Montag, 30. März 2009

Der Mensch in Zahlen

Wie wäre es, wenn es gelänge, Menschen komplett in Zahlen abzubilden? Eine sogenannte Taxonomie all ihrer Fertigkeiten anzulegen, so dass es möglich ist, auf Knopfdruck genau zu berechnen, wie hoch die Rendite ausfallen wird, wenn der Mitarbeiter X statt Y in ein Team berufen wird? Wobei der Rechner der Führungskraft das ideale Team zusammenstellt unter Berücksichtigung aller Kompetenzen und Kosten?

Totaler Blödsinn, dachte ich, als ich den Anfang des Auszuges aus dem Buch "Die Numerati" las, der in der Wirtschaftswoche 11/2009 abgedruckt wurde. Da will ein Mathematiker bei IBM solche Zahlenwerke für 300.000 Mitarbeiter erstellen. Ähnlich utopisch wie die vielzitierten Skill-Datenbanken und die Versuche, unter dem Begriff "Humankapital" Menschen mit Kennzahlen abzubilden.

Je weiter ich las, desto unsicherer wurde ich. Ahnen wir eigentlich, welche elektronischen Spuren jeder von uns ständig hinterlässt? Würde man analysieren, wer wem zu welchen Zeiten e-Mails schickt, wen er in Kopie setzt und wen in "Blind Copy", hätte man eine gute Basis, um formale und informelle Beziehungsnetze abzubilden. Unser elektronischer Kalender verrät, wie viel Zeit wir in Besprechungen sitzen. Unser Handy ermöglicht es, unseren Weg innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu verfolgen. Unsere Touren durch das Internet verraten, wofür wir uns interessieren (und womit wir unsere Zeit verbringen). Rufen Sie Internetseiten zu bestimmten Krankheiten auf, weiß Ihr Unternehmen, dass es ein Problem bekommt. Kaufen Sie sich Bücher zu bestimmten Fachgebieten, erkennt es, welche Experten es in seinen Reihen hat.

Wenn man dann noch die Beiträge, die Menschen heutzutage von Kindheit an im Netz hinterlassen, auswerten könnte - was für ein Profil könnten findige Mathematiker und Programmier wohl daraus erstellen?

Der gläserne Kunde

Sie denken, Sie seien davon nicht betroffen? Rechnen Sie lieber damit, dass in Zukunft Kameras und Funksender Ihren Weg durch den Supermarkt aufzeichnen, jedes Produkt, das Sie erwerben, analysieren und und die Händler mehr über Ihre Lebensgewohnheiten erfahren als Ihnen vielleicht selbst bewusst ist. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie demnächst schon am Eingang des Supermarktes begrüßt werden mit dem aktuellen Sonderangebot, das perfekt zu Ihrer gerade gestarteten Diät passt.

Vielleicht kommt er ja doch, der Mensch in Zahlen. Wer glaubt, sich dem entziehen zu können, der dürfte schwer daneben liegen. Ist das ein Grund zur Sorge? Keine Ahnung. Was mir schon Kopfzerbrechen bereitet ist die Tatsache, dass ich keine Chance haben werde herauszufinden, auf welcher Datenbasis das Bild beruhen wird, dass diese mathematischen Modelle hervorbringen. Und dass ich schon gar nicht nachvollziehen können werde, wie die Daten zu einem Gesamtergebnis zusammengefügt werden. Aber wahrscheinlich ist das ja heute schon...

Rezension zum Thema:
Die Numerati, Wirtschaftswoche 11/2009

Dienstag, 24. März 2009

Wer braucht Mitarbeiterbefragungen?

Jetzt ziehe ich mir wieder den Zorn zahlreicher Anbieter von Mitarbeiterbefragungstools zu - und den der Personal- und Organisationsentwickler gleich mit. Um es kurz zu machen: Würden Manager besser hinhören und weniger selbst reden, wären Mitarbeiterbefragungen überflüssig. Ich erinnere mich an den Leiter eines großen Bereiches innerhalb eines Konzerns, der mich fragte, ob ich ihn dabei unterstützen könne, eine Mitarbeiterbefragung in seinem Bereich durchzuführen. Auf die Frage nach dem "Wozu" antwortete er, er glaube, dass eine große Unzufriedenheit herrsche und so einiges mal aufgedeckt werden müsse.

