Mittwoch, 27. Juni 2012

Die Sache mit dem Bonus

Sieh an, sieh an, es rührt sich also vermehrt Widerstand gegen das System der "leistungsorientierten Bezahlung". Viel ist darüber geschrieben worden, und die Argumente wiederholen sich. Nur der Ton wird schärfer. Zumindest der Ton der Gegner. Die jüngsten Krisen, verbunden mit den unfassbar hohen Bonuszahlungen für einige wenige Top-Manager, sind dabei natürlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Boni machen aus Menschen Reiz-Reaktions-Maschinen. Die Theorie, die auf der Vorstellung des Homo oeconomicus beruht, "hat substantiell versagt und ist moralisch verrottet", sagt T.Sattelberger. Und R.Sprenger, seit jeher ein Gegner von Prämien, erklärt, dass Boni den Sinn der Arbeit ersetzen. Damit werden die Mitarbeiter zu Marionetten des Systems. Was zur Folge hat, dass man es dann mit Mitarbeitern zu tun hat, die wegen des Geldes kommen, und wer für Geld kommt, der geht auch für Geld.

Ähnlich argumentiert der Personalleiter von dm, wo man davon überzeugt ist, dass Menschen sich selbst motivieren und nicht mit einer "Wurst geködert" werden müssen. Damit werden lediglich Verhaltensweisen korrumpiert. Besonders schlimm, wenn der Bonus mit Zielvereinbarungen verknüpft wird. Dann richtet sich das Augenmerk der so "Geköderten" auf die Details, die belohnt werden, statt auf das Ganze.

Und die Befürworter? Ihre Argumente sind stets die Gleichen: Gerecht soll das Gehalt sein, Leistung soll sich lohnen. Wer mehr zum Ergebnis beiträgt, soll auch mehr erhalten. Außerdem: Wenn alle anderen hohe Boni ausschütten, dann muss man ja mitmachen, sonst hat man keine Chance im Kampf um die Besten.

Und sie versuchen, das System zu optimieren, da auch sie offenbar erkannt haben, das etwas mit ihm nicht stimmt. Ein gängiger Ansatz: Der langfristige Erfolg soll honoriert werden, daher versucht man, komplexe Formeln zu entwickeln, wobei ein erheblicher Anteil des Bonus an das langfristige Ergebnis bzw. die Entwicklung der Aktie über mehrere Jahre hinweg geknüpft wird.

Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass das Problem nicht die Boni selbst, sondern ihre Verknüpfung mit den falschen Kennzahlen ist. Zielvorgaben haben die unangenehme Begleiterscheinung, dass ihre Erreichung selten von der Leistung allein abhängt, sondern von vielen anderen Faktoren. Da können die Ziele weit übertroffen werden, ohne dass große Anstrengungen nötig waren. Oder sie werden deutlich verfehlt, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Beides demotiviert. Im ersteren Fall werden die Anstrengungen eingestellt, vor allem dann, wenn der Bonus nach oben gedeckelt ist. Im zweiten Fall wird sich resigniert zurückgelehnt, weil ohnehin keine Chance mehr besteht, an das versprochene Geld zu kommen. So zumindest die Logik derer, die glauben, dass Menschen vor allem für den in Aussicht gestellten Anreiz arbeiten. Was sie zum Glück nicht tun.

Die Lösung: Man verknüpft den Bonus mit einem Index. Soll heißen: Er wird in Abhängigkeit vom Abschneiden der Konkurrenz ausgezahlt. Je weiter man vorne liegt, desto mehr Geld gibt es. Das hat den Vorteil, dass es einen Bonus auch in schlechten Zeiten gibt, wenn man weniger schlecht abschneidet als die Konkurrenz, und dass man in guten Zeiten sich weiter anstrengt, denn auch dann muss man ja möglichst weit vorne liegen.

Ist das die Lösung? Es ähnelt dem Leistungssportprinzip: Der Sieger erhält die Siegprämie. Egal, wie schnell er läuft, Hauptsache, er ist schneller als die anderen. Ein gravierender Unterschied zum Zielvereinbarungsprinzip. Hat einen gewissen Charme, aber was, wenn die ganze Branche schwächelt? Wenn keiner hingeht, um den Wettkampf anzuschauen, sprich: Es gar nichts zu verteilen gibt? Es ist ja prima, der Beste zu sein - nur was verteilt man denn, wenn nichts verdient wurde?

