Montag, 30. November 2009

Stiefkind Weiterbildung

150 Millionen Euro stellt Vater Staat zur Verfügung, damit Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, diese Mitarbeiter qualifizieren und fit für die Zeiten machen können, wenn es wieder aufwärts geht. Ist doch keine schlechte Idee, oder? Warum sollten Mitarbeiter in dieser Zeit untätig herumsitzen? Wer vorher keine Zeit für Weiterbildungsmaßnahmen hatte, könnte jetzt endlich das Versäumte nachholen.

Tun aber die wenigsten. Die Gründe lesen sich so:
- Die Dauer der Kurzarbeit ist nicht abzusehen.
- Die Fördermöglichkeiten sind nicht überall bekannt.
- Der adminstritative Aufwand ist zu hoch.
- Man weiß nicht, wann es wieder aufwärts geht.
- Die so Qualifizierten verlassen anschließend das Unternehmen.
- Die Unternehmen haben das Weiterbildungsbudget komplett gestrichen.

Mag sein, dass einiges vorgeschoben ist, dass sich einfach auch niemand um die Sache kümmert - aber der letzte Satz macht doch stutzig. Die Unternehmen müssten einen Eigenanteil zahlen, aber nicht mal dazu sind sie bereit. Nachgefragt, warum das so ist, erfährt man offensichtlich: Die Verantwortlichen glauben nicht, dass Weiterbildung der Mitarbeiter ihnen etwas bringt. Noch krasser ausgedrückt: Jeder Cent, der in Qualifizierungsmaßnahmen gesteckt würde, wäre herausgeworfenes Geld. Selbst (fast) geschenkt ist es zu teuer.

Zugegeben, nicht alle denken so, es soll auch etliche geben, die die Staatsknete abrufen. Aber hier wird auch deutlich, warum so viele nach Modellen rufen, die den Nutzen von Weiterbildung berechenbar machen, und zwar in Euro und Cent.

Ich stelle mal eine Hypothese auf: Die Unternehmenslenker und Personaler, die diese Haltung vertreten, haben doch offensichtlich in ihrem Leben keine besonders positiven Erfahrungen in Sachen "Lernen" gesammelt. Ist sonst vorstellbar, dass sie die Chance verstreichen lassen, ihre Mitarbeiter für zukünftige Herausforderungen preisgünstig fit zu machen? Welche Antwort würde man wohl bekommen auf die Fragen:
"Haben Sie schon mal eine Qualifizierungsmaßnahme erlebt, die Ihnen wirklich was gebracht hat? Welche war das? Und was hat sie ausgezeichnet?"
Ich wette, die Antworten wären ernüchternd...

Rezensionen zum Thema:
Qualifizierung (fast) zum Nulltarif, Personalmagazin 9/2009
Verpasste Gelegenheit, Financial Times Deutschland 23.09.2009
Zeit für eine Bildungsoffensive, Handelsblatt Jg. 2009 17.08.2009

Montag, 23. November 2009

Wettbewerb im Öffentlichen Dienst?

Wie macht man aus einem Amt, das mehr mit sich selbst als mit den Bürgern beschäftigt ist, ein leistungsstarkes "Unternehmen"? Durch Wettbewerb, dachten sich die Berater von KMPG und die Bertelsmann Stiftung und initiierten eine "Amtsmeisterschaft". Kennzahlen zu finden ist ja kein Problem, man nimmt die durchschnittliche Durchlaufzeit eines Vorgangs. Hat man diese Zahlen erhoben, lässt sich ein Ranking erstellen, bei dem die schnellsten Amtstuben die vorderen Plätze belegen. Und dann?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Man veröffentlicht die Rangliste intern und stiftet auf diese Weise einen Austausch unter den betroffenen Verwaltungen an. Dieser soll dazu führen, voneinander zu lernen. Gute Idee. Nur ein echter Wettbewerb entsteht so noch nicht, argumentieren die Kritiker, da werden sich etliche gemütlich zurücklehnen und weiter wie gehabt agieren.

Also bleibt Möglichkeit 2: Man geht mit der Rangliste nach draußen, um so Druck durch Öffentlichkeit zu erzeugen. Auch das ist wohl kaum ein echter Wettbewerb, wer kann sich schon sein Finanzamt aussuchen. Aber dennoch: Auf diese Weise wird sicher deutlich mehr Konkurrenz geschürt: Guck mal, wie lahm die anderen sind! Beim nächsten Mal stehen wir aber ganz oben! Doch ach, auch hier melden sich Kritiker: Ein solches Ranking führt zu Manipulationen, einige Zahlen werden kaum freiwillig herausgerückt. Oder sie werden geschönt, da ist der Mensch erfinderisch.

