Ein Unternehmen befindet sich in einer kritischen Situation und muss sparen, wenn es überleben will. Aber wie? Eine sehr beliebte Methode: Alle Bereiche werden aufgerufen, X Prozent der Kosten zu reduzieren. Nach dem Motto: Wenn einer, dann alle. Das hat zumindest den Effekt, dass zunächst erst einmal auf allen Ebenen ein Bewusstsein für den Ernst der Lage entsteht. Und dass einige überflüssige Ausgaben tatsächlich reduziert werden. Man kann von der Business-Klasse umsteigen, Bleistifte einmal mehr anspitzen, Papier von beiden Seiten benutzen und die Heizung um ein Grad drosseln.
Aber darüberhinaus? Ist die Rasenmäher-Methode die richtige? Zweifel sind angebracht. Könnte es nicht sein, dass der Vertrieb mit Kostensenkungsmaßnahmen automatisch weniger Umsatz macht, hingegen mit verstärktem Engagement und höheren Investionen die Verluste ausgleicht? Oder dass die Forschung oder Entwicklung mit verstärktem Einsatz ein Produkt früher auf den Markt bringt, während Kostenreduktion den Zeitpunkt nach hinten verschiebt und damit das "Sterben auf Raten" nur noch beschleunigt? Ohne Frage ist auch das Schließen ganzer Produktionsstätten eine Lösung, sozusagen 100%ige Kostenreduktion. Das führt allerdings zu Ärger, zu Demotivation und Frustration bei den Betroffenen. Und zu Angst.
Also doch lieber die Rasenmäher-Methode - da wird wenigstens jeder gleich behandelt und niemand kann sich beschweren, dass es "ungerecht" zugeht. Das mag zwar betriebswirtschaftlich unsinnig sein - aber führt zu weniger Widerstand. Der könnte letztlich noch größeren Schaden anrichten. Eine echte Zwickmühle. Man kann ja auch schlecht zuerst die Anweisung geben: "Alle müssen X % sparen!" und dann, wenn sich herausstellt, dass es extrem gefährlich ist, in der Produktion zu kürzen, diese als Ausnahme zu behandeln. Mit der ersten Ausnahme wäre die Regel außer Kraft gesetzt.
Was bleibt an Möglichkeiten? Das Management muss eine unternehmerische Entscheidung treffen, statt faule Kompromisse nach dem Motto: Wenn alle sparen müssen, kann sich keiner beschweren. Für jeden Bereich muss geklärt werden, welche Ziele zu verfolgen sind: Der eine muss um 50% runter, der nächste schließen, der nächste vielleicht verstärkt investieren. Und die Maßnahmen müssen gut begründet bzw. intensiv diskutiert werden. Das fällt natürlich umso schwerer, je separierter die einzelnen Bereiche voneinander sind und je stärker man vorher auf internen Wettbewerb gesetzt hat. Womit wir wieder bei der Frage der Unternehmenskultur sind. Aber das wäre ein zu umfangreiches Thema für einen Blogbeitrag.
Rezension zum Thema:
Wie die tägliche Rasur, Wirtschaftswoche 50/2009
Dienstag, 12. Januar 2010
Sparen mit dem Rasenmäher?
Eingestellt von Johannes um 10:24:00
Labels: Unternehmenskultur, Veränderung
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2 Kommentare:
"Alle müssen X % sparen!" Allein darin liegt schon der Denkfehler. Sinnvoll ist allein die Zielsetzung: "Jeder Bereich muss mindestens X % EFFIZIENTER werden." Denn das beinhaltet sowohl die Kosten- als auch die Produktivitätsseite. Und hier können die Bereiche dann auch selbst mit genügend Freiraum entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.
Volle Zustimmung. Wobei effizienter leider nicht immer in konkreten Zahlen zu messen ist - zumindest nicht kurzfristig. Wenn die Forschung z.B. statt Kosten zu reduzieren ihre Abläufe so effizient gestaltet, dass sie ein Produkt schneller entwickelt, dann werden die angestrebten kurzfristigen Sparziele eben nicht erreicht, und dann haben die Vertreter ein Argumentationsproblem.
Erlebe ich gerade live in einem Sportverein. "Wir müssen sparen!" heißt es da, "überall!" Auch beim Leistungsangebot für die Mitglieder. Gegenargument: "Nein, gerade da nicht, wir müssen es sogar ausbauen, das zieht neue Mitglieder an und sorgt für höhere Einnahmen." Aber eben nicht unbedingt in den nächsten 6 Monaten.
Das Prinzip aber finde ich völlig korrekt.
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