Mittwoch, 21. Dezember 2011

Ein schwieriges Jahr?

Keine Angst, das wird kein Jahresrückblick 2011. Lediglich ein paar Gedanken über unsere Wahrnehmung von Ereignissen. Und darüber, wie unsere Wahrnehmung beeinflusst wird.

Ich war kürzlich Gast in einem Unternehmen, das nach einem schwierigen Neuanfang eine erstaunliche Entwicklung genommen hat. Der Personalchef präsentierte die aktuellen Zahlen und seine Ideen für die nächsten Jahre. Er sagte einen bemerkenswerten Satz, sinngemäß: "Wir wissen, dass die Aussichten für das kommende Jahr nicht rosig sind, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren Maßnahmen gut aufgestellt sind und aus den Krisenjahren viel gelernt haben." Das war keine PR-Aussage, sondern sehr glaubwürdig, da er gleichzeitig ebenso offen über die Hürden und Herausforderungen für das Unternehmen berichtete.

Aus diesem Treffen ging ich so optimistisch wie schon lange nicht mehr nach Hause. Und stellte fest, dass meine Stimmung in den letzten Monaten stark geprägt war von Überschriften, die das genaue Gegenteil dieser Zuversicht darstellten. Bekanntlich bespreche ich regelmäßig die Financial Times Deutschland, eine Zeitung, die mir bezüglich der Vielfalt der dargestellten Perspektiven immer gut gefallen hat. Allerdings hatte meine Motivation, sie am Morgen aufzuschlagen, merklich nachgelassen.

Denn die Überschriften allein können den Leser in tiefe Depressionen stürzen. Europa am Abgrund, die Welt vor dem Chaos, Katastrophen rund um den Globus und die Wirtschaft am Ende. Nein, irgendwann mag man das nicht mehr lesen, so wie man von Dauerregen irgendwann genug hat.

Da ich kein Anhänger des positiven Denkens bin, sondern im Zweifelsfall eher ein "Verdränger", habe ich die Lektüre nach und nach auf das Nötigste beschränkt (ich gebe zu, dass ich den Sportteil immer noch ausgiebiger gelesen habe). Bis mir dann eines Tages die FAZ in die Hände fiel, und neuerdings auch dank eines Probe-Abos die Süddeutsche Zeitung. Und siehe da: Deren Headlines vermittelten einen ganz anderen Eindruck. Die Nachrichten waren offenbar die gleichen, aber die Titel in der Regel sehr neutral, maximal Neugier weckend.
Beispiel von heute zu Syrien: FTD: "Assads Regime lässt 280 Deserteure niedermetzeln" - SZ: "Gefangenenchor".
Und zu Nordkorea: FTD: "Zombie-Staat unter Waffen" - SZ: "Blumen und rote Flagge".

Ich frage mich also, wie schrecklich dieses Jahr nun wirklich war. Wie schief ist mein Bild von der Wirklichkeit?

Mein Vorsatz für das kommende Jahr: Wacher, aufmerksamer hinzuhören und hinzuschauen. Meine Quellen wechseln, hin und wieder die Perspektiven verändern. Wäre einen Versuch wert...

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Inspirations-Outsourcing

Es ist doch immer schön, etwas Neues zu lernen. Sie kennen den Begriff "Inspirations-Outsourcing" und wissen, was sich dahinter verbirgt? Hut ab, mir war er bisher unbekannt. Bis ich den Beitrag im Harvard Businessmanager entdeckte, der uns erklärt, wie Führungskräfte die Motivation ihrer Mitarbeiter den Kunden überlassen. Bzw. sie an den Kunden delegieren. Kein Witz. Praktisch, oder?

Wer jetzt hofft, ein großes Problem los zu sein, der sieht sich schnell getäuscht. Hinter der Idee steckt ein ganz alter Hut: Motiviert und leistungsbereit sind wir immer dann, wenn wir sehen, dass unsere Arbeit sinnvoll ist und Nutzen stiftet. Und eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Der Denkfehler vieler Führungskräfte besteht darin anzunehmen, dass sie mit etwas Lob und einer entsprechenden Prämie diese Wertschätzung vermitteln können. Experimente zeigen, dass es überhaupt keinen Effekt erzielt, wenn sie Mitarbeitern etwas von zufriedenen Kunden erzählen. Führungskräfte werden diesbezüglich offenbar alles andere als kompetent wahrgenommen.

Stattdessen, so die Autoren, sollte man dem Mitarbeiter ermöglichen, Feedback direkt vom Endkunden zu bekommen. Call Center Agenten, die Gelder für Stipendien einsammeln sollten, waren top-motiviert, nachdem ein Stipendiat sie besuchte und erzählte, wie ihm das Stipendium geholfen hat. Oder wie wäre es, die Dankesschreiben von zufriedenen Kunden denjenigen zur Verfügung zu stellen, die hieran maßgeblich beteiligt waren? In manchen Unternehmen landen diese Schreiben in der Ablage.

Alles wie so oft furchtbar banal. Und ein Problem unserer arbeitsteiligen Welt. Die Menschen, die nur einen Teil der Leistung am Kunden erbringen, sind oft so weit weg vom Endkunden, dass sie gar nicht mitbekommen, was aus ihrer eigenen Arbeit wird. Mit anderen Wort: Der Sinn ihrer Tätigkeit geht flöten - obwohl es (hoffentlich) einen gibt.

Die Botschaft für Führungskräfte ist ebenso banal: Sorgen Sie dafür, dass die Rückmeldung des Endkunden beim Mitarbeiter landet, das erspart Ihnen eine Menge Arbeit. Und ist eine echte Führungsaufgabe. Was übrigens nicht bedeutet, dass Sie ab sofort darauf verzichten können, Leistungen von Mitarbeitern zu würdigen. Nur eben nicht stellvertretend, sondern authentisch - wenn Sie selbst wirklich mit einer gezeigten Leistung zufrieden sind.

Wenn der Begriff "Inspirations-Outsourcing" dazu beiträgt, dass sich in diesem Sinn etwas verändert, nehme ich ihn gerne in mein Vokabular auf - so albern ich ihn auch finde.

Rezension zum Thema:
Wie Kunden Mitarbeiter motivieren, Harvard Businessmanger 8/2011