Dienstag, 27. April 2010

Familienfreundlichkeit als Standortvorteil

Da scheint ja einiges in Bewegung gekommen zu sein. Unternehmen erkennen, dass Mitarbeiter nicht nur eine Rolle ausfüllen, nämlich die des Arbeitnehmers. Man bekommt eben immer den ganzen Menschen, und dessen Leben besteht zu einem erheblichen Teil darin, sich um Partner, Kinder oder auch pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Wohl den Unternehmen, denen es gelingt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Mitarbeitern erleichtern, ihre unterschiedlichen Rollen auszufüllen. Das hilft, mit weniger Sorgen am Arbeitsplatz zu erscheinen und wird sich sowohl positiv auf die Leistung als auch auf die Loyalität zum Unternehmen auswirken.

Aber wie weit geht diese "Fürsorge" des Unternehmens? Muss es der Betriebskindergarten sein? Der Familienservice? Die Organisation von Tagesmüttern? Die Antwort kann nur lauten: Kommt drauf an - es gibt kein Patentrezept. Und wenn man es selbst nicht leisten kann, so bietet sich der Zusammenschluss mit anderen Unternehmen an, wie die vielen Netzwerke und Kooperationen zeigen. Wobei ein weiterer Vorteil erkennbar wird: Wenn es einem Unternehmen oder einem Verbund gelingt, mit derartigen Angeboten den Standort attraktiv zu machen, dann dürfte das in Zeiten des demografischen Wandels ein kaum zu schlagendes Argument für die eine oder andere Investition sein.

Was mich darauf bringt, mich zu fragen, wieso dann woanders genau an dieser Stelle Sparmaßnahmen diskutiert werden. In meinem Heimatort gibt es ein gut besuchtes Freibad, das über viele Jahrzehnte von einem Konzern betrieben wurde. Ab sechs Uhr morgens drehen dort die Pensionäre ihre Runden, später lernen die Minis das Schwimmen, am Nachmittag tummeln sich die Familien auf der Wiese. Sicher, der Betrieb kostet Geld - öffentliche Schwimmbäder sind in der Regel subventioniert. Aber offensichtlich zählt hier das Argument der Familienfreundlichkeit in Verbindung mit dem Standortvorteil (noch) nicht. Der Kommune fehlt das Geld, und somit droht der Einrichtung das Aus.

Aber vielleicht besinnen sich ja die anderen ortsansässigen Firmen eines Besseren und werden aktiv. Mit ein wenig Fantasie (z.B. ermäßigte Eintrittspreise für alle Mitarbeiter der "Sponsoren") sollte doch was zu machen sein. Bevor man in wenigen Jahren kopfschüttelnd feststellt, wie kurzfristig unser Denken mitunter ist.

Rezension zum Thema:
Synergieeffekte nutzen, Personalmagazin 3/2010

Montag, 26. April 2010

Fußballer und Teamgeist

Müssen Fußballer teamorientiert sein? Halt: Nicht Fußballer allgemein, sondern Profifußballer! Ein Motivationsexperte hat 400 von ihnen mit dem Reiss-Profile getestet und völlig überrascht festgestellt, dass sie beim Motiv "Ehre" (eines von 16 Lebensmotiven nach Steven Reiss) nur geringe Werte aufweisen. Gemeint ist so etwas wie Loyalität, Prinzipientreue. Und beim Motiv "Unabhängigkeit" hätte der Experte erwartet, dass Fußballer eher niedrige Werte aufweisen, weil doch Teamspieler weniger danach streben, selbstbestimmt und autark zu sein. Die untersuchen Profifußballer jedoch wiesen hier mittlere Werte auf.

Ich verzichte mal auf die Diskussion der Frage, wie fundiert diese Erkenntnisse sind. Ich habe mich vor allem über die Aussage amüsiert, dass Profifußballer eigentlich Teamplayer sein müssten und die Erkenntnisse nun völlig überraschend sind. Eine Erklärung, dass dies nicht so ist, liefert der Experte selbst: Junge Talente werden in der Regel früh aus dem Elternhaus geholt, da muss man schon eine gewisse Unabhängigkeit mitbringen, um diesen Weg mitzugehen. Mit anderen Worten: "Teamgeist" und "Loyalität" sind Eigenschaften, die einer frühen Auslese schon im Wege stehen.

