Samstag, 24. November 2012

Identifizierte Mitarbeiter sind gesünder

Ich kenne eine ganze Reihe selbstständiger Unternehmer und habe den Eindruck, dass diese Gruppe von Menschen deutlich weniger "krank feiert" als Angestellte. "Naja, das kann man sich ja auch gar nicht leisten, schlägt ja direkt auf den Geldbeutel durch!" könnte die Erklärung sein. Also arbeiten Selbstständige einfach weiter, wenn sie krank sind? Oder könnte es auch sein, dass sie einfach seltener krank werden? Weil sie eine "gesündere Einstellung" zu ihrem Beruf bzw. ihrer Arbeit haben?

Eine Hypothese: Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen, sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, sich für ihren Arbeitgeber, ihr Team, ihre Abteilung engagieren und für ihre Aufgabe einsetzen, erleben ihre Arbeit als weniger stressig, und wer weniger Stress empfindet, lebt gesünder.

Wie kann man eine solche Hypothese überprüfen? Indem man zum Einen die Identifikation mit dem Job erfasst, zum anderen nach der Häufigkeit von Krankheitssymptomen fragt, als da wären:  Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Genau das haben Wissenschaftler getan und eine klare Bestätigung für die oben genannte Hypothese gefunden.

Klar, dass mir das gut passt, wäre auch meine Vermutung gewesen. Aber ist das schon ein wissenschaftlicher Beweis? Auch wenn es einen Zusammenhang zwischen Identifikation und gesundheitlichen Klagen gibt - was ist Ursache und was ist Wirkung?

Jetzt kommt das eigentlich Erfreuliche: Die Wissenschaftler haben sich nicht mit dem Ergebnis zufrieden gegeben, sondern wollten mehr wissen über Ursache und Wirkung. Also haben sie Experimente gestartet. Z.B. haben sie Call Center-Mitarbeiter in zwei Gruppen geteilt: Jene, die sich mehr mit ihrer Arbeit identifizieren und jene, die keine besonders große Identifikation aufwiesen. Dann hat man beiden Gruppen unzufriedene Kunden "auf den Hals gehetzt" und anschließend das Stressniveau gemessen - mit Hilfe von Speicheltests. Ergebnis: Die Identifizierten waren deutlich weniger gestresst. Ein weiterer Beleg für die These.

Noch viel spannender aber finde ich folgendes Experiment: Man gab zwei Gruppen von Studenten die Aufgabe, einen Vortrag vorzubereiten und anschließend zu halten. Wie wir wissen, löst so etwas bei jedem einen gewissen Stress aus. Die eine Gruppe ließ man vorher eine Diskussion über Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppe führen, die andere über Unterschiede. Nun dürfen Sie raten, welche Vortragenden anschließend stärker gestresst waren...

Dürfen wir daraus ableiten, dass eine Unternehmenskultur, die das Gemeinsame betont, Teamziele in den Vordergrund stellt, die Arbeit so gestaltet, dass sich die Mitarbeiter mit den Aufgaben wohlfühlen, echtes "Gesundheitsmanagement" betreibt? Und wer auf interne Konkurrenz setzt, die Unterschiede fördert und entsprechende "Anreizsysteme" installiert, das Gegenteil bewirkt? Ich bin davon überzeugt.

Rezension zum Thema:
Gesünder in der Gruppe, Harvard Business Manager 8/2012

1 Kommentar:

Christoph Schlachte hat gesagt…

Prima Beitrag. Auch die Vertrauensforschung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Warum wird es nicht mehr berücksichtigt?

Ich glaube die "gegenwärtige" Führungskultur ist in vielen Unternehmen noch sehr auf die "Macherkultur" ausgelegt.

Gemeinsame Ziele und die Art wie Aufgaben angegangen werden, ist dann ok, wenn es auch die Meinung des "Chefs" trifft. Das ist "Sonntagswetter" und einfach.

Was ist los, wenn es Druck und Stress gibt?

Die große Frage ist, kann ich als Führungskraft loslassen und meinen Mitarbeitern vertrauen. Wie kann ich mich dann als Führungskraft definieren? Was wären dann meine Aufgaben?

Doch ohne Gestaltungsraum und Dialog im Unternehmen nutze ich die Fähigkeiten meiner Mitarbeiter viel zu wenig. Das hat dann auch Folgen für das Engagement und Qualität. Und bietet damit auch einen "guten" Grund weiter in der alten Art zu führen.

Zum anderen muss ich als Führungskraft überall dabei sein. Das kostet Kraft.

Das Thema bietet Potential und der Artikel kann ein guter Ausgangspunkt sein, das im eigenen Unternehmen zu reflektieren und möglicherweise zu ändern.