Dienstag, 1. März 2011

Ermüdendes Muster

Nachdem die letzten Ausgaben des Harvard Businessmanager recht interessante Beiträge geboten hatten, serviert das Blatt uns unter dem Titel "Leadership" leider wieder den üblichen Quark. Das Muster ist stets das gleiche: "Nach jahrelanger Forschungsarbeit sind wir zu dem Ergebnis gekommen..." Dann folgen die vier Ursachen für fehlerhaftes Führungsverhalten und anschließend die sieben Regeln, wie man es besser macht. Hat sich jemand mal die Mühe gemacht, all diese Regeln der Ratgeberliteratur zu sammeln und zu vergleichen? Ich wette, das Ergebnis wäre erschütternd. Schließlich folgt bei jeder Regel noch ein Beispiel für eine Führungskraft, die es besonders gut gemacht hat.

Wenn ein Autor sich nicht auf Forschungsergebnisse berufen kann, dann liest sich das so: "In unserer jahrelangen Beratungstätigkeit sind wir auf vier wesentliche Fehler von Führungskräften gestoßen..." Wobei stets darauf verwiesen wird, dass man ja schon in dem Artikel vor 10 Jahren beschrieben hätte, dass...

Auch ein echtes Qualitätsmerkmal: "Dieser Artikel ist bereits sein siebter Beitrag für die Harvard Business Review." Keine Empfehlung für das Blatt.

Ein paar Beispiele für wahre Weisheiten? Robert Sutton, der Autor des Buches "Der Arschloch-Faktor", rät Führungskräften, die Feinde ihres Teams zu bekämpfen. Als Beispiel bringt er einen Polizeibeamten, der sich vor sein Team stellt und es gegen seinen Chef verteidigt, indem er diesen massiv angreift. Und dann kommt der weise Rat: "Wenn Sie sich so etwas erlauben wollen, sollten Sie einen absolut sicheren Job, mächtige Freunde oder ein neues Stellenangebot in der Tasche haben." Wow!

Noch ein Tipp des Professors aus Stanford: "Seien Sie inkompetent und boshaft." Damit meint er, eine unsinnige Anweisung mal wörtlich zu nehmen und genauestens zu befolgen, so dass die Sache schief gehen muss. Anders ausgedrückt: Lassen Sie Ihren Chef mal richtig vor die Pumpe laufen. Man kann sich vorstellen, welche unvorstellbare Pfeifen von Führungskräften Herr Sutton kennengelernt haben muss, um solche Tipps zu geben. Aber, auch das ist typisch für solche Artikel: Sechs Seiten lang lesen wir Ratschläge, wie sich Chefs schützend vor ihre Mitarbeiter stellen sollen, und in einem Kasten daneben folgen dann drei Gründe, warum man damit vorsichtig sein sollte. Gute Chefs, so die unfassbar weise Erkenntnis, "finden ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den Schutzbedürfnissen ihrer Mitarbeiter und ihren eigenen Interessen."

Vorsicht mit Vorbildern

In einem anderen Beitrag (der nicht aus den USA stammt) wird uns erklärt, dass gute Führungskräfte jeden ihrer Mitarbeiter fordern. Als Beispiel wird in dem Beitrag zweimal der VfB Stuttgart als leuchtendes Beispiel präsentiert. In höchster Abstiegsnot ließ man die Mannschaft im Trainingslager über ihr Ziel diskutieren, über ihre Werte nachdenken und ein Manifest entwerfen. Das begleitete das Team und führte es noch bis in die Champions-League-Ränge. Schon witzig, so etwas heute zu lesen. Vielleicht sollte man dem neuen Trainer und Manager diesen Artikel zu lesen geben, es wäre höchste Zeit für einen neuen Leitbildprozess.

Rezensionen zum Thema:
Der Chef als Schutzschild, Harvard Businessmanager 11/2010
Was gute Führung ausmacht, Harvard Businessmanager 11/2010



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