Aber wie kommt man nur darauf, dass Profifußballer teamorientierte Menschen sein müssen? Ein Profi hat nur wenige Jahre, um Karriere zu machen - wenn andere Menschen damit anfangen, ist der Fußballer schon am Ende. Sein einziges Ziel muss es sein, einen Stammplatz zu erlangen, und schafft er es nicht, wird er verkauft, ausgeliehen oder ausgemustert. Was sollte ihn das Team interessieren?

Es wird noch besser: Der Experte empfiehlt Fußball-Trainern, teamorientierte Maßnahmen zur Akzeptanz anderer Mannschaftsmitglieder durchzuführen. Outdoortraining zum Beispiel oder gemeinsame Freizeitveranstaltungen. Da verbringt der arme Profi Tage und Wochen gemeinsam mit seinen "Kameraden" beim Training, und dann soll er auch noch seine Freizeit mit ihnen verbringen, sie im Klettergarten sichern oder beim Orientierungslauf durch's unübersichtliche Gelände führen? Da dürfte es schon ein Zeichen von besonderer Teamorientierung sein, wenn er den Absturz des direkten Konkurrenten um einen Stammplatz im nächsten Heimspiel nicht aktiv herbeiführt.
Auf Ideen kommen diese Motivationsexperten...

Rezension zum Thema:
Von wegen 11 Freunde! - Wirtschaft + Weiterbildung 2/2010

Mittwoch, 21. April 2010

Lernen per Datenbrille

Alles hat seine zwei Seiten - kein neuer Spruch. Wissen Sie, was man unter "Pervasive Learning" versteht? Allgegenwärtiges Lernen lautet die Übersetzung, und dabei soll uns modernste Technik helfen.

Ein Beispiel: Sie sind neu in einem Unternehmen, erhalten ein durchsichtiges Display, auf dem alle Anweisungen stehen, denen Sie zu folgen haben - eine Art Navigationsgerät, das Sie durch das Unternehmen führt, alle Lokalitäten erklärt und Ihnen die neuen Kollegen vorstellt.

Oder Sie sind in einer fremden Stadt, richten Ihr Handy auf ein historisches Gebäude und sofort erscheinen ausführliche Erläuterungen, worum es sich handelt. "Augmented Reality" nennt man das, "angereicherte Realität".

Ein letztes Beispiel: Sie machen eine Ausbildung zum Monteur, stehen vor einem technischen Gerät, das Sie reparieren müssen und setzen Ihre Datenbrille auf. Dort erscheint in einer Art Film die komplette Apparatur und virtuelle Hände vollziehen Schritt für Schritt jeden Handgriff, den Sie leisten müssen - bis das defekte Teil ersetzt ist.

Genial? Auf alle Fälle. Ich hätte gerne eine solche Anleitung, um meinen Receiver für den Fernseher zu installieren, die schriftliche Anleitung überfordert meine geistigen Fähigkeiten. Und ich habe auch schon häufiger interessante Orte gesehen und hätte nur zu gerne gewusst, worum es sich dabei handelt.

Andererseits: Wie gut kennen wir uns wirklich noch aus in unserer Umgebung? Ich muss nicht mehr wissen, wo Königswinter liegt, wenn mich mein Navigationsgerät sicher dorthin führt. Ich muss keine Ausbildung mehr machen, wenn ich per "Augmented Reality" jeden Handgriff vorgespielt bekomme. Und ich muss mich nicht mehr vor einer Reise mit meinem Zielort auseinandersetzen, wenn ich jede interessante Information bei Bedarf (on demand) in dem Moment abrufen kann, wenn ich mich vor Ort befinde.

Aber ist das noch "Lernen"?

Der Nachteil der modernen Technik scheint mir darin zu liegen, dass sie es uns erspart, Wissen anzueignen und zu speichern. Mag sein, dass wir dadurch Hirnkapazitäten freischaufeln, die wir sinnvoll für anderes nutzen können. Das Problem dabei ist nur, dass wir extrem abhängig von der Technik werden. Wie wir nicht erst seit Ausbruch des Eyjafjallajökull-Vulkans auf Island drastisch zu spüren bekommen. Wohl dem, der sein Ziel mit "eigenen Mitteln" erreichen konnte...