Zum anderen: Die Idee, den Beitrag des einzelnen zu honorieren, also "die leistungsorientierte" Bezahlung, funktioniert so ja auch nicht. Nimmt man an, dass die Leistung eines Unternehmens die Folge der Leistung seines Top-Managements ist, dann könnte man dessen Bonus auf diese Weise rechtfertigen. Aber was ist mit dem Rest?

Und schließlich: Wer in einem solchen Unternehmen anheuert, muss den "Wettkampf" mögen - sich an den Besten messen. "Ist doch prima", werden die Befürworter sagen. "Genau solche Leute suchen wir!" Womit wir beim zentralen Punkt sind. Wer mit Bonussystemen arbeitet, wird die Mitarbeiter bekommen, die er verdient. Wer den Wettkampf mag, den zieht es zu dem Arbeitgeber, der nach Vergleichswerten belohnt. Wer mit hohen Boni gelockt wird, der kommt, arbeitet und geht auch wieder für Geld. Und wer einen Sinn in der Arbeit sieht, der kommt und bleibt, auch wenn es "nur" ein Festgehalt gibt.

Vielleicht liegt ja hier das Kernproblem der Finanzbranche: Wo kein Sinn besteht bzw. der Sinn das Geld selbst ist, zählt eben auch nur der Bonus.

Rezensionen zum Thema:
Personalwirtschaft 4/2012:
Motivation oder Manipulation
Wer für Geld kommt, geht auch für Geld
Ziele setzen ist nicht schwer, Anreize dagegen sehr



Montag, 25. Juni 2012

Was ist los mit uns?

Gut geht es uns, oder? Klar, die Euro-Krise lässt die Furcht wachsen, unser Erspartes verliert an Wert. Aber es gibt Arbeit genug, zumindest im Vergleich zu anderen Ländern. Wobei: Offensichtlich gibt es zu viel Arbeit, denn immer mehr Menschen erkranken anscheinend an Burn-out. Zumindest legen das aktuelle Zahlen und die Vielzahl an Veröffentlichungen nahe. Mag sein, dass es das auch schon früher gab und nur nicht so genannt wurde. Wenn ich aber zurückblicke auf die die Achziger oder Neunziger Jahre, dann scheint mir, dass damals zumindest in großen Organisationen die Belastung am Arbeitsplatz eher lau war.

Da hat sich offenbar etwas gewaltig verändert - immer mehr Arbeit lastet auf immer weniger Schultern. Das Argument ist stets das Gleiche: "Die Personalkosten sind zu hoch." Eine Folge der Globalisierung - woanders arbeiten die Menschen für weniger Geld. Will man also hier die gleichen "Stückkosten" erzielen (bei den gleichen Gehältern, versteht sich, wer will sich schon verschlechtern?), müssen eben weniger Menschen mehr produzieren.

Das ist die Makro-Sicht. Und aus der Sicht des Einzelnen? Warum tut man/frau sich das an? Warum pressen wir noch mehr Aufgaben in die uns zur Verfügung stehende Zeit? Warum lassen wir uns immer mehr Aufträge aufs Auge drücken?

Weil wir gelernt haben zu funktionieren? Weil wir einer Erwartungshaltung gerecht werden wollen, die wir, von wem auch immer, täglich empfinden? Weil wir Angst haben, ohne diese tägliche Anstrengung irgendwann ohne Job dazustehen?

Wenn ich mir an die eigene Nase fasse, dann scheint es mir eine Mischung aus diesen Faktoren zu sein. Wie alle Selbstständigen kann ich kaum einen Arbeitgeber bzw. einen Vorgesetzten verantwortlich machen. Der Druck ist selbst erzeugt, kommt von innen. Ein oder mehrere Mitglieder des inneren Teams ermahnen mich täglich, die To-do-Liste zu beackern, weil sonst ... ja was sonst?

Was passiert eigentlich, wenn ich dem Druck nicht nachgebe? Wenn mal kein Newsletter erscheint, Zeitschriften liegen bleiben, keine Termine angenommen werden? Ich merke, wie das innere Teammitglied vor Schreck erstarrt. "Bist du irre?" fragt es entsetzt. "Dir werden die Kunden weglaufen, die Mitglieder sich abmelden, Aufträge ausbleiben... Wie willst du die Rechnungen bezahlen? Was ist mit dem neuen Auto? Und überhaupt - wie willst du im Alter klarkommen?"

