Donnerstag, 17. Februar 2011

Warum Manager keine Visionen haben können

Ich könnte schon wieder einen Beitrag mit "Es war einmal..." beginnen. Und auch diese Geschichte hat kein "Happy End". Also, diesmal dürfte nicht der Personalentwickler der Urheber sein, sondern vermutlich ein externer Berater. Dieser war wie viele andere auch der Meinung, dass ein Unternehmen eine Vision benötigt. Da er sehr überzeugend argumentieren konnte, fand er einen hochrangigen Kunden, sprich: einen Top-Manager, der sich also anschickte, einen Visionsprozess zu initiieren. Visionen, so haben wir gelernt, sind anschauliche Bilder einer Zukunft. Natürlich nicht irgendwelche Bilder, sondern stets solche, die Begeisterung auslösen, Identifikation fördern, Lust auf diese Zukunft machen und viel Energie freisetzen.

Der Manager und sein Berater machten sich ans Werk. Es gab Visions-Workshops, alle Top-Manager zogen um die Welt, um jedem Mitarbeiter die Vision zu verkünden. Es wurden Logos entworfen, sehr schöne Sinnsprüche, die an allen Wänden hingen. Die Mitarbeiter erhielten kleine Kärtchen, auf denen die Leitsätze verewigt waren. Visions-Botschafter infiltrierten die Organisation, junge Menschen, die voller Hoffnung und Enthusiasmus waren. Es ging aufwärts.

Doch ach, es kam alles anders. Die Wirtschaftskrise bremste die großen Pläne, der Manager wurde in den Vorruhestand geschickt, die Visions-Botschafter zurückgepfiffen, die Plakate abgehängt und die Kärtchen wieder eingesammelt (natürlich nicht, die hatte ohnehin kaum jemand aufbewahrt). Wie konnte das geschehen?

Heute wissen wir, dass es alles andere als visionär ist zu verkünden, man wolle zu den Top 3 des XY-Marktes aufsteigen. Sätze wie "Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt" haben auch keine wirklich inspirierende Wirkung mehr. "Wir steigern den Umsatz um 30%" hat schon gar nichts mit einer Vision zu tun. Und Visionen, die mit Jahreszahlen versehen sind, dürften in erster Linie Ziele sein, die man bis dahin erreichen möchte. Von diesen weiß man, dass man sie immer wieder anpassen muss, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Zum Beispiel in Form einer Wirtschaftskrise. Was ja nicht schlimm ist - Ziele können und dürfen sich ändern.

Die Unternehmensvision - Ein Märchen

Im Ernst: Ich glaube nicht an das Märchen von der Unternehmensvision. Aber ich glaube an Visionen. Was das bedeutet? Ich möchte es an einigen Beispielen verdeutlichen:

Bill Gates wird nachgesagt, seine Vision habe darin bestanden, dass eines Tages auf jedem Schreibtisch ein PC steht. Ist das eine Unternehmensvision, wie sie von Beratern und Vorstandsteams "erarbeitet" werden kann? Sicher nicht. Es ist allerdings ein sehr starkes und inspirierendes Bild. Vermutlich hatte Steve Jobs die Vision des ultimativen Handys, heraus kam das iPhone.
Ich glaube, dass es viele solcher Visionen erfolgreicher Unternehmer gibt. Das könnte der Traum vom Impfstoff gegen Krebs sein, vom perfekten 3D-Fernseher, vom Auto, das mit Salzwasser angetrieben wird - was auch immer. Manche dieser Visionen gehen in Erfüllung, manche nie. Was aber nicht das Entscheidende ist. Denn bei Visionen ist ihre Wirkung entscheidend. Auch wenn das ursprüngliche Bild nie Wirklichkeit wird, auf dem Weg dorthin kann so manche großartige Leistung vollbracht werden.

So wie im Sport. Da gibt es den Traum vom perfekten Lauf, vom Erreichen des Olympischen Finales, vom Gewinn der Meisterschaft. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie den "Visionär" in Bewegung halten, ihn antreiben, ihn auch dann, wenn es mal nicht so gut läuft (z.B. in einer Wirtschaftskrise, bei einer Verletzung, nach schlimmen Niederlagen), durchhalten lassen. Und wenn es nie zur Meisterschaft reicht - vielleicht aber zum Pokalsieg, was auch niemand für möglich gehalten hätte.


Es ist sicher auch möglich, andere mit einer Vision anzustecken, sie hierfür zu begeistern. Und es ist auch durchaus denkbar, dass sich Manager zusammensetzen und feststellen, dass sich ihre Ideen gleichen, sie diese in ein Bild bringen und eine Organisation davon begeistern. Aber ich halte das für wenig wahrscheinlich. Weil Manager hierfür gar nicht engagiert werden. Und weil sie abberufen werden, wenn ein Ziel deutlich verfehlt wird. Drastisch ausgedrückt: Unternehmer, Wissenschaftler, Sportler, Künstler haben Visionen, Manager bekommen Ziele. Was sie nicht davon abhalten wird, diese auch in Zukunft "Visionen" zu nennen.

Rezension zum Thema:
Mehr Mut zur Vision, Personalwirtschaft 1/2011

1 Kommentar:

Angela Bauer hat gesagt…

Danke für diesen Artikel. Endlich einmal eine klare Darstellung, was Visionen und was Ziele sind! Und vor allem, dass es keinen Sinn macht, Unternehmensvisionen erarbeiten zu lassen und dann den Mitarbeitern drüber zu stülpen. Auch wenn damit viele Berater viel Geld verdienen.