Dienstag, 23. März 2010

Wie wäre es eigentlich, wenn...

... Führungskräfte so führten, wie sie selbst geführt werden möchten? (denke ich, wenn sich Führungskräfte darüber beschweren, wie ihr Chef mit ihnen umgeht)

... Ärzte ihren eigenen Gesundheitstipps folgten? (denke ich jedesmal, wenn ich einem Arzt begegne, der raucht)

... Berater die Systeme, die sie ihren Klienten empfehlen, im eigenen Beratungsunternehmen einsetzten? (Habe ich tatsächlich mal einen Berater gefragt, der darob sehr verdutzt war)

... Gesundheitsexperten den eigenen Mitarbeitern rieten, in den Pausen Sport zu treiben oder häufiger kurze Pausen einzulegen? (Eine Frage, die ich gar nicht stellen musste, als mir ein Mitarbeiter erzählte, dass man im eigenen Haus solches Tun sehr merkwürdig findet)

... Lehrer ihre Schüler so unterrichteten, wie ihre eigenen Kinder unterrichtet werden möchten? (Ich unterstelle mal, dass auch die Kinder von Lehrern Schulunterricht in der Regel als quälend erleben)

... Banker ihren Kunden nur zu den Investments rieten, die sie auch selbst tätigen? (Okay, das ist wohl wirklich ein frommer Wunsch)

Nie werde ich die Ärztin vergessen, die wir vor der Behandlung unserer damals noch sehr jungen Tochter mit der Frage konfrontierten: "Würden Sie die Untersuchung, die Sie uns gerade empfehlen, auch bei ihrer einjährigen Tochter ansetzen?" Sie zögerte nur kurz und schüttelte dann den Kopf.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, oder? Weitere Beispiele sind willkommen...

Montag, 22. März 2010

Wie man Erfolgsfaktoren erfragt

Umfragen gibt es zu allen möglichen Themen, die Fachzeitschriften sind voll davon. Die entsprechenden Artikel lesen sich in der Regel extrem langweilig, aber das nur am Rande. Eine andere Frage beschäftigt mich dabei schon lange, vielleicht kann mir jemand bei der Beantwortung helfen.

Man nehme ein Thema, z.B. Talentmanagement. Man erstelle eine Liste aus einer Vielzahl von Instrumenten (z.B. Nachfolgeplanung, Zielvereinbarungen, Assessment Center, 360-Grad-Beurteilung etc.) und frage die Studienteilnehmer, ob diese Verfahren bei ihnen zum Einsatz kommen.

Außerdem frage man sodann, ob die Antwortenden ihr Talentmanagement als erfolgreich bezeichnen würden. Und jetzt kommt der Teil, über den ich immer wieder stolpere.

Wenn man nun feststellt, dass diejenigen, die ihr Talentmanagement als erfolgreich bezeichnen, häufiger z.B. Potenzialbeurteilungen einsetzen, alternative Karrierepfade, variable Gehaltskomponenten für Teamleistungen usw. anbieten - hat man damit den Nachweis angetreten, dass diese Instrumente besonders wirkungsvoll sind? Darf man dann eine solche Aussage tätigen: "Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Talent Management ist die Nutzung von Instrumenten, um das Potenzial der Mitarbeiter systematisch zu messen..."

Ich versuche mich einmal an einer Analogie. Fragt man eine Reihe von Sportvereinen, welche Instrumente der Nachwuchsförderung sie einsetzen, und anschließend, ob sie ihre Nachwuchsförderung als erfolgreich einstufen - was kann dabei herauskommen? Dass diejenigen, die intensive Nachwuchssichtung betreiben, viel Training anbieten und die Jugendlichen auf viele Wettkämpfe schicken, ihre Nachwuchsarbeit als erfolgreich ansehen.

Könnte es nicht sein, dass diejenigen, die für all diese Maßnahmen verantwortlich sind, gar nicht anders können, als das Ergebnis positiv darzustellen?

Man male sich das mal aus: Da investiert das Unternehmen mächtig in all diese Instrumente, und der Verantwortliche bezeichnet das Ergebnis als Misserfolg. Will sagen: Ist es nicht ein methodisch grober Fehler, die gleichen Leute, die man nach dem Einsatz der Instrumente befragt, auch den Erfolg einschätzen zu lassen?

Und selbst wenn man andere fragen würde: Würden nicht die meisten Talent Management mit dem Einsatz dieser Instrumente gleichsetzen? Würden also nicht auch andere zu dem Ergebnis kommen: Wenn Talent Management im Einsatz all dieser Tools besteht, dann ist das Talent Management umso erfolgreicher, je mehr und je häufiger wir solche Instrumente einsetzen?

