Mittwoch, 7. November 2012

Spiel statt Arbeit?

Es gibt Aufgaben, die sind nicht sonderlich interessant, sondern eher monoton, wenig motivierend. Ist jede monotone, sich ständig wiederholende Aufgabe langweilig und demotivierend? Nicht unbedingt. Da hocken Menschen Stunde um Stunde vor Computerspielen und versuchen, Punkte zu sammeln und Rekorde zu brechen - ohne dass ihnen jemand dafür auch nur einen Cent bezahlt.

Das kann man doch auch umdrehen, scheinen sich findige Köpfe gedacht zu haben. In einem Artikel der Wirtschaftswoche wird uns erklärt, wie das funktioniert. Man nehme eine langweilige Tätigkeit wie das Beantworten von Anfragen im Call Center. Gar nicht gut, wenn der Call Center Mitarbeiter die Daten des Anrufers schludrig in sein System eingibt. Oder gelangweilt oder gar genervt am Telefon reagiert.

Wie wäre es, wenn man für korrekt eingegebene Angaben Punkte vergibt, außerdem die Stimmlage und den Stresspegel per Sensor erfasst und für gute Gespräche ebenfalls Punkte verteilt? Und wenn man das alles als Computerspiel gestaltet, bei dem die Mitarbeiter mit ihren gesammelten Punkten ein virtuelles Piratenschiff im Wettkampf mit Kollegen eine Insel ansteuern können, wo der Schatz lagert? Erreicht man diese Insel, winken echte Preise...

Soll auch bei Programmierern funktionieren, die eine neue Software testen müssen. Was ohne spielerischen Wettkampf offenbar todlangweilig ist, wird dank des Punktesammelns zum Vergnügen - und nebenbei wird die Arbeit erledigt.

Gamification

Natürlich gibt es dafür auch schon einen passenden Begriff: Gamification. Die Arbeit wird zum Spiel. Ich spinne mal ein wenig: Mitarbeiter in der Massenproduktion erhalten mit jedem Bauteil, das sie anschrauben, Punkte, die auf einem Bildschirm eine Rakete antreiben, die mit anderen Raketen um die Wette zum Mars fliegt. Je genauer der Mitarbeiter arbeitet, desto näher kommt er  seinem Ziel.

Oder in der Altenpflege: Mitarbeiter versorgen ältere Menschen, die ein Gerät tragen, das ihr Wohlbefinden misst - wie auch immer. Das Gerät erkennt auch, wer der Pfleger ist. Je besser es dem alten Menschen geht, desto mehr Punkte sammelt der Mitarbeiter. Er kann täglich seinen Highscore übertreffen und je nachdem, wie sein Bereich abschneidet, entsprechende Prämien sammeln.

Absurd? Angeblich ist diese Art der Mitarbeitermotivation der Generation Gaming geschuldet. Das sind die Menschen, die mit Computerspielen aufgewachsen sind und mit Begeisterung allein oder vernetzt mit anderen Rekorde am Computer oder auf Spielekonsolen jagen.
Der spielerische Wettkampf wird zum eigentlichen Zweck, die Arbeit zur Nebensache - aber vielleicht besser als vorher bewältigt. Wäre ganz praktisch und vermutlich auch recht preisgünstig, denn bei den meisten Spielen gibt es ja auch kein Bargeld zu gewinnen.

Nein, ich glaube, ganz und gar nicht absurd. Nur denke ich nicht, dass es so sehr viel mit der Generation Gaming zu tun hat. Ich finde es auch sehr reizvoll, beim Joggen die Mitteilung zu bekommen, ob ich den Schnitt der letzten Tage halte oder sogar schneller als sonst bin. Auch wenn ich den künstlichen Applaus eher lästig finde - der Erfolg tut gut. Computerspiele haben mich - bis auf eine Ausnahme, ich gestehe! - nie gereizt.

Ich glaube, dass hier etwas anderes gelingt. Wir bekommen plötzlich eine direkte Rückmeldung über den Erfolg oder Misserfolg unserer Tätigkeit. Statt am Ende eines Monats ein Gehalt auf dem Konto (allerdings ziemlich unabhängig von Menge und Qualität unserer Arbeit) oder irgendwann einmal ein Geschäftsbericht auf dem Tisch, der keinen Aufschluss darüber erlaubt, welchen Anteil der einzelne am Ergebnis hatte, oder ein Lob bzw. eine kritische Äußerung des Vorgesetzten, wenn sich mal wieder eine Kunde bei ihm gemeldet hat, folgt das Feedback unmittelbar auf die Tätigkeit. So wie ein Tennisspieler sofort sieht, ob sein Ball dort gelandet ist, wo er ihn hin spielen wollte, erfährt der Mitarbeiter, zu welchem Ergebnis sein Verhalten führt.

Dass man dieses Ergebnis nun in ein Computerspiel integriert, in Ranglisten ummünzt und so dem Ganzen noch eine spielerischer oder gar wettkampfähnliche Komponente verleiht, halte ich eher für zweitrangig. Im Gegenteil: Ich glaube, dass der Reiz bei dieser Variante schnell vergeht und man die Spielideen ständig anpassen muss.

Einen interessanten Beitrag zu dem Thema fand ich übrigens bei Bastian Wilkat.

Rezension zum Thema:
Die sollen ruhig spielen, Wirtschaftswoche 41/2012


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