etwas verworrenen Schreib- und Denkstil. Meines Erachtens hat Jörg Middendorf das Thema auf den Punkt gebracht mit seinem Zitat von Gerhard Roth: Ein Mensch bemüht sich nur dann, wenn er eine Belohnung erwartet – sei es etwas Materielles wie zum Beispiel Schokolade oder ein sozialer, psychischer Bonus wie etwa Lob.
Ich würde noch einiges ergänzen, z.B. wenn er sich moralisch verpflichtet fühlt, usw.
Diesen Gedanken von Roth habe ich auch in meinem Buch "Wie die Freude am Fahren verloren ging" aufgegriffen. Dort beschreibe ich "Ein Motivationskonzept auf der Basis von Erkenntnissen aus der Gehirnforschung" (S. 134 ff.)
Ja, ich bin der Meinung, dass ein Handwerker auch durch das vertraglich vereinbarte Honorar motiviert wird.

Johannes hat gesagt…

Hallo Herr Etzel,
damit sind wir in der Tat bei einer Grundsatzfrage, die ich für mich anders beantworte. Der Mensch handelt eben nicht nur, wie das Betriebswirte vermuten - wenn er eine Belohnung erwartet. Es sei denn, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen fassen wir auch als Belohnung auf.
Ob das eine oder andere stimmt - Belege wird es für beide Auffassungen genug geben. Entscheidender aber ist für mich, was die "geeignetere" Haltung für Führungskräfte ist. Und da habe ich mich (FÜR MICH) entschieden, lieber dem Menschenbild der Y-Theorie von McGregor zu folgen. Macht das Leben als Führungskraft erheblich einfacher.

Julitta Rössler-Kruszona hat gesagt…

Diese äußerst spannende Diskussion verliert für mich ein wenig die Bodenhaftung und damit meine ich den Bezug zur ganz alltäglich existenten Realität vieler Menschen. Nicht jeder Mensch kann den genau zu ihm und seinen Motiven und Werten passenden Beruf ausüben, auch wenn das wünschenswert wäre.Das Arbeitsleben ist nun einmal kein Wunschkonzert, sondern vielfach härteste und schwer verdauliche Realität. Viele Menschen sind nicht aufgrund von persönlicher Neigung, sondern oft genug durch gut gemeinten, aber leider falschen Rat, Zufall oder existenzielle Notwendigkeit an ihren Job geraten. Glücklich sind diejenigen, die den Job haben, der zu ihnen, ihren Stärken und ihren Motiven und Werten passt. Sie können leicht aus sich selbst heraus motiviert arbeiten. Aber sind das wirklich so viele, die das von sich behaupten können? Ich wage zu behaupten: Nein. Die Realität sieht doch oft anders aus, wie ein kleines Beispiel zeigen soll, das ich kürzlich beim Besuch einer Freundin auf der Mittelmeerinsel Malta erlebte: ein erfolgreicher Vertriebsmitarbeiter jenseits der 50 hat seinen Job verloren, weil die Geschäftsführung des kleinen Unternehmens, für das er arbeitete, in unlautere Geschäftspraktiken verwickelt war und letztlich dadurch die Insolvenz herbeigeführt hat. Der MA fand keinen neuen Job und geriet in große Verzweiflung, weil er die Existenz seiner Familie nicht mehr sichern konnte. In seiner Not entschloss er sich, umzusatteln und ließ sich zum Busfahrer einer gerade neu auf der Insel etablierten Busgesellschaft umschulen. Das war bestimmt nicht der Job, der ihn erfüllte. Wenig bis gar nicht motiviert versah er täglich aus reinem Verantwortungsgefühl heraus seinen äußerst belastenden Dienst und wurde dabei immer depressiver. Seine Frau tat das einzige, was ihn letztlich motivieren konnte. Sie verwies mit Beharrlichkeit auf den tiefen Sinn und die Wichtigkeit seiner Arbeit. Sie sagte ihm beispielsweise, dass er sehr stolz sein könne, eine so wichtige Aufgabe übernommen zu haben. Schließlich sei er verantwortlich dafür, dass täglich hunderte von Menschen pünktlich und sicher ihr Ziel erreichen könnten. Ohne ihn und die anderen wichtigen Busfahrer würde das gesamte Arbeitsleben auf der Insel Schaden nehmen. Obendrein könne er durch sein Wesen und seinen Charme dazu beitragen, dass jeder Fahrgast sich für die Dauer der Fahrt wohlfühlen und als Mensch gewertschätzt fühlen kann. Mit der Zeit gelang es dem Busfahrer immer besser, motiviert seinen täglichen Dienst anzutreten und wieder optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Zugegeben, das Beispiel ist vielleicht extrem und durch die besonderen Gegebenheiten des Landes Malta geprägt. Es ist sicher nicht alltäglich, zeigt aber dennoch, wie ich meine, worauf es beim Thema Motivation ganz besonders ankommt. Es veranschaulicht, wie bedeutsam Sinn, Bedeutung und Zugehörigkeit für die Motivation eines Menschen sind. Insbesondere im täglichen Wahnsinn des heutigen Arbeitslebens kommen diese Faktoren oft zu kurz. Sie zu ermöglichen ist Motivation pur.