Nebenwirkungen

So ist das mit solchen "Managementmethoden": Mit jeder Wirkung fängt man sich auch eine Nebenwirkung ein. Und wie immer sind dann die Führungskräfte gefordert. Im ersten Fall müssen sie die Lernprozesse einfordern und unterstützen. Im zweiten Fall müssen sie Manipulationen und Tricksereien aufspüren und verhindern. Welches ist die dankbarere Aufgabe?

Stiftung Bürgertest

Übringens: Würde "echter Wettbewerb" wirklich helfen? Bei der sich der Bürger aussuchen kann, bei wem er seinen Bauantrag stellt oder seinen Reisepass beantragt? Wenn das in der freien Wirtschaft so prima funkionieren würde - wozu brauchen wir dann eine Stiftung Warentest? Genau eine solche Instanz könnte die Alternative auch für die Ämter sein: Die Stiftung Bürgertest. Fordert zumindest einer der Experten.

Rezension zum Thema:
Selten so gelocht, Financial Times Deutschland 28.10.2009

Samstag, 21. November 2009

Führungskraft ohne fachliche Kompetenz?

"Eine Führungskraft muss anfangs nicht zwingend Ahnung vom Sujet ihres Ladens haben." Sagt der Leiter des Politikressorts der Financial Times Deutschland in einem Artikel über die scheinbaren Fehlbesetzungen im neuen Bundeskabinett. Da wird der Wirtschaftsminister zum Verteidigungsminister, der Verteidigungsminister zum Arbeitsminister, aus einem Gesundheitsexperten ein Umweltminister und aus einem Innenminister ein Finanzminister. Sieht nicht danach aus, als habe man zunächst eine Anforderungsanalyse erstellt und dann die geeignetsten Kandidaten ins Amt gehoben. Herr Theyssen findet das nicht schlimm (auch wenn gewisse Zweifel nicht zu überlesen sind). Schließlich gibt es in der Wirtschaft jede Menge Unternehmenslenker als Quereinsteiger, die vorher in einer völlig anderen Branche gewirkt haben. Funktioniert ja auch - manchmal jedenfalls.

Warum funktioniert es? Weil man als Führungskraft eben andere Qualitäten als Fachverstand braucht. Eine rasche Auffassungsgabe (um sich das Sachwissen dann doch anzueignen), Verständnis für Strukturen (um zu erkennen, an welcher Schraube man drehen muss) und den Blick für das große Ganze (da stört Detailswissen eher).

Und man braucht die richtigen Experten auf der nächsten Ebene, auf deren Einschätzung man sich verlassen kann. Eine wichtige Ergänzung dabei: Das funktioniert nur, wenn man aufgeschlossen genug ist, auf diese Leute zu hören. Soweit Herr Theyssen...

Ich habe so meine Probleme mit dem fehlenden Sachverstand. Es stimmt natürlich - an der Spitze einer großen Organisation kann man sich überhaupt nicht in jedem Detail auskennen - schon gar nicht, wenn der Konzern auf verschiedenen Gebieten tätig ist. Aber wie schwierig es ist, Akzeptanz in der Belegschaft zu gewinnen, wenn man offensichtlich keine Ahnung vom Geschäft hat, habe ich oft genug erlebt. Das einzige, was hier hilft, ist die Fähigkeit zum Zuhören. Und die habe ich bei vielen Managern nicht unbedingt wahrgenommen - die meisten erzählen lieber - oder besser: Sie predigen! Weil sie glauben, man könne am besten überzeugen, wenn man spricht. Eine Haltung, die leider auch bei Politikern stark verbreitet ist...

Wer zuhört, hat einen weiteren Vorteil: Er findet schnell heraus, auf welche seiner Experten er sich tatsächlich verlassen kann. Er erkennt ihre Zweifel, spürt, wenn sie sich sicher sind und vor allem: Er ermutigt sie, auch kritische Meinungen zu äußern. Es ist geradezu dramatisch, wenn jemand an die Spitze kommt und glaubt, sich keine Blöße geben zu dürfen. Er wird ganz schnell nur noch die Meinungen zu hören bekommen, die der seinigen zu entsprechen scheinen. Mit katastrophalen Folgen - in Wirtschaft und Politik...

