Ein Unternehmen setzt ein Führungskräftenachwuchsprogramm auf. Stand der Technik scheint zu sein, dass man nach der Auswahl der glücklichen Kandidaten mit einem Kick-Off beginnt, die Teilnehmer verschiedene Module durchlaufen und parallel oder gegen Ende des Programms ein Projekt bearbeiten. Zwischen den Modulen finden Coachings, kollegiale Beratungen, Kaminabende mit Vorständen etc. statt. Gravierende Unterschiede vermag ich in den vielen Veröffentlichungen zu dem Thema nicht zu erkennen, jeder PE-Abteilung möchte aber gerne zeigen, dass sie auch etwas zustande gebracht hat.
Grundsätzlich sehe ich solche Programme kritisch, vor allem wegen des "Goldfischteich-Charakters". Aber das ist ein gesondertes Thema. Was auffällt: Es wird verstärkt Wert auf Projekte aus dem richtigen Leben gelegt. Die Teilnehmer sollen ein Thema bearbeiten, das dem Unternehmen nutzt und sie selbst auch nach vorne bringt. Und natürlich soll es neben dem "normalen" Job bearbeitet werden. Dass das nicht immer gelingt, wird in einem Beitrag der Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008 deutlich. Erfreulich ehrlich, sonst klingt es nämlich meist nach "alle sind glücklich".
Wer entscheidet über die Inhalte der Trainingsmodule? Erstellt man vorher ein Kompetenzprofil, das natürlich aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird und dann in Trainingsinhalte gegossen wird? Beurteilt man die Teilnehmer und leitet hieraus Entwicklungsnotwendigkeiten ab, um Qualifizierungslücken zu schließen? Fragt man die Teilnehmer, was sie denn für Qualifizierungsbedarfe haben?
Oder lässt man all das bleiben und überlässt es den Teilnehmern, mit den Trainern die Inhalte der Trainings abzusprechen? Das wäre doch mal innovativ, oder? Die Teilnehmer wissen, wo es im Alltag hakt, wo die Projekte stocken, die Kunden stören ... warum sollten sie nicht darüber entscheiden, was genau trainiert wird?
Utopisch. Offensichtlich nicht. Bei der N-ERGIE AG läuft das angeblich genau so ab. Dort haben bisher ca. 100 Nachwuchskräfte ein solche Programm durchlaufen. Vielleicht habe ich das mit der Selbstorganisation ja auch falsch verstanden, aber es heißt wörtlich: "Die Gruppe bestimmt ihren Lernbedarf und vereinbart mit den Trainern Lernziele. So wird sie zum Auftraggeber der Trainer."
Regelmäßige Leser des MWonline-Blogs werden sich denken, dass mir das Konzept zusagt. Es macht die Betroffenen zumindest in diesem Teil zu selbstständig Handelnden. Und ich muss natürlich schmunzeln, weil es offensichtlich auf den Anspruch verzichtet, in die Zukunft zu blicken und Kompetenzen vermitteln will, die angeblich in dieser Zukunft unverzichtbar sein werden. Vielmehr wird man hier darauf vertrauen müssen, dass die Menschen intelligent genug sind zu erkennen, was ihnen weiterhilft.
Rezensionen zum Thema:
Vom Backfisch zum Haifisch, Wirtschaftspsychologie aktuell 4/2008
Potenzial erschließen, Personal 3/2009
Dienstag, 3. November 2009
Die wahren Auftraggeber
Eingestellt von Johannes um 16:30:00
Labels: Personalentwicklung, Talentmanagement
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3 Kommentare:
Eine beeindruckende Leistung, die - weil nicht selbstverständlich - erklärungsbedürftig ist: Ich frage mich, wer hier wann im richtigen Augenblick grünes Licht gegeben hat und wieviele Diskussionen im Vorfeld laufen mussten, damit eben keine Lernkontrollphantasie in Aktion gesetzt wird. Weiß man da was? (Bin nicht registriert auf mwonline...)
Hallo Herr Taschner,
laut Artikel in der Personal gibt es offensichtlich keine Lernkontrolle in Form von Tests, allerdings regelmäßig Gespräche mit den Vorgesetzten, der PE bzw. den Trainern und am Ende ein "Managementaudit" durch die oberen Führungskräfte. Wie das genau aussieht, also wer da was auditiert, wird aus dem Beitrag nicht klar.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Thönneßen
Das Konzept, die Teilnehmer eines Trainings die Ziele und Inhalte mitbestimmen zu lassen, haben einige Kollegen und ich selbst schon seit mehreren Jahren in ein Trainingskonzept integriert: Es gibt einige vom Unternehmen festgelegt "Muss"-Themen, aber auch genügend Freiraum, mit den Teilnehmern auf Ihre Interessen abgestimmte Inhalte zu integrieren. Das Trainingskonzept ist beschrieben in meinem Buch "Besser mit Weiterbildung!" (Hrsg. Gerhard Etzel, ISBN: 9783837036435): Gesa Heiten und Christoph Seidenfus - Führungstraining in wirtschaftlich schwieriger Zeit, S. 101 - 108.
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