"Aber dann wissen Sie doch, was los ist", lautete meine Antwort, "wozu noch eine Befragung?" - "Weil ich damit vielleicht auch das Management überzeugen kann, dass man endlich reagieren muss."

Ich habe viele solcher Situationen erlebt, wo Tools eingesetzt werden, um das, was längst bekannt ist, in (scheinbare) Fakten zu verwandeln in der Hoffnung, dass diese überzeugender sind. Würden in dem beschriebenen Fall die Manager dieser Führungskraft zuhören und mehr mit den Betroffenen reden, gäbe es keine Notwendigkeit für eine solche Umfrage.

Gegenrede: Eben weil die Manager nicht zuhören, braucht man diese Umfragen. Besser, die Meinung der Betroffenen auf diese Weise einzufangen als gar nicht.

Einverstanden. Aber warum sollten Manager, die wenig Wert auf die Meinung der Belegschaft legen, plötzlich auf Grund von Säulendiagrammen und schriftlichen Äußerungen ihr "Herz für das Volk" entdecken?

Mitarbeiterbefragung als PE-Maßnahme

Extrem misstrauisch werde ich, wenn ich lese, dass man ein Nachwuchsprogramm aufsetzt, das aus einer Reihe von Seminaren besteht und in einem Projekt mündet, an dem der hoffnungsvolle Nachwuchs seine neu erworbenen Fertigkeiten erprobt. Und wenn diese Projekt dann "Mitarbeiterbefragung" heißt. Sicher, dabei können die jungen Führungskräfte einige nützliche Erfahrungen sammeln. Aber würde man ihnen auch ein Projekt anvertrauen, bei dem es um strategisch bedeutsame Dinge geht? Oder um erhebliche Umsätze oder Investitionen?

Wohl kaum. Was heißt das? Ich möchte die Arbeit der Nachwuchsleute nicht abwerten, aber wie lautet denn die Botschaft? "Hier ist ein Projekt, an dem Ihr mal schön üben könnt, bevor Ihr auf das wahre Leben losgelassen werdet. Wenn es schief geht, ist kein großer Schaden entstanden, denn es hat keine allzu große Bedeutung."

Mag sein, dass ich einigen Personalentwicklern hier Unrecht tue. Mag sein, dass in diesen Unternehmen auch Projekte im Rahmen von Nachwuchsprogrammen vergeben werden, an denen geschäftsrelevante Dinge hängen. Ansonsten aber ist die Vergabe solcher Projekte entlarvend und zeigt, welche Bedeutung man einer Mitarbeiterbefragung tatsächlich beimisst.

Rezension zum Thema:
Ungeahnte Möglichkeiten, Personalwirtschaft 9/2008

Mittwoch, 18. März 2009

Bonus oder kein Bonus?

Man frage sechs Unternehmer, wie sie Mitarbeiter gewinnen und binden, und bekommt sechs verschiedene Antworten. Das ist ja auch okay so, wäre ja schlecht, wenn jeder die gleichen Methoden nutzt.

Ich habe trotzdem sehr geschmunzelt, als ich die Aufzeichnung eines Round Table Gespräches in der Financial Times Deutschland las. Es ging um die Frage, wie man Leistungen fördert, und Herr Sixt antwortet: "Wir beteiligen sie am Erfolg." Er meint damit, dass Mitarbeiter am Gewinn und Verlust ihres Bereiches gemessen werden. "Ohne Druck geht es nicht", lautet sein Credo. Bei ECE betont man dagegen den Teamgedanken und steckt 15% des Gewinns in einen Pool, über den die Führungskräfte verfügen können. Bei Xing hat man den Bonus ganz abgeschafft, allerdings gibt es ein oder zwei Monatsgehälter mehr, wenn der Erfolg stimmt - für alle! Und bei Trigema wird ganz auf Erfolgsprämien verzichtet, alle bekommen das gleiche Gehalt (meint der Geschäftsführer Grupp hier tatsächlich das GLEICHE Gehalt für ALLE?). In guten Zeiten gibt es nicht mehr, in schlechten dafür auch nicht weniger.

Witzig daran ist, dass offensichtlich ja alle diese Unternehmen ganz gut funktionieren. Gut, bei Sixt bleiben von 200 Trainees pro Jahr nur 20 in der Firma, da würde ich die Sache mit dem Druck mal hinterfragen. Aber die anderen?