Sollte sich da nicht auch eine andere Stimme melden? Eine, die schreit: "Bist du irre? Denkst du vielleicht mal daran, was mit mir ist? Was glaubst du wohl, wo der Druck im Magen herkommt? Glaubst du vielleicht, du lebst ewig?"

Wieso ist das Teammitglied Nr. 1 so viel lauter als Nr. 2? Ich fürchte, Nr.2 hat früh gelernt die Klappe zu halten. Weil es sich vermutlich blamiert hätte in einer Zeit, in der wir Kraft genug hatten, noch mehr Aufgaben und noch mehr Druck auszuhalten. Und wenn es sich jetzt meldet, ist es so leise, dass wir es einfach überhören....

So, Blogbeitrag verfasst - was steht als nächstes auf der To-do-Liste?

Rezension zum Thema:
Das B-Wort, Wirtschaftswoche 22/2012


Mittwoch, 20. Juni 2012

Die Veränderungskurve

Es wäre sicher für etliche Modelle, die bei Beratung und Training im Einsatz sind, interessant zu untersuchen, welche Varianten es gibt und ob sie überhaupt jemals überprüft wurden. Ein Beispiel: Die Veränderungskurve.


Welcher Change-Manager hat sie noch nie eingesetzt? Ihren Ursprung kennen alle. Die amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross hat sie nach hunderten Interviews mit sterbenden Menschen entwickelt, und wer sich näher mit diesem Thema befasst hat oder persönlich betroffen war, der kann diesen Verlauf sicher leicht nachvollziehen. Erst will man es nicht glauben, einfach nicht wahrhaben. Dann stellt sich Zorn ein, Zorn auf die Welt, das Schicksal, die anderen, die weiter leben werden. Es folgt die Phase, in der der Mensch wie ein kleines Kind verhandelt und auf Belohnung hofft, wenn es sich "richtig" verhält. Bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass alles Hoffen vergeblich ist. Verzweiflung und Trauer sind die Folge, eine wichtige Phase, um schließlich das Unvermeidliche anzunehmen.

Es gibt im Leben aber auch andere Momente, weniger existenziell, aber dennoch bedrohlich. Die Hypothese lautet, dass dann ähnliche Prozesse in uns ablaufen. Also zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber dramatische Veränderungen in der Organisation ankündigt, der eigene Arbeitsplatz in Gefahr gerät, die Aufgabe wechselt, ein Werk geschlossen wird und man seinen Lebensmittelpunkt verlegen muss.

Aber ist diese Situation wirklich vergleichbar? Nur bedingt. Da mag es ja Menschen geben, die diese Veränderung schon lange gefordert und herbeigewünscht haben und mächtig froh sind, weil sie darin eine Chance für sich sehen. Etliche werden auch an den Veränderungsplänen beteiligt worden sein. Zudem bieten organisatorische Maßnahmen immer auch Gestaltungsmöglichkeiten. Und schließlich gibt es immer Alternativen - auch wenn eine Phase zu Ende geht, das Ende selbst aber ist es nicht.

Lässt sich die Kurve also überhaupt sinnvoll einsetzen? Mal abgesehen davon, dass offenbar empirische Studien dazu fehlen und sich die meisten Berater einfach darauf verlassen, dass schon etwas dran sein wird an der Parallele zum sterbenden Menschen?

Einsatz in Veränderungsprojekten

Schon, wie ein Beitrag in der OrganisationsEntwicklung 1/2012 deutlich macht. Immer vorausgesetzt, es gibt tatsächlich eine größere Anzahl von Menschen in der Organisation, die die Veränderung als Existenzbedrohung erleben. Dann kann das Modell helfen, den Entscheidungsträgern zu verdeutlichen, was gerade in ihrem Unternehmen geschieht. Dass die Hilflosigkeit, der plötzliche Zorn, der Versuch der Verhandlung und die folgende Resignation durchaus normale und menschliche Reaktionen sind. Und dass sie den Menschen Zeit geben müssen, diese Reaktionen zu zeigen.

