Montag, 14. Februar 2011

Das Jahresgespräch

Es war einmal ein Personalentwickler, der hatte den Eindruck, dass die Führungskräfte in seinem Unternehmen zu wenig mit ihren Mitarbeitern redeten. "Da muss ein Tool her", dachte er sich und schuf das Mitarbeiterjahresgespräch. Zunächst war es gar nicht so einfach, seine Chefs von der Idee zu begeistern, denn diese waren ja nicht auf den Kopf gefallen und ahnten, dass sie, falls diese Idee aufgegriffen wurde, selbst ja auch diese Gespräche würden führen müssen. Aber unser Personalentwickler war beharrlich und überzeugte irgendwann einen ranghohen Manager in der Geschäftsleitung von dem Ansatz, und so war der Siegeszug des Instrumentes nicht mehr aufzuhalten...

Vielleicht war es aber auch gar kein Personalentwickler, der auf die Idee kam. Vielleicht hatte tatsächlich ein Unternehmenslenker selbst den Eindruck gewonnen, es würde zu wenig über Leistung, über Zusammenarbeit, über Kundenorientierung, über Qualität - kurz: über alle wichtigen Dinge gesprochen, die ein Unternehmen erfolgreich oder eben auch weniger erfolgreich machen.

Inszwischen, so hat die Wirtschaftswoche herausgefunden, werden in 90% der großen Unternehmen solche Gespräche geführt - zumindest offiziell. Und 97% der PERSONALchefs halten nach einer anderen Umfrage das auch für sinnvoll. Allerdings: Eine weitere Studie fand heraus, dass der Austausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern generell eher als mangelhaft erlebt wird.

Da muss man einfach reagieren, denkt sich unser Personalentwickler. Und er entwickelt das Instrument weiter. Indem er auf die Unterstützung der IT setzt. Per Mail erhält der Mitarbeiter im Vorfeld einen Leitfaden zur Vorbereitung. Oder einen Link, so dass er sich schon mal selbst einschätzen kann, als Basis für das Gespräch. Im Anschluss werden die Ergebnisse dann im SAP-Formular festgehalten und bei Bedarf ein Jahr später wieder hervorgezogen.

Das allein genügt unserem Personalentwickler aber noch nicht. Er macht der Unternehmensleitung klar, dass die Führungskräfte, die das Gespräch einfach unter den Tisch fallen lassen oder es nicht mit dem notwendigen Ernst betreiben, selbst schlechtere Beurteilungen erhalten und das Ergebnis in ihrem Geldbeutel spüren müssen. Und für das nächste Jahr bekommen sie in ihre Zielvereinbarungen geschrieben, dass sie die Gespräche pünktlich und sorgfältig zu führen haben. Wehe, wenn nicht...

Ob der eifrige Personalentwickler damit sein Ziel erreicht? Leider nicht. Vielleicht hätte er vorher doch den weisen Rat von externen Beratern einholen sollen. Das muss gar nicht teuer sein, mitunter tut es ein Video im Internet. Die Wirtschaftswoche war so nett, zwei Journalisten loszuschicken und eine Beraterin zu interviewen. Diese gibt einige Tipps für Führungskräfte (z.B. allen Ernstes den, sich während des Jahres Notizen zu machen, eine objektive Perspektive einzunehmen, schließlich vertrete man als Führungskraft ja die Ziele des Unternehmens, es ginge ja nicht um die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter).

Am Ende wird sie von einer Frage kalt erwischt, die ich so gerne jedem Berater stellen würde: "Wie bereiten Sie sich auf das Jahresgespräch mit Ihrer Chefin vor?" Antwort: "Wir reden regelmäßig miteinander und gehen zur Not auch mal ein Wochenende in Klausur." Womit sie wohl sagen will: "Ein formalisiertes Jahresgespräch haben wir bei uns nicht und brauchen es auch nicht."

Warum, frage ich mich, schwafelt man dann lange darüber, wie man sich auf ein solches Gespräch vorbereitet? Warum sagt die Beraterin nicht: "Wissen Sie, im Grunde können Sie den Blödsinn mit den erzwungenen Gesprächen vergessen. Unterstützen Sie lieber die Führungskräfte darin, in der täglichen Zusammenarbeit wahrzunehmen, wenn etwas im Argen liegt. Schulen Sie ihre Achtsamkeit, dass sie lernen zu erkennen, wenn der Mitarbeiter ein Problem hat. Bringen Sie ihnen bei, offen anzusprechen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Und geben Sie ihnen die Möglichkeit, sich auch mal einen Tag zurückzuziehen und all die Dinge offen anzusprechen, die im Alltag unter den Tisch fallen. So machen wir es bei uns in der Beratung..."

Hier für alle, die es nicht glauben wollen, der Link zum Video.

Rezension zum Thema:
Gut, dass wir darüber geredet haben, Wirtschaftswoche 3/2011

1 Kommentar:

Christoph Schlachte hat gesagt…

Wohl wahr. Die Mitarbeitergespräche sind immer mehr Pflichtübungen für viele Führungskräfte und Mitarbeiter. Es gibt Checklisten. Diese gilt es abzuhacken.

Das geht am Ziel vorbei. Ähnlich den KPI's sind es Mittel zum Zweck.

Austausch, Dialog, Feedback, Reflexion, gemeinsame Planung - das kann sehr wohl was sein und das gibt es auch in Unternehmen.

Das hat viel mit der Haltung der Führungskultur und der Organisationskultur zu tun und prägt diese natürlich gleichzeitig auch.

Welche Kultur gestalte ich eher, wenn das Mitarbeitergespräch mit Tools und Checklisten "gemanaget" wird und als Pflichtübung verkommt?

Zu mehr Dialog bzw. Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgesprächen: http://schlachte.wordpress.com/2010/09/15/wettbewerbsvorteile-durch-zielvereinbarungen-verschenken/

Viele Grüße,
Christoph Schlachte

P.S. Der genannte Personalentwickler agierte so wie viele Manager: Mehr vom Gleichen. Das hat aus meiner Sicht weniger mit dem Personalentwickler sondern mehr mit der Kultur zu tun.