Rezension zum Thema:
Kabinett der Fehlbesetzungen, Financial Times Deutschland 26.10.2009

Freitag, 20. November 2009

Kündigungsschutz für Chefs

Selbstständige Unternehmer kennen keinen Kündigungsschutz. Wenn das Geschäft nicht läuft, kommt kein Geld rein, da hilft kein Arbeitsrecht. Top-Manager sind zwar keine selbstständigen Unternehmer, aber Kündigungsschutz genießen sie dennoch nicht. Sie treffen unternehmerische Entscheidungen - unter anderem stellen sie Mitarbeiter ein und kündigen ihnen. Damit sind sie vor dem Gesetz leitende Angestellte. Ihnen den Stuhl vor die Tür zu stellen ist für den Arbeitgeber zwar nicht unbedingt billig, aber verhältnismäßig unkompliziert.

In den unteren Hierarchieebenen sieht die Sache anders aus. Bekanntlich kann man einem Mitarbeiter nicht mal so eben kündigen. Da hat man nach den Kriterien der Sozialauswahl vorzugehen, und wenn man sich schließlich doch trennt, ist eine Abfindung fällig, die sich am Monatsgehalt und der Anzahl der Jahre im Unternehmen orientiert.

Aber wo verläuft die Grenze? Rechtlich scheint das klar zu sein. Es gibt zwar viele Manager, die in der Hierarchie weit oben angesiedelt sind, aber einstellen und entlassen können sie damit noch lange nicht. Wenn der Arbeitgeber ihnen kündigen will, muss er richtig viel Geld auf den Tisch legen.

Kann ja gar nicht sein, sagen Kritiker. Ab einer bestimmten Einkommensklasse benötigt ein Manager nicht mehr den Schutz des Gesetzes. Als mögliche Grenze werden 150.000 Euro brutto genannt. Dem Argument könnte man sich anschließen. Bei diesen Größenordnungen sollte man Menschen zumuten, für solche Fälle selbst vorzusorgen. Der Einwand, auch solche Manager benötigten Planungssicherheit, wie ihn Berufsverbände vorbringen, ist albern. Zumal man ja nicht von heute auf morgen die Spielregeln ändern wird.
Was mir mehr zu denken gibt: Da erhalten Menschen ein derartig hohes Gehalt und haben weniger Entscheidungsbefugnisse als jeder kleine Unternehmer. Wenn Sie jemanden einstellen wollen, benötigen sie das Okay ihrer Vorgesetzten. Wie naiv ist da die Forderung nach unternehmerisch denkenden Mitarbeitern, wenn selbst in diesen Gehaltsklassen keine Entscheidungen getroffen werden dürfen. Was zu der Frage führt, wofür sie dann solche Einkommen erzielen.
Bleibt nur eine vernünftige Antwort: Es ist Schmerzensgeld...

Rezension zum Thema:
Sanfte Landung, Financial Times Deutschland 27.10.2009

Dienstag, 17. November 2009

Die ultimative Manager-Chart-Show

Warum ziehen uns Ranglisten nur so unwiderstehlich an? Die Sportfans lieben ihre Bundesliga-Tabelle, Weltranglisten und Sportler des Jahres-Wahlen, die Musikliebhaber starren auf eine Chartshow nach der anderen, inzwischen gibt es die absurdesten Formate nach dem Motto "Die 100 besten..." oder gar "Die 50 schlechtesten..." Es gibt Bestsellerlisten für Belletristik und Sachbücher, die Top-Ten der erfolgreichsten Filme usw. usw.

Nicht anders in der Wirtschaft. Wer ist in der Liste der reichsten Menschen der Welt von 1 auf 2 abgerutscht? Welche Hochschule hat es im Ranking der großen Zeitungen wieder auf Rang 1 gebracht?

Unternehmen werden nach alle möglichen Kriterien bewertet und in Ranglisten gepackt: Die innovativste Fabrik - Der beste Arbeitgeber - Die Top 50 bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze - Die besten Mittelständler - Die beliebtesten Arbeitgeber.

Worum geht es uns? Um den Vergleich? Wenn es denn wenigstens noch der Orientierung bei einer Entscheidung helfen würde. Diesen Sinn könnte man den Uni- oder Arbeitgeberrankings noch abgewinnen. Aber wem nutzt eine Tabelle der besten Unternehmenslenker? Die nämlich hat die Wirtschaftswoche veröffentlicht und dabei Linde-Chef Wolfgang Reitzle als Spitzenreiter gekürt.