Rezension zum Thema:
Wenn Technik mitdenkt, managerSeminare 4/2010

Dienstag, 20. April 2010

40 Tage auf Lügen verzichten

Eine witzige Idee, dachte ich, als ich das Interview mit Jürgen Schmieder
las. Der Mann hat ein Buch geschrieben über seine Erfahrungen, wie es ist, wenn man 40 Tage auf Lügen verzichtet. Kann doch nicht so schwer sein, war mein erster Gedanke, aber den legte ich schnell zu den Akten. Seine Definition von "Nicht-Lügen" lautet: "Das sagen, was einem durch den Kopf geht." Mit einer kleinen Einschränkung: Wenn man gefragt wird.

Man muss also nicht unbedingt dem unbekannten Sitz-Nachbarn in der U-Bahn auf die Nase binden, dass er unangenehm riecht. Aber wenn der Kollege sich brüstet und einen um seine Meinung über seine neusten Taten fragt, dann wehe, es schießt Ihnen durch den Kopf: "Was für ein Penner!" Das muss dann raus. Oder wenn die Frau des Freundes nichts von dessen Frauengeschichten weiß.

Auch witzig: Wenn die anderen erst einmal rausgefunden haben, dass man ein Gelübde abgelegt hat, dann nutzen sie dies gnadenlos: "Wie viel verdienst du denn nun genau?" - "Welche Kollegen magst du denn?" - "Welche würdest du rausschmeißen?" Beim Pokern hat man ihm seine "Wahrheiten" nicht abgenommen - da wusste wohl noch keiner was von seinem Vorhaben.

Aber Spaß beiseite. Eine Erfahrung lautete: Es kann entlastend sein, die Wahrheit sagen zu müssen. Das nun ist in der Tat nachvollziehbar. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen in einer Besprechung und möchten am liebsten rausplatzen, wie sehr Ihnen das Gerede auf die Nerven geht. Oder der Kollegen bittet sie mal wieder um einen kleinen Gefallen, zu dem Sie keine Lust haben. Nun müssen Sie nicht lange nachdenken, ob Sie sagen, wie es ist oder herumdrucksen. Sie halten sich an ihr "Gelübde". Wäre mal einen Test wert, oder?

Rezension zum Thema:
Heute sage ich: Sie Idiot! Financial Times Deutschland, 12.3.2010

Mittwoch, 14. April 2010

Managervergütung und die Rolle der Medien

Nun mag sie keiner mehr, die Aktienoptionen. Sie trügen eine Mitschuld an den Auswüchsen der Bonussysteme, die wiederum ihren Anteil an der Finanzkrise hatten, heißt es. Aber so richtig will es auch keiner gewesen sein. Die New Economy war der Auslöser, die jungen Unternehmen haben gute Leute mit diesen Optionen gelockt, da konnte die "Old Economy" nicht anders. Und überhaupt: Später ist man immer schlauer. Auch eine feine Erklärung von Beratern: Damals stand eben der kurzfristige Erfolg im Vordergrund, die Gehaltssysteme folgen den Unternehmensstrategien. Wenn heute Nachhaltigkeit gefragt sei, dann müsse man eben wieder gegensteuern bzw. die Systeme weiter entwickeln.

Da lobe ich mir doch den Fachjournalisten, der eingesteht, das Thema in der Personalpresse mit Titelgeschichten und Sonderheften befördern zu haben (Rainer Straub: Die Last der Verantwortung, Personalmagazin 2/2010). Ist doch schon mal was.

Aber welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Nur mal ein Bespiel: Bei der Betrachtung der Beiträge zu dem Thema fällt auf, dass die Fantasie der Gehaltsstrategen doch arg beschränkt ist. Man will nun Boni ausloben, die zur Hälfte jetzt und zur Hälfte später ausgezahlt werden, wenn der langfristige Erfolg belegbar ist. Das setzt aber voraus, dass die langfristige Unternehmensentwicklung tatsächlich etwas mit den heutigen Entscheidungen zu tun hat. Und vor allem: Dass die Managementleistung überhaupt in dem Maße einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat, wie die gewaltigen Bonuszahlungen dies nahelegen.