Vielleicht ist es so: Jedes Unternehmen hat das Belohnungssystem, das zu seiner Kultur passt - und folglich wird es auch die Mitarbeiter haben, die dazu passen. Der Wettkampftyp fühlt sich vielleicht bei Sixt wohl, der Teamarbeiter bei ECE oder Xing, und wer mehr Wert auf sichere Planung legt, bei Trigema.

Und was lernen wir daraus? Welches Belohnungssystem Sie einführen, sollten Sie davon abhängig machen, welche Art von Unternehmen Sie sein möchten und welchen Typ von Mitarbeiter Sie haben wollen.

Noch etwas: Ein Belohnungssystem für ein ganzes Unternehmen sorgt auch für ähnliche Verhältnisse im ganzen Unternehmen. Wer Differenzierung möchte, muss wohl oder übel verschiedene Systeme akzeptieren. Das dürfte vor allem für weltweit aufgestellte Konzerne gelten...

Rezension zum Thema:
Mitarbeiter gewinnen ist Chefsache, Financial Times Deutschland vom 20.1.2009

Dienstag, 17. März 2009

Der Erlebnisunternehmer

Soso, da haben Wissenschaftler also einen neuen Mitarbeiter-Typ entdeckt: Den "Erlebnis-Unternehmer". Diese Menschen betrachten Arbeit nicht mehr als Broterwerb, um sich teure Hobbys oder überhaupt solche leisten zu können, sondern für sie ist Arbeit Abenteuer, Selbstverwirklichung, Spaß, Erfüllung...

Na sowas. Das soll es geben? "Spaß ist ja schön und gut, aber wir sind hier in erster Linie zum Arbeiten!" Den Spruch habe ich mehr als einmal gehört. Von wegen. Da gibt es Leute, die sind in erster Linie am "Arbeitsplatz", um Spaß zu haben. Dazu gehört auch eine ordentliche Herausforderung, ein gesundes Maß an Stress bzw. die richtige Mischung aus beidem. Diese Menschen zeichnen sich durch eine hohe intrinsische Motivation aus.

Was nun? Der Tipp der Autoren dieser Studie: Unternehmen sollten sie erst einmal entdecken und ihnen dann Rahmenbedingungen bieten, unter denen sie ihre Leistung voll entfalten können. Wir ahnen es, wie diese Rahmenbedingungen aussehen, oder? Entscheidungsfreiräume, selbstständiges Arbeiten, eigenverantwortliches Handeln. Hochkomplexe Managementsysteme sind da nur störend, komplizierte Incentive-Strukturen halten sie nur auf, ebenso systematisch "heruntergebrochene" Ziele. Grobe Zielvorgaben genügen.
Da wird so mancher Personalstratege arbeitslos...

Rezension zum Thema:
Kräftemessen aus Leidenschaft, Personalmagazin 11/2008

Samstag, 14. März 2009

Arbeitgeber bewerten

Über Internetseiten, auf denen man seine Nachbarn schlecht machen kann, habe ich schon geschrieben. Wie sieht es mit Bewertungen des eigenen Arbeitgebers aus? Ist es zu begrüßen, wenn Mitarbeiter anonym im Netz Bewertungen über das Unternehmen abgeben, das ihr Gehalt bezahlt? Oder früher bezahlt hat? Mmmh... Die Intention könnte ja die gleiche sein wie bei Produkten und Dienstleistungen: Ich schaue mir an, wie Mitarbeiter ihr Unternehmen wahrnehmen, bevor ich mich dort bewerbe. Ich war neugierig und habe bei Kununu nachgeschaut, wie mein alter Arbeitgeber dort wegkommt. Gar nicht so übel, war der erste Eindruck - obwohl 20 Bewertungen bei zig tausend Mitarbeitern gar nichts aussagen. Zumal es dort so gut wie keine Differenzierung über alle Kriterien hinweg gibt.

Es bleibt ein schales Gefühl. Hier werden Organisationen bzw. Menschen beurteilt, die mit mir in einem Boot sitzen, auf die ich angewiesen bin und umgekehrt, die von mir als Mitarbeiter abhängen. Unternehmen stellen eine Gemeinschaft aus Menschen dar, die gemeinsam ein Ziel erreichen wollen, und davon hängt ab, ob man überlebt oder in seiner Existenz gefährdet ist. Wer sein Unternehmen beurteilt, versteht sich nicht als Teil von ihm.

