Dienstag, 10. Mai 2011

Wissen in Freunden speichern

Konnektivismus, Meta-Lernen, Conversational Learning, informelles Lernen, Web 3.0 - alles wird anders, glaubt man den "Internet Gurus", die von der Zukunft des Lernens berichten. Ähnlich dem Buchdruck, bei dem plötzlich das Wissen, das einigen wenigen Gelehrten vorbehalten war, einer breiten Masse zugänglich wurde, wird dank des Internets und speziell des Web 2.0 Wissen nicht mehr nur vom Fachmann produziert, sondern von jedermann. Wikipedia ist das Beispiel, das stets dafür herhalten muss. Mit anderen Worten: Der Buchdruck sorgte dafür, dass alle Menschen Zugriff zu Wissen erhielten, das Web 2.0 macht es möglich, dass alle Menschen ihr Wissen allen zur Verfügung stellen können.

Das ist ja in der Tat neu. Wie konnte zuvor ein Hobby-Gärtner seine Erkenntnisse, die möglicherweise ein bestimmtes Spezialwissen enthalten, allen anderen anbieten? Dank des Internets besteht nun die Möglichkeit, es zu erhalten, zu verbreiten und durch die Vernetzung weiter zu entwickeln. Der Mensch ist nicht mehr Träger isolierten Wissens, sondern mehr eine Art "Knoten in einem Netzwerk". Dadurch wird das "Wissen was" ersetzt durch ein "Wissen wo". Noch ein feiner Satz: "Ich speichere mein Wissen in meinen Freunden. Wissen sammelt man, indem man Menschen sammelt." Und natürlich speichert man sein Wissen in Computern.

Das kommt mir bekannt vor: Man muss nichts selbst wissen, Hauptsache, man weiß, wo es steht. Galt doch schon immer, außer in Prüfungen, oder? Nur muss ich heute nicht mehr stundenlang in Bibliotheken herumsuchen, das Internet und seine sozialen Netzwerke sind viel schneller. Allerdings wohl auch komplexer und größer, was die Suche wieder erschwert. Aber da soll das "semantische Web" helfen - noch ein neuer Begriff.

Mal auf die Spitze getrieben: Wenn alle nur noch wissen, wo das Wissen zu finden ist - wer weiß dann noch was? Und was hilft es mir, den Ort des benötigten Wissens zu kennen, wenn mir die Voraussetzungen fehlen, es auch zu verstehen?

Videos von Vorlesungen können den Besuch von Hörsälen ersetzen, das kann in der Tat sehr vieles erleichtern. Aber es bleibt doch eine Vorlesung, deren Inhalt ich verstehen muss.

Was die Interaktionen unter den "Lernenden" betrifft, findet sich in dem Beitrag über den "Guru" Steve Wheeler ein nettes Beispiel: Menschen sitzen in einem Vortrag, auf ihrem Smartphone sehen sie, ob weitere Twitter-Nutzer unter den Zuhörern sind. Mit diesen tauscht man sich über Twitter aus, spricht Wortmeldungen ab und verabredet sich. "Smart eXtendee web" lautet die Wortschöpfung hierfür.

Ich sehe sie dort sitzen, mit den Köpfen über ihre Smartphones gebeugt, eifrig bemüht, all den Twittermeldungen zu folgen, gleichzeitig dem Vortrag zu lauschen und nebenbei noch eigene "Tweets" zu verfassen. Wie sagt Herr Wheeler? "Web 3.0 heißt, Verbindungen zwischen Menschen auf bislang unvorstellbare Weise herzustellen." Mir genügt diese Vorstellung eigentlich schon...

Rezension zum Thema:
Die Zukunft des Lernens, wirtschaft + weiterbildung 3/2011

1 Kommentar:

Tanja Handl hat gesagt…

Ich bin da eher klassisch veranlagt: Dem Vortrag folgen und auf Twitter verzichten. So unterhaltsam es sein mag - wenn der Vortrag wichtig für mich ist, stört Twitter meine Konzentration. Und wenn er unwichtig ist: Warum bin ich dann überhaupt dort?