Viele Grüße und herzlichen Dank für die immer wieder sehr interessanten Themen hier.
Julitta Rössler-Kruszona

Johannes hat gesagt…

Noch ein Beitrag, der mich freut. Ermutigend - Sinn als ein wichtiges Motiv. Wäre auch in Sachen Führung ein guter Ansatz. Nicht zu verwechseln mit Vision und Leitbild :-)

Anonym hat gesagt…

Lieber Herr Thönneßen,
liebe Co-Kommentatoren,

Herzlichen Dank für Ihre Beiträge, die m.E. sehr gut aufzeigen, dass die eigentlich Herausforderung von Motivation eigentlich etwas be.WEG.en bedeutet - jedoch ist der jeweilige Weg für jede/n Mitarbeiter/in ein anderer. Warum? Weil es in erster und letzter Konsequenz um den jeweiligen (situativen) SINN geht, den nunmal Jeder mit seiner Arbeit in seiner je eigenen selbstreflektiven Eigen-Verantwortung individuell be.dient….

Nach Prof. Viktor Frankl ist Sinn (Logos) die individuelle Beantwortung der Frage des je eigenen "WOFÜR / WOZU bin ich da bzw. gut?".

Und "Liebe" (hier herz.licheWeges.begleitung) dient nach Frankl dazu, dem anderen Menschen in seiner einzigartigen und unnachahmlichen Persönlichkeit dabei zur Seite zu stehen, sich in seiner je eigenen Wofür/Wozu-Frage individuell zu ent.wickeln - bildlich gesprochen: aus dem Alltags-Wollknäuel den eigenen roten SINN-Faden herauszufädeln... ;-)
Da nach Frankl Sinn aber nie fremd-gegeben (schon gar nicht fremd-verordnet) werden sondern nur selbst in diversen täglichen situativen Sinnmöglichkeiten individuell gefunden werden kann, bedeutet "Motivation" u.a. (falls nicht sogar zentral): den Mitarbeitern Leit.Bilder und -Fragen an die Hand zu geben, in denen sie sich selbst SINN.voll ver.Antwort.en können.

Sehr schön hat das m.E. Dr. Sprenger auf den Punkt gebracht:
"Die aktuelle Situation in vielen Firmen: Die Motivation ist im Keller, das Vertrauen ins Management auch. Ein Gefühl der Erstarrung hat die Leistungsfreude verdrängt, die schleichende Melancholie der Sinnentleerung. Denn die Selbstinszenierung der Unternehmen ist vielfach autistisch geworden. Der Sinn der Veranstaltung verweist nicht mehr nach außen, auf den Kunden, auf die Gesellschaft - sondern ist auf sich selbst zurückgebogen. Das Unternehmen ist nicht mehr Mittel, es ist zum Selbstzweck geworden, das den in Zahlen fassbaren ShareholderValue möglichst schnell und direkt - am besten ohne den Umweg über den Kunden - als Investitionsrendite abliefert…. Wenn Arbeit als motivierend, als sinnvoll erlebt werden soll, dann braucht Arbeit einen Adressaten, einen Empfänger, in dessen Leben mein Produkt oder meine Dienstleistung einen Unterschied macht. Motivation, Leistungsdrang und Arbeitszufriedenheit sind jedenfalls mit dem Zwang zum Geldverdienen niemals hinreichend erklärbar…….
Die Frage, die sich der Führung stellt, ist eine motivationale: Wie sollen sich Menschen mit Leidenschaft und Hingabe einsetzen, wenn der Sinn der Veranstaltung ist, Zahlen zu produzieren? Wie soll eine Mannschaft ein Spiel gewinnen, wenn sie nur noch auf die Anzeigetafel schaut statt auf den Ball?....
Als Gast auf den Hochämtern der Unternehmenskultur frage ich mich: Wozu gibt es dieses Unternehmen? Wo bleibt der Kunde? Welchen Beitrag leistet dieses Unternehmen zu dessen Lebensqualität? Trägt es dazu bei, das Leben angenehmer, einfacher, lebenswerter zu machen? Und ist das jetzt und hier sichtbar? " (Handelsblatt Nr. 099 vom 23.05.2003)

