Montag, 26. April 2010

Fußballer und Teamgeist

Müssen Fußballer teamorientiert sein? Halt: Nicht Fußballer allgemein, sondern Profifußballer! Ein Motivationsexperte hat 400 von ihnen mit dem Reiss-Profile getestet und völlig überrascht festgestellt, dass sie beim Motiv "Ehre" (eines von 16 Lebensmotiven nach Steven Reiss) nur geringe Werte aufweisen. Gemeint ist so etwas wie Loyalität, Prinzipientreue. Und beim Motiv "Unabhängigkeit" hätte der Experte erwartet, dass Fußballer eher niedrige Werte aufweisen, weil doch Teamspieler weniger danach streben, selbstbestimmt und autark zu sein. Die untersuchen Profifußballer jedoch wiesen hier mittlere Werte auf.

Ich verzichte mal auf die Diskussion der Frage, wie fundiert diese Erkenntnisse sind. Ich habe mich vor allem über die Aussage amüsiert, dass Profifußballer eigentlich Teamplayer sein müssten und die Erkenntnisse nun völlig überraschend sind. Eine Erklärung, dass dies nicht so ist, liefert der Experte selbst: Junge Talente werden in der Regel früh aus dem Elternhaus geholt, da muss man schon eine gewisse Unabhängigkeit mitbringen, um diesen Weg mitzugehen. Mit anderen Worten: "Teamgeist" und "Loyalität" sind Eigenschaften, die einer frühen Auslese schon im Wege stehen.

Aber wie kommt man nur darauf, dass Profifußballer teamorientierte Menschen sein müssen? Ein Profi hat nur wenige Jahre, um Karriere zu machen - wenn andere Menschen damit anfangen, ist der Fußballer schon am Ende. Sein einziges Ziel muss es sein, einen Stammplatz zu erlangen, und schafft er es nicht, wird er verkauft, ausgeliehen oder ausgemustert. Was sollte ihn das Team interessieren?

Es wird noch besser: Der Experte empfiehlt Fußball-Trainern, teamorientierte Maßnahmen zur Akzeptanz anderer Mannschaftsmitglieder durchzuführen. Outdoortraining zum Beispiel oder gemeinsame Freizeitveranstaltungen. Da verbringt der arme Profi Tage und Wochen gemeinsam mit seinen "Kameraden" beim Training, und dann soll er auch noch seine Freizeit mit ihnen verbringen, sie im Klettergarten sichern oder beim Orientierungslauf durch's unübersichtliche Gelände führen? Da dürfte es schon ein Zeichen von besonderer Teamorientierung sein, wenn er den Absturz des direkten Konkurrenten um einen Stammplatz im nächsten Heimspiel nicht aktiv herbeiführt.
Auf Ideen kommen diese Motivationsexperten...

Rezension zum Thema:
Von wegen 11 Freunde! - Wirtschaft + Weiterbildung 2/2010

1 Kommentar:

Thomas Webers hat gesagt…

Es gibt ja noch einen wichtigen Aspekt bei der Sache: Was wollen wir denn bitteschön unter "Teamorientierung" verstehen? Ich meine, "Teamorientierung" ist seit Jahren bloß eine Floskel, in die jeder hinein interpretiert, was er sich denn so wünscht.
Wenn jemand den Ball nicht abgibt, aber ein Tor schießt, heißt es nachher, er sei zielorientiert, schießt er daneben, er sei nicht teamorientiert genug (dann hätte der Kollege ja die Chance verwandeln/oder versemmeln können). Gibt er aber ab vor dem Tor, ist er nicht durchsetzungs- und nervenstark genug.
Wir lügen uns da ganz schön in die Tasche! Soll denn die Mannschaft aus 11 geklonten "Sozialarbeitern" bestehen? Eben nicht, das ist doch dummes Zeug. Genauso wenig wie eine zusammen gekaufte Mannschaft von Individualisten ein Team ergibt.
Wir wissen heute aber sehr genau, wie Teams funktionieren, wir wissen um deren Motivationsgewinne und -verluste und darum, was man dafür tun kann, dass selbst heterogen (bspw. multikulturell) zusammen gesetzte Teams gut funktionieren (nachzulesen bspw. bei Guido Hertel). - Aber vielleicht verkauft sich das weniger gut als der Einsatz eines "hippen" und mit viel Marketingdruck verkauften Tools, mutmaßt
Thomas Webers (Red. Coaching-Magazin)