Was in dem Beitrag nicht erwähnt wird: So ein Modell kann aber auch leicht missbraucht werden. Wie das? In echten Krisensituationen, die kaum Wahlmöglichkeiten lassen, mag das Modell unmittelbar nachvollziehbar sein. Also wenn z.B. das Unternehmen vor der Insolvenz steht. Aber in der Regel werden Change-Projekte eher vorbeugend initiiert, die konkrete Notwendigkeit, um existenzielle Bedrohungen zu verhindern, ist selten unmissverständlich gegeben. Klar, die Empfehlungen lauten, sie so transparent wie möglich zu machen. Dennoch wird immer der Eindruck bleiben, dass die Veränderung nicht ähnlich einem Schicksalsschlag unvermeidbar ist, sondern eine (mehr oder weniger) willkürliche Management-Entscheidung darstellt.

Wenn dann den Betroffenen oder auch den Entscheidungsträgern erklärt wird, dass die Reaktion auf die Veränderung natürlich ist und nach dem ersten Schock und der Verhandlung über die Depression sich in Akzeptanz verwandeln wird, dann scheint mir der Transfer des Modells alles andere als angemessen. Ich würde mich als Betroffener verschaukelt fühlen, wenn Manager eine Umstrukturierung beschließen, bei der mein Arbeitsplatz wegfällt und sich selbst damit beruhigen, dass die Reaktion darauf "normal" sei und mir erklären, meine Reaktion sei vergleichbar mit derjenigen eines Menschen, der von seinem nahenden Ende erfahren hat.

Was bleibt, ist die Empfehlung, sehr sorgsam mit solchen Modellen umzugehen und den Einsatz bedacht wählen. Ein guter Rat, der für viele Modelle gilt, aber der vermutlich nicht so häufig berücksichtigt wird...

Rezension zum Thema:
Die Veränderungskurve - Ein Berater-Mythos? OrganisationsEntwicklung 1/2012

Montag, 11. Juni 2012

Kommunikation messen

Da hatte ich mir gerade vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn wir bald mit einem EEG-Headset durch die Gegend laufen (siehe Blogbeitrag vom 4.6.2012), da tun sich plötzlich noch ganz andere Möglichkeiten auf. Ein Forscherteam des MIT (Massachusetts Institute of Technology) stattet Team-Mitglieder mit Sensoren aus, die es ermöglichen, das Kommunikationsverhalten zu erfassen. Angeblich ist es auf diese Weise möglich, Tonfall, Körpersprache, wer mit wem wie häufig spricht, wie stark gestikuliert wird, ob man zuhört, ob man unterbricht usw. zu erfassen. Selbst der Grad der Extravertiertheit und des Einfühlungsvermögens kann gemessen und in Zahlen ausgedrückt werden. Die Geräte erfassen bis zu 100 Datenpunkte pro Minute, viel Material für die Forscher.

Und was finden sie auf diese Weise heraus? Dass die Art der Kommunikation ausschlaggebend für den Teamerfolg ist. Nicht, dass wir davon überrascht sind. Wir ahnten auch vorher, dass das persönliche Gespräch der Video- oder Telefonkonferenz überlegen ist, und dass E-Mail und SMS deutlich schlechter geeignet sind, kreative Prozesse zu unterstützen. Und wir wussten auch längst, dass die informelle Kommunikation extrem wichtig ist. Nicht umsonst gestalten Unternehmen ihre Gebäude so, dass sich die Mitarbeiter über den Weg laufen müssen, dass sie in der Teeküche zusammen stehen und sich austauschen.

Wie so oft bei derartigen Berichten ist mein erster Gedanke: "Banale Erkenntnisse, wissenschaftlich untermauert." Allerdings gibt es hier einen bemerkenswerten Unterschied. Wenn die Erkenntnisse dazu führen, dass bekannte Theorien nicht nur bestätigt werden, sondern in der Praxis auch Vorhersagen ermöglichen, dann könnte es spannend werden. Die Autoren behaupten, sie hätten den Erfolg von Teams vorhersagen können allein durch die Auswertung der Daten - ohne das Team selbst jemals gesehen zu haben. So hätten sie das Siegerteam eines Business-Plan-Wettbewerbs prognostiziert, indem sie das Verhalten der Teammitglieder auf einer Cocktail-Party mit Hilfe ihrer Sensoren auswerteten.

Werden wir demnächst also mit einer Reihe von Messgeräten ausgestattet, die uns unser Kommunikationsverhalten zurückspiegeln? Tatsächlich haben Versuche ergeben, dass es schon ausreicht, einem Team das gemessene Verhalten zu beschreiben (z.B. dass bestimmte Teammitglieder weniger eingebunden sind, dass die Kommunikation untereinander nicht ausgewogen ist usw.), um ein effektiveres Kommunizieren anzustoßen und damit den Erfolg von Teams zu steigern.