Für mich als Führungskraft heißt das daher in erster Linie: ein "motivierendes" Unternehmen ist jenes, welches eine starke, greifbare Unternehmens-Identität intern wie extern zu vermitteln mag: Sowohl mittels einer (USP-)Mission (Welchen positiven gesellschaftlichen Beitrag wollen wir leisten und was macht uns darin einzigartig?) als auch mittels einer Unternehmens–Vision (Welche Werte könnten für die (globale) Gesellschaft in Zukunft maßgeblich sein und welche zentrale Dienst.leister-Rolle wollen wir dann dabei unterstützend einnehmen?).

Den Mitarbeitern würde dies als SINN-Horizont dienen, den je individuellen Weg könnten sie dann mit je eigenen situativen und vielfältigsten Sinn.möglichkeiten konkret füllen, wobei die produktive Synergie-Chance im respektvollen Umgang aller Beteiligten miteinander auf Augenhöhe liegt, sprich sich die "postheroischen" Führungskräfte (Prof. Witzer) sich als eben als Mediatoren verstehen…..

Nette Grüße
Dirk Boehmer

Gerhard Etzel hat gesagt…

Hallo noch mal,

es gibt in der Diskussion noch ein Mißverständnis: Belohnung als Motivator in meinem Sinn (und auch bei Roth) meint eben nicht nur Belohnung, wie es die Betriebswirte definieren, sondern das, was sich in unserem Gehirn abspielt: die Ausschüttung von Dopamin und endogenen Opioiden. Auslöser dieser Ausschüttung kann eben so Unterschiedliche sein wie materielle Anreize, Erfolg, Zuwendung von anderen, und ganz sicher auch Sinn, Bedeutung und Zugehörigkeit, wie es Frau Rössler-Kruszona beschrieben hat.
In diesem Sinne möchte ich noch einmal Jörg Middendorf zitieren: "Lang Lebe Dopamin und alles Führungsverhalten, dass dessen Ausschüttung fördert ;-)"

Johannes hat gesagt…

Oha, der Mensch als Hormon gesteuertes Wesen, danach strebend, sich mit Dopamin zu belohnen. Dann also nicht die betriebswirtschaftliche, sondern die hirnphysiologische Variante.
Bleibt noch die Frage, ob es die Aufgabe einer Führungskraft ist, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter eine ordentliche Portion Dopamin erhalten.
Wie gesagt: Eine Frage des Menschenbildes...

Gerhard Etzel hat gesagt…

Schade, Herr Thönneßen, dass Ihr letzter Beitrag für mich so abwertend klingt, so als ob die "hirnphysiologische Variante" mit der "ordentlichen Portion Dopamin" so etwas sei wie der Versuch, andere Menschen mit Drogen zu versorgen und sie abhängig zu machen.
Sie selbst sagen, Ihr Menschenbild entspreche eher dem Y-Typ von McGrogor. Einverstanden, meines übrigens auch. Aber sie streiten anscheinend ab, dass der von McGregor beschriebene Zustand der Arbeitszufriedenheit hirnphysiologisch durch eben diese hohe Dopaminausschüttung gekennzeichnet ist (zumindest nach dem heutigen Stand der Forschung). Der etwas flapsig formulierte Appell für ein dopaminförderndes Führungsverhalten sagt im Grunde nichts anderes als das, was Sie anscheinend auch wollen: sorgt dafür, dass die Mitarbeiter sich in ihrer Arbeit wohlfühlen, einen Sinn darin finden und so weiter.
Dazu gehört das, was Sie gesagt haben: "Mir würde eine Führungskraft, die den Rahmen absteckt, die Ziele kommuniziert, die Ressourcen zur Verfügung stellt und - bei Bedarf - Hindernisse aus dem Weg räumt, wozu mir eventuell die Mittel fehlen, ausreichen." Ich würde noch gern ergänzen: es kommt nicht nur darauf an, dass sie das tut, sondern vor allem auf das wie. Und damit schließt sich der Kreis: Man kann das so machen, dass die Mitarbeiter motiviert sind (Dopamin!), aber auch so, dass sie Frust, Ärger und enttäuschung erleben.

