Laut Wikipedia ist ein Index eine aus mehreren Größen errechnete Vergleichsgröße. So weit, so überschaubar. In der Praxis gehen die Probleme los. Nimmt man eine Anzahl unterschiedlicher Größen, um z.B. den Wert der Personalarbeit zu bestimmen, dann stellt sich rasch die Frage, ob all diese Größen gleich gewichtet sein dürfen. Und wenn dann noch quantifizierbare Größen mit subjektiv erhobenen Daten gemischt werden, ist das Drama perfekt. Folglich lässt sich über die meisten Indizes trefflich streiten.
Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass das Bruttoinlandsprodukt keine zuverlässige Messgröße für das Wohlbefinden eines Volkes ist - der Zusammenhang zwischen Produktivität und Glücksempfinden ist nicht linear. Was ja erst mal nicht weiter schlimm ist. Wenn man das weiß, darf man eben keine politischen Entscheidungen allein von diesem einen Kennwert abhängig machen. Wovon aber dann? Der Mensch braucht offensichtlich eine rechnerisch ermittelte Größe, also wird sich aufgemacht, eine solche zu entwickeln.
Ein lustiges Unterfangen. Nun sollen also gesellschaftliche Errungenschaften wie Bildung, Gesundheitsversorgung oder innere Sicherheit einfließen. Und weil man inzwischen festgestellt hat, dass auch nicht-monetäre Faktoren eine Rolle beim Wohlbefinden spielen, müssen noch Dinge wie Gesundheit, Freizeit, Zustand der Umwelt, Zusammenhalt der Familie usw. hinzugezogen werden. All das in einen großen Topf, fertig ist der Glücksindex.
Und dann? Dann wird man feststellen, dass es den Deutschen deutlich besser geht, als wenn man sie nur nach ihrer Zufriedenheit befragt. Wenn nicht, dann wird man politisch aktiv. Oder auch nicht...
Das ist das Dilemma von Indizes: Je heterogener die einbezogenen Faktoren, umso weniger wird man mit dem Ergebnis anfangen können. Sind die Faktoren sehr homogen und messen alle das gleiche, brauche ich keinen Index, da reicht dann ein Faktor.
Da lobe ich mir doch den Deutschen Aktienindex - da sind wenigstens nur Aktien vertreten, obwohl man sicher auch hier Zweifel hegen kann, ob dieser einen stets zuverlässigen Wert für den Zustand der Wirtschaft darstellt.
Meine Bitte: Lasst den Blödsinn mit dem Glücksindex. Erhebt ruhig weiter das Bruttoinlandsprodukt, aber messt ihm keine Bedeutung bei, die es nicht verdient. Kennwerte habe wir schon mehr als genug...
Rezensionen zum Thema:
Ein Kompass, der in die Irre führt, Financial Times Deutschland 18.12.2009
Geld spielt zum Glück keine Rolle, Financial Times Deutschland 14.12.2009
Macht Wachstum glücklich? Financial Times Deutschland 15.12.2009
Donnerstag, 28. Januar 2010
Der Glücksindex
Eingestellt von Johannes um 15:43:00
Labels: Gesellschaft, Werte
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4 Kommentare:
In Bhutan ist Glück ein Staatsziel. Das finde ich zumindest ungewöhnlich. Sie haben mit ihrer Skepsis schon Recht. Andererseits wir sind doch ein Zahlenvolk. Was haben wir nicht alles von BSP über PISA, Feinstaub usw.
Andere Zahlen finde ich interessanter. Die geben indirekt auch einen Hinweis auf Glücksempfinden. Zuzug und Abwanderung in D (negativ unterm Strich), Geburten- und Todesrate (im Summation negativ). Eigentlich brauchen wir keinen Glücksindex.
Schönen Gruß
Fritz Horsthemke
Hallo Herr Horsthemke,
volle Zustimmung - einzelne "Kennziffern" genügen, man muss sie nicht in einen Topf werfen.
Ob Zuzugs- und Abwanderungsrate Kennzahlen für "Glück" sind, ist da auch nebensächlich. Es stellt sich wie bei allen anderen immer nur die Frage: Ist die Entwicklung wünschenswert oder muss etwas unternommen werden? Was passiert, wenn nichts unternommen wird?
Da könnte man seine Zeit sinnvoller investieren als zur Bildung weiterer Indizes.
Das Wetter ist vermutlich der wesentlichste Faktor im Glücksindex. Und in Rio ist deswegen auch fast jeder glücklich.
Der Glücksindex nutzt den Erfindern, die haben was zu tun. Moderne ABM.
Die Glücksforschung hat z. B. rausgefunden, dass gutes Wetter zwar kurzfristig glücklicher macht, aber keinen dauerhaften Effekt hat. Der wesentlichste Faktor ist das Wetter auf alle Fälle nicht. Das kann man auch an Griechenland sehen. Da ist das Wetter zwar gut, aber die Korruption und die Unsicherheit hoch. Und das senkt nachgewiesenermasen das Wohlbefinden. Gut zu wissen. Und deshalb sollte man weiterhin Lebensqualität, nicht-materielle Wohlfahrt und Glück untersuchen. Damit die BSP-Immer-Weiter-So-Fraktion unsere Welt nicht an die Wand fährt. Sie ist auf dem besten Wege...
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