Donnerstag, 27. September 2012

Neue Führungsmodelle?

Keine Frage, die Welt dreht sich irgendwie schneller. Wir haben noch Schwarz-Weiß-Fernseher erlebt und Zeiten, in denen noch nicht in jedem Haushalt ein Fernsehgerät stand. Was rede ich: In jedem Zimmer! Und wenn unsere Eltern etwas über ihre Jugend erzählt haben, in denen man nur das Radio kannte, von Grammophonen und Schellackplatten, dann wussten wir noch, wovon sie sprachen.

Fragen Sie heute mal einen Jugendlichen, was eine Floppy-Disc ist. Oder eine Schallplatte. Oder ein Walkman. Und vermutlich wird es keine weiteren zwanzig Jahre brauchen, bis sich niemand mehr an CDs oder DVDs und ähnlich antiquierte Datenträger erinnert. Ob man dann noch weiß, was Facebook war oder Google?

Bei diesen unglaublich schnellen Veränderungen ist es schwer vorstellbar, dass Organisationen nach den selben Mustern funktionieren wie im letzten Jahrhundert. Was wiederum bedeuten würde, dass sich auch Führung verändert.

Entsprechend werden uns immer wieder angeblich neue Erkenntnisse präsentiert. Diese lauten in etwa so: Planung funktioniert nicht, Steuerung und Kontrolle auch nicht. Menschen handeln nicht rational, und Strategien sind schon von gestern in dem Moment, in dem sie formuliert wurden. Also muss sich der Manager umstellen. Auf Pläne verzichten, flexibel bleiben, improvisieren, experimentieren, in kleinen Schritten vorgehen und seine Strategien fortlaufend anpassen.

Und passend dazu werden uns auch nette Bilder präsentiert. Gerade gelesen: Modernes Management ist nicht wie Schach, wo man eine Strategie hat und diese konsequent verfolgt, sondern mehr wie Backgammon: Man hat zwar eine Strategie, aber weil das Würfelglück eine große Rolle spielt, muss man ständig die Pläne ändern.

Der Rat der Experten: Manager müssen heutzutage einen Plan haben, Ziele formulieren und strukturiert vorgehen - aber all das immer wieder überprüfen, anpassen, zur Not über den Haufen werfen und improvisieren.

Postheroisches Management

Kalter Kaffee, sagen andere. Das ist keineswegs neu, und wir brauchen auch keine neuen Managementmodelle. All das wurde längst formuliert von den Herren Drucker, Peters, Handy und Co. Management als Kreislauf aus Strategie, Planung, Umsetzung, Steuerung, Kontrolle und neuer Planung  funktionierte immer schon nur bedingt.

Woran es hapert ist das Menschenbild - vor allem das, was der Manager von sich und andere von ihm haben. Dass er bzw. sie die Fäden in der Hand hält, weiß, wo es lang geht, die Probleme, die entstehen, löst und allen anderen den Weg weist - das mag in Zeiten, in denen die Dinge noch vorhersehbar waren, einigermaßen funktioniert haben. Heute gibt keine Helden mehr, Organisationen, die sich darauf verlassen, können nicht funktionieren.

Soll heißen: Gute Führung braucht keine neue Modelle. Wer Menschen ernst nimmt, sie in Entscheidungen einbindet, ihnen Handlungsspielräume lässt und Führung als Dienstleistung versteht, der wird auch in Zeiten von Open Innovation, Change Management, Multi-Projektmanagement und virtuellen Organisationen erfolgreich sein.
Das alles ist längst Allgemeinwissen, auch wenn es in vielen Organisationen noch nicht angekommen ist. Statt auf geniale neue Managementkonzepte zu hoffen, muss es einfach nur gelebt werden...

Rezensionen zum Thema:
Führung 2.0 - Nein danke
Produktive Unruhe oder: Backgammon im Alpinstil, Zeitschrift Führung + Organisation 2/2012 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie wahr. Warum bloss wird dies in den Grossfirmen nicht gehört? In Klein- und Mittelbetrieben, wo Unternehmer am Werk sind funktioniert dies häufig und ohne Geschrei.
Ich schätze Ihre Kommentare sehr, immer wieder erheitern wie Menschen betriebsblind werden.
Gruss aus der Schweiz
Heiner Schwendener

Anonym hat gesagt…

Lieber Johannes Thönneßen, ich schätze Sie und Ihre (Schreib-) Arbeit sehr. Aber wenn Sie texten:
[...]
"selben Mustern funktionieren wie im letzten Jahrhundert. Was wiederum bedeuten würde, dass sich auch Führung verändert." [...] "Soll heißen: Gute Führung braucht keine neue Modelle." [...]
möchte ich doch eine Gegenposition verfassen. Nur so, denn: Natürlich ändert sich Führung, spätestens mit der "führenden Person" wie schon Heraklit nachgesagt wird: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen.“

Was aber bedeutet das? Ersetzen wir das Wort "Führung" z.B. durch "Evolution". Evolution ändert sich auch immer. Na und? Hat Evolution ein Ziel? Hat Führung eines? Äpfel und Birnen? Hm...

Und: Wir brauchen, wie ich finde, immer dann "neue Modelle", wenn diese Erkenntnis stiften können - auch zum Thema Führung gibt es sicher noch hinreichend Erkenntnisgewinn bei "guten" Modellen.

Kurzum: Ja, ich teile Ihre Auffassung, dass das Primat "Menschenbild" irgendwie stimmen muss (vielleicht im Ganzen: die "Kultur"?). Dann können Ziele und Pläne erstellt (und auch immer wieder korrigiert) werden. Und so können Strategien entwickelt werden, die helfen sollen bei der Realisation von Zielerreichung.
__________________________________

Konkrete, simplifizierte Ex­em­p­li­fi­zie­rung mit FK=Führungskraft, MA= Mitarbeiter:

Menschenbild:Taylorismus, Fordismus und Post-Fordismus
Kultur: Klare Grenzen zwischen FK und MA / feste Rollen & Regeln / "mehr"-Motive wirken

Führungsmodel: FK führt MA nach einfachem "Stimulus-Response"-Prinzip (z.B. im Vertrieb mit der Idee: mehr Leistung ergibt mehr Vergütung)

Führung: "tit for tat" als Strategie im Sinne der Spieltheorie, d.h.: Wenn MA der FK "mehr Leistung" zeigt, dann reagiert FK mit "mehr Vergütung".

Komms das etwa jemandem bekannt vor? Naja, wünsche stets neue Ein-, viele An- und auch mal Rücksichten..., denn [...]"es muss einfach nur gelebt werden..."

Gruss aus Köln von R. Meinshausen