Johannes hat gesagt…

Hallo Herr Etzel - tut mir leid, dass der Beitrag abwertend klang - ich denke, ich möchte mich in Sachen Motivation nicht auf ein Dopamin-gesteuertes Wesen reduzieren lassen, daher vermutlich die Reaktion. Und ich glaube auch nicht, dass es die Aufgabe von Führungskräften ist, dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Arbeit wohl fühlen - da bin ich ganz auf der Linie von Sprengers "Radikaler Führung".

Aber ich fürchte, so ein Austausch führt uns an die Grenzen von einem Online-Forum, da wäre es sicher interessanter, eine "echte" Diskussion zu führen. Mal schauen, vielleicht findet sich ja hierzu ein Format.
Nicht, dass ich damit die weitere Diskussion abwürgen möchte, nur grundsätzliche Ansichten zu klären wird hier vermutlich nicht gelingen.
Auf jeden Fall herzlichen Dank an alle, die sich bisher beteiligt haben (und noch beteiligen werden)

Anonym hat gesagt…

Ja, individuelle Sinnfindung ist die persönliche Aufgabe eines jeden Mitarbeiters. Mission und Vision und Leitbilder sind nur die Orientierungs-Horizonte bzw. Leuchttürme als Navigations-"Eckpunkte". WIE man nun täglich auf offener See navigiert, bleibt jeder Person selbst überlassen. Führungskräfte tun daher gut daran quasi als "Lotsen" zu fungieren, so dass Jede/r im Tagesgeschäft für sich sinnvoll agieren kann...

Die Führungskräfte sind aus meiner Sicht daher primär (!) dazu beruf.en, die kollektiven Bemühungen so auszutatieren, dass sie synergetisch und nicht konflingierend wirken. Sprich den "sozialen Kitt" für ein größeres produktives Ganzes (trotz unterschiedlicher Sichtweisen) zu gewährleisten:
http://www.respectresearchgroup.org/respekt_650__Warum_uns_Respekt_wichtig_ist.htm.

Was nicht heißt, dass Führungskräfte nicht auch "sekundäre" Führungsaufgaben haben (wie gezieltes Fördern und Entwickeln entlang der Kernkompetenzen der Mitarbeiter.... ;-)

Ein hochinteresantes Video von Heiko Fischer, Ex CoHR Crytek, bei TED Talks:
http://www.youtube.com/watch?v=_BqLQW06vi4

PS: Buchempfehlung von mir: Eine excellente Einführung zum Thema SINN in Beruf und Privatleben, welche auch sehr gut die neuzeitlichen beruflichen "Erschöpfungserscheinungen" qua "Sinnentleerung" erklärt:

"Die kollektiven Neurosen im Management, m. DVD: Viktor Frankl -Wege aus der Sinnkrise in der Chefetage" (von Helmut Graf)

Logos-Grüße
Dirk Boehmer

Dr_Z hat gesagt…

Hallo,

sehr viele interresante Kommentare zum Thema Motivation (und auch darüber hinaus). Persönlich glaube ich (wie schon in einigen Kommentaren erwähnt), dass Mitarbeiter eine intrinsische Motivation mitbringen müssen. Ich jedefalls würde niemanden einstellen, den man "zum Jagen tragen muss." Wenn ein Mitarbeiter nicht selber motiviert ist seinen Job zu machen, ist es nicht Aufgabe des Managers den Alleinunterhalter zu spielen. Es ist aber wohl Aufgabe des Managers postive Ergebnisse und richtiges Verhalten zu belohnen. Und zwar so, dass es jede/r sieht. Es ist auch Aufgabe des Managers eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Mitarbeiter sich wohl fühlen und gerne (!) ihr bestes geben.

Das Gallup Institut hat in mehreren Umfragen in USA festgestellt, dass über 60% der Mitarbeiter in ihrem Job nicht voll dabei sind. Grund: ein schlechter Chef!
Darauf aufbauend ist hier ein Video zum Thema THE PERFECT BOSS:

http://youtu.be/jFG7jqJXbno

Viel Spass
Gruss
A. Zein