Spinnen wir das mal weiter: In Zukunft tragen wir eine Reihe von Sensoren am ganzen Körper, die beliebig viele Daten sammeln, diese an unser Smartphone (oder wie die Multifunktionsgeräte dann heißen mögen - ich schätze, "Phone" wird darin nicht mehr vorkommen) weiterleiten, wo sie ausgewertet und in "Echtzeit" an uns zurückgesendet werden. Wir werden gewarnt, wenn wir emotional werden... wenn wir zu viel reden und zu wenig zuhören ... wenn wir zu lange Sätze bilden ... wenn wir einzelne Teammitglieder ignorieren ... usw.
Utopisch? Die Wissenschaftler haben die Vision, ganze Belegschaften mit ihren Geräten auszustatten und damit die Produktivität von Teams drastisch zu erhöhen. Wir werden noch staunen...

Rezension zum Thema:
Kommunikation ist der Schlüssel, Harvard Business Manager 5/2012

Donnerstag, 7. Juni 2012

Steve Jobs und Power-Point

Der Apple-Chef soll formelle Präsentationen gehasst haben, sagt sein Biograf Walter Isaacson. Zitat: "Ich hasse es, wie die Leute mit Folien arbeiten, statt zu denken.... Wer weiß, wovon er spricht, braucht kein Power-Point."
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(gefunden in: Think Different, Harvard Business Manager 5/2012, S.33)

Montag, 4. Juni 2012

Gedanken lesen

Kann man mit seinen Gedanken einen Computer bedienen? Man kann. Es genügt offenbar ein EEG-Headset, das misst, ob wir uns konzentrieren oder entspannen. Mit diesen beiden Zuständen lassen sich Computerspiele steuern. Es gibt offenbar schon einige davon auf dem Markt.

Ich erinnere mich an ein Bio-Feedback-Programm, da steckte man sich eine Klammer auf den Finger, womit der Hautwiderstand gemessen wurde. Und dann beeinflusste man die Farbe des Bildschirms, indem man sich entspannte. Also nicht so ganz neu, aber irgendwie faszinierend.

Doch die Entwickler träumen von mehr. Hätte man bessere "Fühler", dann könnte man differenziertere Signale aussenden und empfangen. Was damit wohl alles möglich wäre? Gedankenlesen lautet die Vision. Ich sehe uns schon mit Headsets herumlaufen, die unsere Gedanken decodieren und als digitale Daten an die Umgebung abgeben.

Blödsinn, oder? Wir haben doch die Fähigkeit zu sprechen. Wozu also mühsam Gedanken entziffern, wo wir uns doch viel einfacher durch Worte mitteilen können.

Aber es gibt auch Menschen, die nicht sprechen können, da wäre diese Technik ein Segen. Nur ist das kaum ein Markt, mit dem viel Geld zu verdienen wäre, so zynisch das auch klingt.

Es gibt allerdings durchaus weitereFantasien, die reizvoll klingen. Mal angenommen, dieses EEG-Headset ist an unser Smartphone angeschlossen, und das warnt uns, den Mund aufzumachen, bevor wir etwas Dummes sagen. Oder wir erhalten eine unangenehme E-Mail und setzen zu einer unüberlegten Antwort an. Zack, leuchtet eine rote Lampe auf und hält uns davon ab, im Zorn loszuschreiben.

Oder wie wäre es damit? Im Hörsaal tragen alle Studenten ein solches Messgerät, die Smartphones sind vernetzt und der Vortragende sieht auf seinem Bildschirm, wenn das Aufmerksamkeitsniveau gegen Null geht.
Das sollte er vielleicht auch mitkriegen, wenn er in die schläfrigen Augen seiner Zuhörer blickt, aber ich bin mir sicher, einem leuchtenden Warnsignal auf seinem Laptop glaubt er wesentlich eher.
Oder noch besser: Die Daten gehen direkt an einen Zentralrechner, von wo der Leiter des Instituts die "Leistungen" seiner Dozenten überwachen kann. Dann schließt er mit ihnen Zielvereinbarungen ab über das zu erreichende Aufmerksamkeits-Level seiner Studenten.
Herrliche Zeiten...

Rezension zum Thema:
Gedanken-Spieler, Wirtschaftswoche 20/2012