Samstag, 20. Februar 2010

Ungewöhnliche Transparenz

Ich glaube, dass die Wirkung von Transparenz in den meisten Unternehmen völlig unterschätzt wird - bzw. die Gefahren von Transparenz gnadenlos überschätzt werden. Fehlende Transparenz bei Entscheidungen, sei es bei der Besetzung freier Stellen, bei einem Strategiewechsel, bei einer Investition, einem Standortwechsel oder was auch immer, sind die Ursache für nachlassende Motivation, Ängste und aufkommende Gerüchte.

Warum lassen sich so viele Führungskräfte nicht in die Karten schauen? Warum hüllen sie sich in Schweigen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Ich glaube gar nicht mal, dass es dabei immer um das alte Prinzip "Wissen ist Macht" geht. Meist gibt es eine merkwürdige Befürchtung: "Wenn wir zu früh informieren, dann sorgen wir nur für Unruhe!"

Die wirkliche Befürchtung lautet wohl: "Wenn wir so früh informieren, dann müssen wir uns vielen kritischen Fragen stellen!" Das ist anstrengend, was aber noch schwerer wiegt: Viele Entscheidungen lassen sich vermutlich auch gar nicht sachlich begründen. Das wird dann schnell peinlich. Also wird so spät wie möglich informiert, der Zeitpunkt wird einfach so weit wie möglich nach hinten geschoben. Pure Verdrängung.

Wie ich jetzt auf das Thema komme? Weil ich einen Bericht über einen amerikanischen Unternehmer gelesen habe, der sich bei seiner täglichen Arbeit filmen lässt - praktisch rund um die Uhr. Da kann die ganze Welt zuschauen, wie er strategische Diskussionen (via Videokonferenz) führt oder mit seinem Hund spazieren geht.


Na gut, Letzteres ist alles andere als spannend. Aber für seine Geschäftspartner ist es sicher erst einmal gewöhnungsbedürftig. Man stelle sich das mal vor: Ein Dax-Vorstand lässt sich bei einem Meeting filmen und das Video im Internet veröffentlichen.
Ich fürchte, wir würden um so manche Illusion ärmer werden...

Rezension zum Thema: Nichts zu verbergen, Financial Times Deutschland 12.1.2010

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