Aber vielleicht ist das ja gewollt. Wir lesen überall von dem Arbeitnehmer als Unternehmer in eigener Sache, in dem Fall ist das Unternehmen nur einer von vielen Geschäftspartnern. Und vor dem darf ich getrost andere "Selbst-Unternehmer" warnen. Und die Idee von der Gemeinschaft, die langfristig im Wettbewerb überleben möchte, hat längst ausgedient.

Rezension zum Thema
Der Lack ist ab, Personalmagazin 11/2008

Mittwoch, 11. März 2009

Kreative Zerstörer

Um etwas Neues zu schaffen, muss etwas Altes zerstört werden. Diese Erkenntnis stammt von dem österreichischen Ökonomen Joseph A. Schumpeter. Die Financial Times Deutschland hat eine Serie veröffentlicht, in der sie "Deutschlands kreative Zerstörer" portraitierte. Ich habe sie gerne gelesen und muss gestehen, dass mir der Mut und der Durchhaltewille der vorgestellten Unternehmer mächtig imponiert haben. An eine Idee zu glauben, das hierfür notwendige Geld aufzubringen, dabei bereit zu sein, ein hohes Risiko einzugehen - dazu muss man geboren sein, denke ich.

Natürlich sind die hier vorgestellten Beispiele besonders extrem, und man muss vorsichtig sein mit der Ableitung von allgemeinen Regeln. Mir hat sich die Frage gestellt, wie ein Mensch gestrickt sein muss, der gegen übermächtige Konkurrenten antritt, sich von Gerichtsverfahren nicht abschrecken lässt, erst belächeln und später bedrohen lässt und dabei unerschütterlich seinen Weg geht? Dieses Muster zeigt sich häufiger: Zuerst werden die neuen Unternehmen nicht ernst genommen. Allzu sicher fühlen sich die Platzhirsche, erscheinen kaum angreifbar. Doch die Neulinge sind offensichtlich in der Lage, andere von ihrer Idee zu begeistern, sie zu bewegen, große Summen zu investieren und auch an die Idee zu glauben, selbst wenn er Jahre dauert, bis sich der Erfolg einstellt. Dann plötzlich merken die Marktführer, dass sich da etwas Unheilvolles zusammenbraut, das ihr Geschäft zu zerstören droht. Sie ziehen vor Gericht, verunglimpfen den Neuling in der Öffentlichkeit, zetern über angebliche Geschäftsschädigung - und kaufen nicht selten am Ende sein Unternehmen für viel Geld.

Ist das das Motiv, dass diese Unternehmer durchhalten lässt? Ich glaube nicht. Ich vermute, es ist vielmehr die Einstellung "Jetzt erst recht!" bzw. "Denen zeig' ich's." Sie wollen sich und anderen etwas beweisen und sind davon überzeugt, dass sie einfach mehr drauf haben als alle anderen. Dass sie damit nicht unbedingt sympathisch rüberkommen, scheint mir Teil dieser Persönlichkeiten zu sein. Man kann vielleicht nicht beides sein: Zerstörer und Sympathieträger...

Rezensionen zum Thema finden sich bei MWonline unter "Portraits"

Dienstag, 10. März 2009

Der Aufsichtsrat als Team?

Ich habe versucht, mir das vorzustellen, aber leider fehlt mir dazu die Fantasie: Damit Aufsichtsräte ihrer Aufgabe, mehr Berater und Wegbegleiter denn Kontrolleure zu sein, nachkommen können, sollten sie sich als Team verstehen. Die konkreten Tipps lauten: Ein Coach hilft dabei, ein Team zu werden, man gibt sich ein Regelwerk für die Zusammenarbeit, eine Teamcharta.

Vielleicht habe ich ja nur einen sehr begrenzten Kreis von Personen kennengelernt, die in Aufsichtsräten sitzen. Mein Bild ist eher das lauter machtbewusster Menschen, die gewohnt sind, Entscheidungen im Alleingang zu treffen, sich durchzusetzen und im Zweifelsfall dabei auch wenig Rücksicht auf das "Team" zu nehmen. Und diese Herren (Frauen sind ja bekanntlich selten in solchen Gremien vertreten) sitzen also nun in trauter Runde und geben sich mit Hilfe eines Coachs Teamregeln? Nett gemeint, aber realistisch?

Rezension zum Thema:
Von der Interessenvertretung zum Teamspirit, zfo 1/2009