Da fragt man sich doch, wie dieses Ranking zustande kommt, oder? Nun, die Berater von Kienbaum haben eine Befragung unter 63 Kapitalmarktprofis und renommierten Personalberatern durchgeführt, und die haben Schulnoten vergeben (wer gibt sich für so etwas her?)
Kriterien waren angeblich "Strategie- und Wachstumskompetenz, das Risiko- und Kostenmanagement oder Glaubwürdigkeit und Wertehaltung". Und dann hat man einen Numerus Clausus errechnet und Herrn Reitzle mit der Durchschnittsnote 1,94 auf Platz 1 gewählt, während der arme Herr Blessing von der Commerzbank nur knapp geschlagen von Telekom-Chef René Obermann auf dem letzten Platz landete. Ich würde doch zu gerne in der Kantine von Siemens sitzen und den Gesprächen von Mitarbeitern lauschen, deren Boss Peter Löscher den 3. Platz belegte. Ob sie sich über den Erfolg ihres Chefs freuen und auf ihn anstoßen? Oder die Ungerechtigkeit beklagen, weil er nicht ganz oben landete? Oder vielleicht eine gänzlich andere Meinung vertreten?

Ach ja, neben dem Ranking der "Experten" enthält die Rangliste natürlich auch die Reihenfolge der Vergütung. Da landet Herr Löscher dann doch auf Platz 1. Auch hier bildet Commerzbank-Chef Blessing das traurige Schlusslicht. Er wird beides verkraften...

Rezension zum Thema:
Radikal global, Wirtschaftswoche 42/2009

Dienstag, 10. November 2009

Storytelling

Kennen Sie das? Da meldet sich ein Experte zu Wort und erklärt uns, warum eine Strategie in die Hose gegangen ist und welche gravierenden Fehler gemacht wurden. Und Sie fragen sich: Wenn das so offensichtlich ist - warum hat man in dem Unternehmen dann so und nicht anders entschieden? So drängt sich der Verdacht auf, dass die Erklärung keine wirkliche Erklärung ist, sondern sozusagen ihre eine zwar plausible Schlussfolgerung darstellt, aber als Grundlage für zukünftige Entscheidungen wenig taugt.

Aktuelles Beispiel: Markenstrategen sollten gute Geschichten erzählen. Vor allem sollten sie den Kern der Geschichte, die eigentliche Story, nicht ohne Not antasten. Sie muss eine ganze Weile erzählt werden, damit sie im Gedächtnis der Menschen haften bleibt. Starke Marken haben gute Geschichten, bei denen man zwar an den "Kulissen" und "Requisiten" etwas ändern darf, aber eben niemals am Kern. So geschehen bei den Geschichten von Karstadt und Quelle. Sie standen für glaubwürdige Geschichten, die in unserem Gedächtnis verankert waren. Doch dann kamen die großen Strategen und erfanden das Kunstprodukt Arcandor, das wenig glaubwürdig war und die Glaubwürdigkeit der starken Geschichten von Karstadt und Quelle beschädigten.
Der Rest ist bekannt.

Da frage ich mich doch: Wenn die moderne neurologische Forschung so tolle Dinge über Storytelling herausgefunden hat - wieso wussten die Marketing-Berater von Middelhoff und Co. nichts davon?

Mag sein, dass das Kunstprodukt Arcandor keine gute Idee war, aber gescheitert dürfte es nicht an einer schlechten Geschichte sein...

Rezension zum Thema:
Die Story braucht Glaubwürdigkeit, acquisa 6/2009

Kundenbeiräte - eine gute Idee?

Die Postbank hat einen, die Deutsche Bahn hat einen, Vattenfall auch. Und nun auch die Commerzbank: Den Kundenbeirat. Was erhoffen sich die Unternehmen davon? Ist doch klar: Die Kunden sollen helfen, Service und Produkte zu verbessern. Ein guter Ansatz. Wer, wenn nicht der Kunde, kann einem Unternehmen sagen, wo es gut aufgestellt ist und wo es Verbesserungsbedarf gibt (wobei die Bahn vermutlich nicht viel mehr erfahren dürfte als dass sie vor allem pünktlich kommen sollte...)