Diesen Eindruck habe ich bei ganz vielen solcher Studien: Ein Begriff wird definiert durch den Einsatz von Verfahren, und je mehr von ihnen eingesetzt werden, umso besser ist es. Was ich stark bezweifle...

Dienstag, 16. März 2010

Sich vor der Verantwortung drücken?

Wieder so ein Satz, über den ich stolpere, über den ich nicht hinweglesen kann: "Das Interesse an Führung ist gering. Denn Führung heißt auch Verantwortung für andere." In dem Beitrag von Kienbaum ging es um Mitarbeiter, die ihr Potenzial nicht nutzen bzw. deren Potenzial nicht genutzt wird. Und da soll es doch "Potenzialträger" geben, die "aus Gründen persönlicher Planung eine Fachlaufbahn gegenüber der Führungslaufbahnen" bevorzugen. Na ist das zu glauben?

Mir fällt ein Beispiel aus alten Tagen ein. Schauplatz: Ein Assessment Center. Ein Teilnehmer, der zwar etwas zurückhaltend, aber wohltuend sachlich war, im richtigen Moment die entscheidenden Beiträge brachte und auch in den Einzelpräsentationen die Beobachter überzeugen konnte, erhielt am Ende eine positive Rückmeldung. Man könne sich vorstellen, ihm eine Führungsaufgabe anzuvertrauen, er habe das Zeug dazu, wenn er nur noch ein wenig mehr Führungsanspruch zeigen würde.

Seine Reaktion: Er freute sich sichtlich, aber schüttelte dann den Kopf und meinte, er würde sich sehr wohl fühlen in seiner derzeitigen Aufgabe. Er sei gerne Entwickler, ihm mache die Arbeit mit den Forschern Spaß und er könne sich nur schlecht vorstellen, seine Zeit in Meetings und mit Koordinationsaufgaben zu verbringen. Er bedankte sich für die positive Beurteilung, aber bat anschließend geradezu darum, ihn in seiner Funktion zu belassen.

Ich frage mich, wer mehr Verantwortungsgefühl zeigt: Derjenige mit "Führungsanspruch", der nach dieser Rolle strebt, oder derjenige, der seinen Platz kennt und sich und zukünftigen Mitarbeitern diese Rolle nicht zumuten will...

Rezension zum Thema:
Mittelstand gibt sich optimistisch, Personalwirtschaft 1/2010

Montag, 15. März 2010

Die Azubi-Filiale

Der Beitrag stand nicht im Bildungsteil der FTD, sondern unter "Banken - Finanzmärkte". Vorgestellt wird das Konzept der National-Bank Essen, die eine Filiale komplett von Auszubildenden betreiben lässt. Im Vorfeld hat man die Kunden informiert, die offensichtlich kein Problem damit haben. Der Laden läuft, zur Sicherheit halten sich zwei erfahrene Banker im Hintergrund.

Nun hat man nicht zum ersten Mal davon gelesen, Auszubildenden einen "echten" Geschäftsbetrieb in Eigenverantwortung zu überlassen. Für das Bankgewerbe allerdings ist das sicher neu.

Was ich aber besonders interessant finde: "Alle Aufgaben und Verantwortungsbereiche teilen die Lehrlinge untereinander auf: Wer ist für die Kasse zuständig, wer ruft die Kunden an, wer macht den Schalter?" All das wird so abgestimmt, dass es für jeden passt.

Nanu, denkt da der Leser, das ist doch nicht das wahre Berufsleben, oder? Was wird wohl passieren, wenn sie dann in eine richtige Filiale kommen, wo es einen Chef und eine Hierarchie gibt? Wo von oben festgelegt wird, wer was macht? Die Umstellung stelle ich mir schwierig vor. Es sei denn, bei der National-Bank entscheiden immer die Mitarbeiter, wie die Arbeit untereinander verteilt wird...

Rezension zum Thema:
Ich muss den Laden schaukeln, Financial Times Deutschland 3.2.2010

Dienstag, 9. März 2010

Die Zahlen kommen zum Schluss

Über den Satz bin ich heute morgen beim Frühstücksfernsehen gestolpert (geäußert von einem Interviewpartner zum Thema "Bankenabgabe"): "Es ist nicht die Aufgabe von Banken, moralisch zu handeln, sondern für ihre Anleger Geld zu verdienen. Und das ist richtig!" Muss ein Absolvent einer Business Schule gewesen sein.