Wird das jetzt kritisch beleuchtet? Werden die Systeme mal grundsätzlich in Frage gestellt? Natürlich nicht. So, wie vor nicht langer Zeit die Lobgesänge auf die Aktienoptionsprogramme publiziert wurden, so preist man nun das Konzept der Nachhaltigkeit. Und veröffentlicht alles, was die gleichen Berater von damals heute verbreiten.

Rezension zum Thema:
Die Last der Verantwortung, Personalmagazin 2/2010

Samstag, 3. April 2010

Worauf Manager schwören sollten

Die Idee hat was: Zukünftige Manager schwören einen Eid, dass sie fortan dem Allgemeinwohl dienen, integer handeln und sich weltweit für einen nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wohlstand einsetzen. So zumindest soll der Eid der Harvard Absolventen lauten. Der Eid ist umstritten, da lohnt sich doch ein etwas genauerer Blick. In dem Beitrag der Financial Times Deutschland ist der Wortlaut des "Manager Eides der EBS" abgedruckt. Was lesen wir dort?

"Als Führungskraft erkenne ich an, dass Unternehmen dem Allgemeinwohl verpflichtet sind."

Das ist mal leicht formuliert. Aber was ist das Allgemeinwohl, fragt ein Philosophie-Professor der Frankfurt School of Finance & Management. Ein anderer meint, dass damit die ganze Welt zum Stakeholder wird und fürchtet, dass die Rechte der Aktionäre zu kurz kommen. In der Tat: Was macht denn der arme Manager, wenn er vor einer Entscheidung steht, die den Aktionären mächtigen Profit bringt, dem "Allgemeinwohl" (wie auch immer definiert) aber eher schadet? Er könnte hingehen und die Aktionäre unter das "Allgemeinwohl" packen und entsprechend entscheiden. Werden ihm die Aktionäre dankbar sein? Ich habe meine Zweifel.

Aber schauen wir weiter.

"... erkenne ich an, dass es nicht immer leicht sein wird, stets das Rechte zu tun." Wow, da staunt der Leser über so viel Einsicht.

Und nun geloben die Nachwuchsmanager u.a., "dass ich die Menschenrechte und die Würde jedes Menschen achten und schützen... werde." Bitter, dass Manager das ausdrücklich geloben müssen, oder?

"... dass ich mich weder an Bestechung noch sonstiger Formen von Korruption
beteiligen oder sie dulden werde." Hallo? Warum lässt man sie nicht gleich geloben, dass sie sich an die gültigen Gesetze halten werden? Doch siehe da, genau das tut man:

"... dass ich die Gesetze und Vereinbarungen, die mein und meines Unternehmens Verhalten betreffen, in Buchstaben wie im Geist respektieren werde." Na, da sind wir aber erleichtert, dass wenigstens zukünftige Manager sich an Gesetze halten wollen.

"... dass ich mich aktiv bei wichtgigen sozialen und umweltorientierten Themen, die mein Unternehmen betreffen oder von ihm betroffen sind, engagieren werde." Was soll das nun bedeuten? In welchem Sinn denn engagieren?

Als ich zum ersten Mal von einem Manager-Eid hörte, dachte ich in der Tat, das wäre doch mal ein Anfang. Eine symbolische Handlung, die angehende Führungskräfte daran erinnert, welchen Einfluss sie haben und wozu sie diesen nutzen können - und sollten. Aber diese Formulierungen bewegen sich auf dem gleichen Niveau wie viele Unternehmensleitlinien. Schlimmer noch: Wenn Absolventen von Business-Schulen
daran erinnern werden müssen, dass sie die Menschenrechte zu achten haben, dann läuft
irgendwas völlig schief.

Worauf sollten man Manager denn schwören lassen?

Wie bitte? Meckern kann jeder? Ich soll froh sein, dass sich überhaupt etwas tut? Wo denn die Alternative sei? Ich hätte schon eine, aber bin mir darüber im Klaren, dass diese völlig utopisch ist.

Aber gut - wie wäre es damit? Dass Manager sich verpflichten, mit jeder ihrer Entscheidung...
...die Welt ein Stück lebenswerter zu machen...
...den eigenen Mitarbeitern zu dienen...
...den Kunden zu dienen...
...den Eigentümern zu dienen...
Und zwar in der Reihenfolge. Ich sagte ja - utopisch...

Rezension zum Thema:
Umstrittenes Gelöbnis. Financial Times Deutschland, 24.2.2010