Was ich mich dabei allerdings frage: Warum sollte sich ein Kunde bereit erklären, in so einem Gremium mitzuwirken? Ein Motiv könnte sein: Es ist schön, überhaupt gefragt zu werden, also wird man sicher erst einmal positiv überrascht sein. Dann bringt man sich mit seinen Ideen ein und freut sich, dass diese aufgenommen werden. Werden sie anschließend nicht umgesetzt, ist die Motivation schnell im Eimer. Und ich fürchte, so wird es den meisten Ideen ergehen. Oder können Sie sich vorstellen, dass der Kundenbeirat der Bahn so gravierend andere Dinge entdecken wird als Tausende der eigenen Mitarbeiter?

Werden sie umgesetzt, wird sich der Kunde früher oder später fragen: Was habe ich eigentlich davon? Vielleicht ein kostenloses Monatsticket? Ein kostenloses Girokonto? Vielleicht auch "nur" ein nettes Ambiente bei den moderierten Treffen? Hat jemand Erfahrung mit Kundenbeiräten? Wäre mal spannend zu hören, wie es ihm/ihr dabei ergangen ist und ob es irgendjemandem gelingt, einen solchen Beirat nutzbringend für alle Seiten zu etablieren und vor allem zu erhalten...

Rezension zum Thema:
Wenn die Idee vom Kunden kommt, acquisa 6/2009

Dienstag, 3. November 2009

Die wahren Auftraggeber

Ein Unternehmen setzt ein Führungskräftenachwuchsprogramm auf. Stand der Technik scheint zu sein, dass man nach der Auswahl der glücklichen Kandidaten mit einem Kick-Off beginnt, die Teilnehmer verschiedene Module durchlaufen und parallel oder gegen Ende des Programms ein Projekt bearbeiten. Zwischen den Modulen finden Coachings, kollegiale Beratungen, Kaminabende mit Vorständen etc. statt. Gravierende Unterschiede vermag ich in den vielen Veröffentlichungen zu dem Thema nicht zu erkennen, jeder PE-Abteilung möchte aber gerne zeigen, dass sie auch etwas zustande gebracht hat.

Grundsätzlich sehe ich solche Programme kritisch, vor allem wegen des "Goldfischteich-Charakters". Aber das ist ein gesondertes Thema. Was auffällt: Es wird verstärkt Wert auf Projekte aus dem richtigen Leben gelegt. Die Teilnehmer sollen ein Thema bearbeiten, das dem Unternehmen nutzt und sie selbst auch nach vorne bringt. Und natürlich soll es neben dem "normalen" Job bearbeitet werden. Dass das nicht immer gelingt, wird in einem Beitrag der Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008 deutlich. Erfreulich ehrlich, sonst klingt es nämlich meist nach "alle sind glücklich".

Wer entscheidet über die Inhalte der Trainingsmodule? Erstellt man vorher ein Kompetenzprofil, das natürlich aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird und dann in Trainingsinhalte gegossen wird? Beurteilt man die Teilnehmer und leitet hieraus Entwicklungsnotwendigkeiten ab, um Qualifizierungslücken zu schließen? Fragt man die Teilnehmer, was sie denn für Qualifizierungsbedarfe haben?

Oder lässt man all das bleiben und überlässt es den Teilnehmern, mit den Trainern die Inhalte der Trainings abzusprechen? Das wäre doch mal innovativ, oder? Die Teilnehmer wissen, wo es im Alltag hakt, wo die Projekte stocken, die Kunden stören ... warum sollten sie nicht darüber entscheiden, was genau trainiert wird?

Utopisch. Offensichtlich nicht. Bei der N-ERGIE AG läuft das angeblich genau so ab. Dort haben bisher ca. 100 Nachwuchskräfte ein solche Programm durchlaufen. Vielleicht habe ich das mit der Selbstorganisation ja auch falsch verstanden, aber es heißt wörtlich: "Die Gruppe bestimmt ihren Lernbedarf und vereinbart mit den Trainern Lernziele. So wird sie zum Auftraggeber der Trainer."

Regelmäßige Leser des MWonline-Blogs werden sich denken, dass mir das Konzept zusagt. Es macht die Betroffenen zumindest in diesem Teil zu selbstständig Handelnden. Und ich muss natürlich schmunzeln, weil es offensichtlich auf den Anspruch verzichtet, in die Zukunft zu blicken und Kompetenzen vermitteln will, die angeblich in dieser Zukunft unverzichtbar sein werden. Vielmehr wird man hier darauf vertrauen müssen, dass die Menschen intelligent genug sind zu erkennen, was ihnen weiterhilft.

Rezensionen zum Thema:
Vom Backfisch zum Haifisch, Wirtschaftspsychologie aktuell 4/2008
Potenzial erschließen, Personal 3/2009