Kurz zuvor hatte ich ein Interview mit Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom, gelesen. Darin verprügelt er mal wieder die Business Schulen, die die falschen Dinge lehren. Zitat: "Ich muss verstehen, dass Unternehmen nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern soziale Organismen sind. Die Zahlen kommen zum Schluss, sind das Ergebnis sozialen Handelns..."

Und er fordert mehr Reflexion, die Auseinandersetzung mit mehreren Perspektiven: Der des Kunden über die des Servicetechnikers bis zu der des Theologen. Er will dem Führungsnachwuchs die Gelegenheit zum Disput und zur Reflexion geben. Ein hehres Ansinnen. Aber ich glaube nicht, dass es Aufgabe des Managements oder gar des Personalers ist, Mitarbeiter zu erziehen. Es ist vielmehr die Aufgabe, allen deutlich zu machen, wofür genau man steht, welche Werte man vertritt, was man akzeptiert und was auf keinen Fall akzeptiert wird. Darüber dann mit den Mitarbeitern den Diskurs zu führen, ist sicher nicht verkehrt. Und das Management sollte sich darüber im Klaren sein, dass es an diesen Werten gemessen wird. Jeder "Verstoß" gegen diese Werte lässt den Diskurs zur Farce werden.

Den Führungsnachwuchs zur Selbstreflexion anzuhalten, ist verschwendete Zeit, wenn von oben die nächsten Quartalsziele vorgegeben werden.

Ich kann mich an einen Besuch bei einem höchst fortschrittlichen Unternehmen erinnern, in dem das Management regelmäßig Diskurse über Philosophie, Kunst und Literatur führte. Der Vorstand war offen für die "Auseinandersetzung mit mehreren Perspektiven", und ich war beeindruckt.
Kurz darauf wechselte der Vorstand, der neue schaffte den ganzen Schnickschnack ab, der Personalchef suchte sich einen neuen Job. Die einzig logische Konsequenz...

Rezension zum Thema:
À la John Wayne, Wirtschaftswoche 07/2010

Montag, 8. März 2010

Innovationen auswürfeln?

Konzerne lieben die Marktwirtschaft - aber nur, solange sie außerhalb stattfindet. Im eigenen Haus wird geplant und gemanagt - die reine Planwirtschaft. Das mag beim Verwalten des Bekannten und Vertrauten noch funktionieren, vielleicht auch noch beim Optimieren bestehender Dienstleistungen und Produkte, aber kaum beim Entwickeln neuer Ideen. Insofern ist der Begriff "Innovationsmanagement" ein Widerspruch in sich - sagt jemand, der es wissen sollte: Ulf Pillkahn ist bei Siemens für Zukunftstechniken zuständig. Und sein Vorschlag in der Brand eins 2/2010 klingt rabiat: Statt eines elaborierten Innovationsmanagements sollte man lieber aus der Vielzahl neuer Ideen einfach diejenigen auslosen, die weiter verfolgt werden sollen.

Wie bitte? Innovationen dem Zufall überlassen? Das klingt schräg, oder? Aber es ist völlig logisch und nachvollziehbar. Da man nicht jede Idee weiterverfolgen kann, muss man eine Auswahl treffen. Also werden umfangreiche Verfahren und tolle Planungsinstrumente eingesetzt, mit deren Hilfe dann die beste aller Ideen entdeckt und weiterentwickelt wird. Zu blöd, dass man das Innovative aber nicht planen kann - also wird letztlich der Zufall darüber entscheiden, ob man die richtige Idee verfolgt hat. Warum ihm dann nicht gleich die Wahl überlassen?

Was mich dabei vor allem schmunzeln lässt: Pillkahn erklärt, dass die Auswahl per Los viel schneller und ohne Diskussionen verläuft - und als fair akzeptiert wird, während sonst diese Entscheidungen von vielen persönlichen Animositäten begleitet werden. Zum anderen kommen auf diese Weise Ideen zum Zuge, die sonst nie eine Chance gehabt hätten, was das entsprechende Team massiv motiviert.

Eine Einschränkung gibt es: Ideen, die von vornherein als aussichtsreich angesehen bzw. als völlig abwegig erkannt werden, kommen nicht in den Lostopf. Wer weiß, vielleicht sollte man hier noch konsequenter sein...

Rezension zum Thema:
Die Weisheit der Roulettekugel, Brand eins 2/2010